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Nahversorgung in Hamburg – Stärkung der Bezirks- und Stadtteilzentren

Mittwoch, 07.10.2009

 

Die Großstadt Hamburg verfügt nicht nur über eine City, sondern durch das „System der zentralen Standorte“ über viele in der Stadt verteilte Zentren. Unterteilt werden die zentralen Standorte in Zentren der Kategorie A (City), B 1 (Bezirkszentren), B 2 (Bezirksentlastungszentren), C (Stadtteilzentren) und D (Lokale Zentren). Insbesondere die lokalen, die Stadtteil- und die Bezirksentlastungszentren leisten einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität vor Ort in den Quartieren. Sie dienen nicht nur der Nahversorgung insbesondere der weniger mobilen Käuferschichten, sondern üben auch wichtige sozio-kulturelle urbane Funktionen aus. Die Nahversorgung ist durch den Magneteffekt hierbei Schlüsselelement für die alltäglichen Begegnungen innerhalb der Gesellschaft. Die zum Teil historisch gewachsenen, zum Teil neu errichteten Zentren dienen zudem der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wohnquartier und ihrer Stadt.

In den letzten Jahren sind diese für die Stadt wichtigen Zentren immer mehr unter Druck geraten. Hierzu trägt unter anderem das Vordringen der Lebensmitteldiscounter bei. 1991 lag der Anteil der Discounter im Lebensmittel Einzelhandel noch bei 23 Prozent - 2006 waren es bereits 41 Prozent. Dies entspricht fast einer Verdopplung in nur 15 Jahren. Hierdurch, und durch den einhergehenden Wandel im Käuferverhalten, hat sich das Angebot im Bereich der Nahversorgung massiv verändert. Durch die verstärkte Ausweisung von Verkaufsflächen außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche, der Genehmigung großflächigen Einzelhandels in Gewerbegebieten und verkehrsorientierten Stadtrandlagen ist ein erheblicher Funktionsverlust in den innerstädtischen Zentren zu beobachten. Nahversorgungszentren veröden und die Versorgung im Nahbereich ist – insbesondere für weniger mobile Menschen – gefährdet.

Die Ziele der Discountmärkte sind nicht immer deckungsgleich mit denen einer sozialverträglichen Stadtentwicklung. Die von den Unternehmen gewünschten Standortanforderungen (rechteckige, ausreichend große Grundstücke; Standardbauten; viele Stellplätze) lassen sich kaum in den gewachsenen Zentrenbereichen realisieren. Um die Zentren weiterhin attraktiv zu halten und zu stärken, ist es die Aufgabe der Stadt, hier steuernd einzugreifen. In Hamburg liegen drei wesentliche Orientierungshilfen im Umgang mit Ansiedlungsansinnen im Lebensmittel-Einzelhandel vor:

1. die “ Leitlinien für den Einzelhandel im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklungspolitik“ zuletzt aktualisiert 1996,

2. der Flächennutzungsplan samt Erläuterungsbericht in der Neubekanntmachung, zuletzt aktualisiert 1997,

3. die „Arbeitshilfe des AK Zentren“ zuletzt aktualisiert 2000.

 

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Inwieweit entspricht die Einordnung der einzelnen zentralen Standorte in die jeweiligen Kategorien heute noch ihrer Bedeutung im Vergleich zu den Änderungen im Flächennutzungsplan 1996/1997?

2. Inwieweit ist die Entwicklung der Verkaufsflächen in den einzelnen Zentren dem System der zentralen Standorte gemäß verlaufen?

3. Laut Drs. 18/3654 sind der Maßstab für Neuansiedlungen die am 15. Februar 1996 beschlossenen Leitlinien für den Einzelhandel im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklung. Der Einzelhandel hat sich in den letzten Jahren jedoch massiv gewandelt.

a. Wie wird dieser Wandel im Zusammenhang mit dem planerischen Zentrenkonzept behandelt?

b. Bestehen auf Seiten der öffentlichen Planung gesicherte Informationen über Angebots- und Nachfragestrukturen im Einzelhandel?

c. Wenn ja, wie werden diese erhoben bzw. auf welche Daten beruft sich die öffentliche Planung aktuell?

d. Plant Hamburg eine Aktualisierung der Leitlinien, um den veränderten Strukturen Rechnung zu tragen?

e. Wann wurde die letzte Bestandsanalyse des Einzelhandels in den Bezirks-, Bezirksentlastungs-, Stadtteil- und Nahversorgungszentren sowie eine Bestandsaufnahme des großflächigen Einzelhandels und der Lebensmitteldiscounter im übrigen Stadtgebiet vorgenommen? Zu welchen Ergebnissen kam die Bestandanalyse im Einzelnen? Plant der Senat zukünftig eine weitere Bestandsaufnahme? Wenn ja, wann?

4. Nach welchen Kriterien werden Einzelhandels- und Fachmarktansiedlungen außerhalb der im Zentrenkonzept vorgesehenen Gebiete zugelassen?

5. Wie viele Neuansiedlungen außerhalb der im Zentrenkonzept vorgesehenen Gebiete in den letzten 10 Jahren

a. zugelassen bzw.

b. abgelehnt und welche Begründung lag der Entscheidung jeweils zugrunde? (Bitte nach Standorten differenzieren.)

c. Verfügten die unter 5a genannten Neuansiedlungen über sogenannte „innenstadttypische Sortimente“/ zentrenrelevante Randsortimente?

6. Wie viele Bebauungspläne wurden in den letzten 10 Jahren verändert, um Einzelhandels- und Fachmarktansiedlungen außerhalb der im Zentrenkonzept vorgesehenen Gebiete zu verhindern?

a. In wie vielen Fällen lag bereits ein Antrag auf Baugenehmigung vor?

7. Wie oft wurde in den letzten 10 Jahren eine Veränderungssperre beschlossen, um Einzelhandels- und Fachmarktansiedlungen außerhalb der im Zentrenkonzept vorgesehenen Gebiete zu verhindern?

8. Wie viele Einzelhandels- und Fachmarktansiedlungen wurden in den letzten 10 Jahren über vorhabenbezogene Bebauungspläne genehmigt?

 

9. Wie viele Einzelhandels- und Fachmarktansiedlungen a.) bis 800 qm, b.) bis 1.200 qm und c.) über 1.200 qm BGF wurden in den letzten 10 Jahren außerhalb der im Zentrenkonzept vorgesehenen Gebiete genehmigt? Bitte jeweils Standort, Verkaufsfläche und Fläche der zentrenrelevanten Randsortimente auflisten.

10. Laut Drs. 18/3654 gibt es keine flächendeckenden Daten für Hamburg über Umsatzverlagerungen zwischen den einzelnen Zentren.

a. Wurde hieran seit 2006 etwas geändert?

b. Wenn nein, warum werden diese Daten nicht erhoben?

11. Welche Zukunftsperspektiven sieht der Senat für das System der zentralen Standorte?

12. Die Bürgerschaft hat am 03.02.2005 den Senat einstimmig aufgefordert, die „Leitlinien für den Einzelhandel im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklungspolitik“ zu aktualisieren (Drs. 18/1615). Laut Drs. 18/3654 waren die notwendigen Arbeiten von der zuständigen Behörde im März 2006 noch nicht abgeschlossen.

a. Wann ist mit der Vorlage einer Aktualisierung der Leitlinien zu rechnen?

b. Inwieweit sieht der Senat mittlerweile Handlungsbedarf für eine grundsätzliche Überarbeitung des Systems der zentralen Standorte?

c. Inwieweit sind punktuelle Veränderungen im System der zentralen Standorte geplant?

13. Welche Initiativen hat der Senat zur Stärkung der B 1, B 2, C und D Zentren in den letzten 4 Jahren ergriffen?

14. Wie beurteilt der Senat die Grundversorgung weniger mobiler Menschen in Hamburg, insbesondere älterer und mobilitätseingeschränkter Menschen und auf welchen Daten beruht diese Einschätzung?

15. Welche Schritte will der Senat unternehmen, um die Grundversorgung gerade dieser Personen zu sichern?

16. In Drs. 19/3652 ist zu lesen: „Benachteiligte Stadtquartiere weisen auf Grund der geringen Kaufkraft ihrer Bewohner häufig eine erodierte lokale Geschäfts- und Gewerbestruktur auf. Lokale Versorgungszentren, insbesondere die von Großwohnsiedlungen, sind durch ihre bauliche Abgeschlossenheit und ihre periphere Lage oft von städtischen Wirtschaftskreisläufen ausgeschlossen und von der Kaufkraft der lokalen Bevölkerung abhängig. Durch ihre oftmals geringeren Mobilitätsmöglichkeiten sind auch die Anwohnerinnen und Anwohner der Quartiere in hohem Maße auf die lokalen Versorgungsstrukturen angewiesen. Eine schlechte Infrastrukturausstattung und Defizite bei der Zentrenentwicklung haben somit unmittelbaren Einfluss auf die Versorgungsmöglichkeiten und die Lebensqualität der Gebietsbevölkerung.“

a. Welche Gebiete sind hiervon betroffen?

b. Welche Unterschiede in der Versorgungsqualität der Nahversorgung können in den verschiedenen Stadtteilen festgestellt werden?

c. Plant der Senat im Rahmen der Integrierten Stadtteilentwicklung, Änderungen an den “ Leitlinien für den Einzelhandel im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklungspolitik“ (zuletzt aktualisiert 1996), dem Flächennutzungsplan samt Erläuterungsbericht in der Neubekanntmachung (zuletzt aktualisiert 1997) oder der „Arbeitshilfe des AK Zentren“ (zuletzt aktualisiert 2000) vorzunehmen?

17. Insbesondere der Lebensmittel-Einzelhandel hat sich in den letzten Jahren stark zugunsten von Kunden mit PKW entwickelt, selbst die Nahversorgung wird mit dem PKW erledigt.

a. Wie stellt der Senat die Nahversorgung für Menschen ohne PKW – auch im Hinblick auf die demographische Entwicklung – sicher?

b. Gibt es in Hamburg Pläne für alternative Modelle zum Einkauf mit dem PKW, die weniger mobilen Menschen zugute kommen und gleichzeitig die Umweltbelastung reduzieren und das Klima schützen?

c. Wenn nein, warum nicht?

18. Wie hat sich die Kaufkraft in Hamburg in den letzten zehn Jahren entwickelt? Liegen dem Senat Erkenntnisse vor, wie sich die Kaufkraft auf den Hamburger Einzelhandel und alternative Einkaufsformen, die in den letzten Jahren massiv zugenommen haben, wie etwa der Versandhandel, Teleshopping oder der Handel über das Internet entwickelt hat? Welche Bedeutung misst der Senat den alternativen Einkaufsformen in Bezug auf den Einzelhandel in Hamburg zu?

19. Laut Drs. 18/3654 hat der Senat ein Gutachten zu folgenden Fragen vergeben:

a. Gibt es Prognosen für die Kaufkraftentwicklung in Hamburg?

b. Wenn ja, welche Prognosen welchen Inhalts?

c. Wie wird sich die Kaufkraftentwicklung laut dieser Prognosen auf den Einzelhandel niederschlagen?

d. Welche Entwicklungen werden für alternative Einkaufsformen prognostiziert?

Liegen hierzu mittlerweile Ergebnisse vor? Wie lauten diese?

20. Wie hat sich die Zahl der Konkurse im Hamburger Einzelhandel in den letzten zehn Jahren entwickelt

a. nach Stadtteilen

b. nach Branchen, insbesondere im Lebensmittel-Einzelhandel?

21. Wie groß ist das Angebot an Verkaufsflächen in Hamburg, wie groß sind die Leerstände und welche Planungen neuer Verkaufsflächen liegen vor? (Bitte nach Bezirken und Stadtteilen gegliedert.)

22. Der Einzelhandel ist einer der größten Arbeitgeber in Hamburg.

a. Wie haben sich die Beschäftigtenzahlen im Einzelhandel in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? (Bitte nach Jahren und Branchen differenziert.)

b. Wie hoch war der Anteil der Teilzeitarbeit im Einzelhandel in den letzten zehn Jahren? (Bitte nach Jahren und Branchen differenziert.)

c. Wie viele Menschen sind im Einzelhandel in den letzten zehn Jahren als geringfügig Beschäftigte angestellt gewesen? (Bitte nach Jahren und Branchen differenziert.)

23. Laut Drs. 18/3654 gibt es keine Daten für Hamburg über Umsatzverlagerungen durch die Ansiedlung von großen Discountern.

a. Wurde hieran seit 2006 etwas geändert?

b. Wenn nein, warum werden diese Daten nicht erhoben?

24. In den Leitlinien für den Einzelhandel im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklungspolitik von 1996 ist zu lesen, dass durch neue Betriebsformen im Einzelhandel teilweise bestehende Zentren beeinträchtigt wurden und dass der Senat künftig anstrebt, „im Rahmen einer Standortpolitik auch neuen Betriebsformen im Einzelhandel Entfaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Die Möglichkeiten sollten jedoch in Übereinstimmung zum Zentrenkonzept geboten werden“.

a. Welche Daten erhebt der Senat, um eine Beeinträchtigung der Zentren durch Neuansiedlungen messbar zu machen?

b. Welche Zentren wurden inwiefern durch welche neuen Betriebsformen beeinträchtigt?

c. Welche Ansiedelungen neuer Betriebsformen konnten seit 1996 in Übereinstimmung mit dem Zentrenkonzept realisiert werden?

d. Wurden durch die genannten Ansiedelungen die bestehenden Zentren beeinträchtigt?

e. Welche Neuansiedlungen konnten innerhalb bestehender Zentren realisiert werden?

f. Wurden diese Neuansiedlungen vorrangig in Zentren realisiert, die in der Entwicklung zurückgeblieben waren und durch die privaten Investitionen wieder wettbewerbsfähig gemacht werden konnten, so wie es die Leitlinien für den Einzelhandel vorsehen?

25. Zahlreiche große Einzelhandelsansiedlungen erfolgten vor 1996 innerhalb älterer Industrie- und Gewerbegebiete.

a. Gab es Initiativen, den Lebensmitteleinzelhandel umzusiedeln, um hiermit nachteilige Entwicklungen auf die zentralen Standorte zu verringern und die Flächen der gewerblichen Nutzung zugänglich zu machen?

b. Wurden seit 1996 Einzelhandelsansiedlungen innerhalb neuerer Gewerbegebiete realisiert? Mit welcher Begründung? (Bitte detailliert darstellen.)

26. In der Arbeitshilfe Nr.2 des AK Zentren der BSU von 10/2000 findet eine Beurteilung von Lebensmittel-Discountern am Beispiel der Lidl-Märkte statt. In der aktuellen Fassung von 2000 ist zu lesen, dass Lidl in Hamburg 50 Märkte realisieren möchte und bereits 8 Märkte realisiert wurden.

a. Wie viele Lidl Märkte wurden in Hamburg insgesamt bereits realisiert?

b. Ist eine Aktualisierung der Arbeitshilfen geplant?

27. Die Arbeitshilfe Nr. 2 des AK Zentren der BSU von 10/2000 kommt zu dem Schluss, dass „die Ansiedlung von Lebensmittel-Discountern mit max. 1200 qm BGF (…) auch außerhalb von Zentren als grundsätzlich unproblematisch angesehen“ wird und dass die Ansiedelung einzelner Nahversorger dieser Größenordnung in Randlagen zu Bezirks- oder Stadtteilzentren diese nicht erheblich schädigt.

a. Auf welcher Datengrundlage basiert diese Einschätzung?

b. In welchen Abständen werden die Daten aktualisiert?

c. Entspricht diese Einschätzung noch dem aktuellen Wissensstand des Senats?

28. Die Arbeitshilfe Nr. 2 des AK Zentren der BSU von 10/2000 geht ebenfalls davon aus, das „die Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters (…) jedoch zentrenrelevant sein (kann), wenn sich ein Nahversorger in direkter Nachbarschaft zu einem kleineren Zentrum ansiedeln will, das bereits ökonomisch labil ist bzw. sich aktuell in einer Umstrukturierungsphase befindet. In diesem Fall kann die Ansiedlung nachteilige städtebauliche Folgen für das Zentrum haben“.

a. Welche Zentren waren aufgrund von Ansiedlungen welcher Märkte

i. zwischen 1990 und 2000

ii. seit 2000

hiervon bereits betroffen?

b. In welchen Fällen konnten seit 2000 aus diesem Grund Märkte in bestehende Zentren integriert werden bzw. wurden entsprechende Vorhaben abgelehnt? (Bitte detailliert angeben.)

29. Gibt es Bestrebungen seitens der öffentlichen Wohnungsunternehmen, die Nahversorgung in bestimmten Gebieten zu stärken? Wenn ja, wo und wie?