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Vision Zero – Konzept für mehr Verkehrssicherheit in Hamburg

Mittwoch, 27.09.2017

Solange es auch nur einen Verkehrstoten im Jahr gibt, muss Verkehrssicherheit ein zentrales Thema aller Verantwortlichen bleiben. Mitte der 90er Jahre wurde von der schwedischen Straßenverkehrsbehörde der Begriff „Vision Zero“, der eigentlich aus der Arbeitssicherheit stammt, für den Verkehr weiterentwickelt. Das Konzept „Vision Zero – Null Verkehrstote“ basiert auf der Erkenntnis, dass der Mensch Fehler macht und das System Verkehr darauf ausgerichtet werden muss. Die Belastungsgrenzen des menschlichen Körpers werden dabei zum entscheidenden Maßstab und Unfallvermeidung rückt in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Anstrengungen. Unfallfolgen dürfen auch im schlimmsten Fall nicht mehr tödlich sein.

In den vergangenen 40 Jahren ist es gelungen, die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschäden in Hamburg und deutschlandweit deutlich zu reduzieren. So verunglückten 1976 auf Deutschlands Straßen noch 17.144 Menschen tödlich im Straßenverkehr, 2016 starben 3.206 Menschen. 29 davon waren es in Hamburg. Das zeigt: Es wurde schon einiges erreicht, doch noch immer besteht Handlungsbedarf. Zwar ging die Zahl der Leicht- und Schwerverletzten in Hamburg im Jahr 2016 um 2,7 Prozent bzw. um 5,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, die Gesamtzahl der Unfälle stieg dafür aber leicht um 1,8 Prozent an, was im Wesentlichen auf eine erhöhte Anzahl der Sachschadensunfälle zurückzuführen ist.

Vor dem Hintergrund, dass jedes Straßenverkehrsopfer eines zu viel ist, bleibt die Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit – aufbauend auf den zahlreichen, bereits heute bestehenden präventiven Einzelmaßnahmen wie Informations- und Aufklärungskampagnen, Verkehrserziehung, verstärkte Kontrolle der Einhaltung von Verkehrsregeln und bauliche Verbesserungen im Straßenraum – eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen.

Bereits heute gibt es in Hamburg verschiedene Zielgruppenprogramme für mehr Verkehrssicherheit, z.B. für Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer. Auch die von der Bürgerschaft beschlossenen Kampagne pro Rad (Drs. 21/3312) wird das Thema Sicherheit der Radfahrenden beinhalten. Die Verkehrserziehung in den Schulen und die Schulwegsicherheit sind weitere wichtige präventive Bereiche der Unfallvorsorge.

Eine besondere Schutzfunktion zur Herstellung von mehr Verkehrssicherheit kommt kontinuierlichen Kontrollmaßnahmen zur Durchsetzung eines rücksichtsvollen Miteinanders im Straßenverkehr zu. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen, Alkohol- und Drogenkonsum im Straßenverkehr sowie illegalen Autorennen und illegalem Parken liegen. Diese Kontrollen sollten vor allem an Unfallschwerpunkten und sensiblen Bereichen wie Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen stattfinden.

Auch Fragen der Fahrzeugtechnik sind von wesentlicher Bedeutung. Der Fortschritt in der Sicherheitstechnik der Kraftfahrzeuge ist ein wesentlicher Grund für die gesunkene Zahl der Verkehrsopfer in den letzten Jahrzehnten. Die Einführung von Assistenzsystemen bietet hier noch zusätzliche Optionen. Daher ist es gut, dass die Verkehrsministerkonferenz der Initiative Hamburgs gefolgt ist und den Bund aufgefordert hat, Initiativen zu ergreifen, um für Lastkraftwagen verpflichtende Abbiegeassistenzsysteme einzuführen. Entscheidungskompetenzen liegen hier jedoch eher auf nationaler und internationaler Ebene.

Ziel einer umfassenden Verkehrssicherheitspolitik muss es auch sein, die bekannten Unfallschwerpunkte zu reduzieren. Dazu forderten SPD und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag ein Sicherheits-Sofort-Programm, mit dem zunächst an den wichtigsten Knotenpunkten mit besonders hohem Unfallaufkommen zügig Maßnahmen zur wirksamen Unfallbekämpfung umgesetzt werden sollten. Unter Beteiligung der Unfallkommission Hamburg und nach dem aktuellen Stand der Unfallforschung sollte darüber hinaus die Unfallsituation in Hamburg analysiert und sollten Vorschläge für Maßnahmen zur flächendeckenden Erhöhung der Verkehrssicherheit erarbeitet werden.

Die Anpassung der Infrastruktur des Straßenraums an die Bedürfnisse aller Verkehrsteil-nehmerinnen und -teilnehmer ist ein weiterer, wichtiger Baustein einer modernen, abgestimmten Verkehrssicherheitspolitik. Mit der Entwicklung Hamburgs zur Fahrradstadt und der Förderung des Fußverkehrs hat der Senat wichtige Meilensteine gesetzt. Reparaturmaßnahmen im Straßenraum sollen grundsätzlich im Sinne der „fehlerverzeihenden Straße“ erfolgen: Die Unfalllage ist jeweils zu überprüfen und entsprechende Sicherheitsreserven sind im Straßenraum miteinzuplanen sowie die Barrierefreiheit mit zu berücksichtigen.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird gebeten,

I. der Bürgerschaft im 1. Quartal 2018 über den Planungs- und Umsetzungsstand folgender Inhalte des Koalitionsvertrags zur Verkehrssicherheit zu berichten:

1. Langfristiges Ziel muss immer sein, insbesondere die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Todesfolge mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen nachhaltig zu verringern.

2. Wir wollen die Kontrollen zur Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen, sowie illegalem Parken, das die Verkehrssicherheit beeinträchtigt, stadtweit verstärken.

3. Es soll ein umfassendes Konzept zur Schulwegsicherung entwickelt werden, das die Sanierung und Beleuchtung der Fußwege mit einem Sonderbudget aus Sanierungsmitteln umfassen wird.

4. Wir wollen uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Begleitung auf dem Gehweg Rad fahrender Kinder bis zum achten Lebensjahr durch eine/n erwachsene/n Radfahrerin oder Radfahrer legalisiert wird.

5. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Rechte von Fußgängerinnen und Fußgängern in Tempo-30-Zonen beim Überqueren der Straße gestärkt werden, so dass sie dort zukünftig überall die Fahrbahn überschreiten dürfen.

6. Die Anzahl der bekannten Unfallschwerpunkte wollen wir reduzieren. Dazu sollen im Rahmen eines Sofort-Sicherheits-Programms zunächst für die wichtigsten 20 Knotenpunkte mit besonders hoher Unfallbelastung zügig Maßnahmen zur wirksamen Unfallbekämpfung umgesetzt werden.

7. Eine unabhängige Stelle der Unfallforschung soll beauftragt werden, die Unfallsituation in Hamburg zu analysieren und Vorschläge für Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit unter Beteiligung der Unfallkommission Hamburg zu erarbeiten.

8. Im Zuge der Planung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Straßenraum wird stets die bestehende Unfalllage geprüft. Maßnahmen zur Förderung der Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, sowie zur Verbesserung bzw. Gewährleistung der Barrierefreiheit werden dabei umgesetzt.

9. Es werden weitere Vorschläge der Bezirke für die Anordnung von Tempo 30-Strecken auch auf wichtigen Bezirksstraßen und zur Ergänzung oder Ausweitung von Tempo 30-Zonen geprüft werden.

10. Zur Verbesserung der Schulwegsicherheit wollen wir uns bei Tempo 30 vor Schulen für eine bundesweit einheitliche Regelung einsetzen.

II. der Bürgerschaft im 1. Quartal 2018 zu berichten,

1. inwieweit der Grundgedanke der „Vision Zero – Null Verkehrstote“ schon jetzt Teil der Verkehrssicherheitsstrategie der Polizei ist;

2. welche zielgruppenorientierten und präventiven Kampagnen für mehr Verkehrssicherheit durch das „Forum Verkehrssicherheit Hamburg“ und seine Arbeitskreise in den vergangenen Jahren entwickelt und durchgeführt wurden und welche Maßnahmen in Zukunft vorgesehen sind, z.B. auch im Bereich der neuen Medien; und

3. in welcher Weise durch präventive Maßnahmen und Kontrollen gegen Alkohol- und Drogenkonsum im Straßenverkehr sowie illegale Autorennen vorgegangen wird.

 

sowie
  • Martin Bill
  • Dr. Anjes Tjarks
  • Farid Müller
  • Olaf Duge
  • Christiane Blömeke (GRÜNE) und Fraktion