Die Regierungsfraktionen haben sich mit den beiden Volksinitiativen „Boden & Wohnraum behalten – Hamburg sozial gestalten!“ und „Neubaumieten auf städtischem Grund – für immer günstig!“, die sich unter dem Slogan „Keine Profite mit Boden & Miete“ gründeten, verständigt. Damit endet ein seit Februar 2021 laufender Verhandlungsprozess.
Eine gemeinsame Verhandlungsgruppe unter Leitung der Fraktionsvorsitzenden hat unter Beteiligung der Fachsprechenden zwei umfassende Kompromisse zum bezahlbaren Wohnen und für eine nachhaltige Bodenpolitik vereinbart.
Die Einigung ermöglicht 100-jährige Bindungen im sozialen Wohnungsbau und stärkt umfassend die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik. Beide Einigungen wurden Dienstagabend von den Regierungsfraktionen bestätigt und werden am 16. November in der Hamburgischen Bürgerschaft behandelt. Die Volksinitiativen haben im Gegenzug zugesagt, das Volksabstimmungsverfahren zu beenden.
„Die nach langen und äußerst intensiven Beratungen erzielte Einigung mit den Volksinitiativen ist Herausforderung und Chance zugleich. Vor allem aber ist sie im Sinne einer sozial verantwortungsvollen Wohnungspolitik für Hamburg“, betont Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg. „Ich danke den Initiativen für die vertraulichen und ehrlichen Beratungen sowie allen weiteren Beteiligten für ihre große Unterstützung. Die wichtigsten Grundpfeiler einer sozialen und nachhaltigen Hamburger Wohnungspolitik werden nun langfristig abgesichert. Die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik wird fest in der Verfassung verankert. Ein Ausverkauf städtischer Flächen ist langfristig ausgeschlossen. Nur in begründeten Einzelfällen – etwa in größeren Stadtentwicklungsgebieten – kann hiervon durch Beschluss der Bürgerschaft abgewichen werden. Die Vereinbarungen schaffen zudem langlaufende Mietpreisbindungen von in Deutschland bisher nicht gekannter Dauer. Auf städtischen Flächen sollen pro Jahr mindestens 1.000 öffentlich geförderte Wohnungen mit einer Mietpreisbindung von 100 Jahren errichtet werden. Die besondere Verantwortung der Stadt für eine angemessene Wohnraumversorgung wird ebenfalls Gegenstand der Hamburgischen Verfassung“, so Kienscherf weiter. „Unabhängig von der vorgelegten Einigung muss allen bewusst sein, dass vor dem Hintergrund der höheren Finanzierungskosten, der Ressourcenknappheit und rasanten Kostensteigerungen der Wohnungsneubau in Hamburg und Deutschland insgesamt vor enormen Herausforderungen steht. Daher muss es jetzt unsere Aufgabe sein, die Rahmenbedingungen mit allen Beteiligten so weiterzuentwickeln, dass der dringend benötigte, bezahlbare Wohnraum auch wirklich gebaut werden kann.“
Wohnungsbau in Hamburg
Hamburg und seine Metropolregion sind für viele Menschen durch vielfältige Angebote – u.a. in den Bereichen Bildung, Arbeit, Kultur und Soziales – ein attraktiver Wohnort. In den letzten 20 Jahren ist die Bevölkerungszahl in der Hansestadt um rund 140.000 Menschen angestiegen. Neben dem regulären Zuzug aus Deutschland haben auch die großen Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre dafür gesorgt, dass Wohnraum knapp ist. Rund 45.000 Menschen in Hamburg leben derzeit in öffentlichen Unterkünften. Vor dem Hintergrund der wachsenden Wohnungsbedarfe kommt dem Bau neuer Wohnungen und dem Schutz bezahlbaren Wohnraums eine besondere Bedeutung zu. Durch eine konsequente Wohnungspolitik ist es SPD und Grünen zwischen 2011 und 2021 gelungen, für über 116.000 Wohnungen Baugenehmigungen zu erteilen, so dass über 84.000 Wohnungen fertiggestellt werden konnten.
Neubaumieten auf städtischem Grund
Mit Auftreten der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine haben sich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in ganz Deutschland fundamental verändert. Die zwischen SPD und Grünen sowie der Volksinitiative „Neubaumieten auf städtischem Grund – für immer günstig!“ geschlossene Vereinbarung ist trotz Preissteigerungen und Lieferengpässen eine geeignete Basis, um den bisherigen sozialen Wohnungsbau in Hamburg sinnvoll zu ergänzen. Diese sieht vor, dass auf 33 Prozent der für den Wohnungsbau vorgesehenen städtischen Flächen 20 Prozent der Wohnungen, die im 1. Förderweg errichtet werden, für vordringlich Wohnungssuchende reserviert werden. Die Vergabe der Grundstücke erfolgt im Erbbaurecht mit 100-jähriger Laufzeit, die Wohnungen werden 50 Jahre gefördert. Nach Ablauf der 50-jährigen Förderzeit gelten Mietpreisbindungen mit im Erbbaurechtsvertrag festgelegten Steigerungen. In 5-Jahres-Zeiträumen sollen pro Jahr mindestens 1.000 Wohnungen mit 100-jähriger Mieterpreisbindung im ersten Förderweg errichtet werden. Die Maßnahmen sollen bis zum 31. Dezember 2029 evaluiert werden.
Sozial gerechte Bodenpolitik
Eine sozial gerechte und am Gemeinwohl orientierte Flächenpolitik ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Hamburgs. Die Einigung der Regierungskoalition mit der Volksinitiative „Boden & Wohnraum behalten – Hamburg sozial gestalten!“ sieht deshalb vor, den Verkauf von städtischen Wohnungen und Wohngrundstücken grundsätzlich auszuschließen. Lediglich in Ausnahmefällen soll die Bürgerschaft einen abweichenden Beschluss fassen können. Grundstücke im Stadtgebiet, die nicht für den Wohnungsbau vorgesehen sind, können in begründeten Ausnahmefällen weiterverkauft werden. Für entbehrliche Grundstücke im Konzern FHH soll eine Melde- und Andienungspflicht eingeführt werden, um Flächen für städtische Nutzungen zu sichern. Nur im Ausnahmefall sollen diese Grundstücke im Erbbaurecht vergeben werden können. Die Regierungsfraktionen ersuchen den Senat darüber hinaus, darauf hinzuwirken, dass die Flächenbilanz der Freien und Hansestadt Hamburg im mehrjährigen Vergleich positiv ausfällt, also mehr Grundstücke eigengenutzt als veräußert werden. Darüber hinaus soll unter anderem die Attraktivität des Erbbaurechts in Hamburg etwa durch einen abgesenkten Steuersatz für Erbbaurechte bei der Grunderwerbssteuer, den Erbbauzins, Laufzeiten und Beleihbarkeit weiter gesteigert werden. Durch zielgruppenspezifische Kampagnen soll auch die Akzeptanz des Erbbaurechts etwa bei Wohnungs- und Finanzwirtschaft weiter gesteigert werden. Darüber hinaus soll sich der Senat weiterhin im Bund für das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen im Rahmen sogenannter Share Deals und ein wirksames Vorkaufsrecht stark machen. Der verantwortungsvolle Umgang mit Grund und Boden durch die Stadt Hamburg wird darüber hinaus in der Hamburgischen Verfassung ergänzt.