Die SPD-Fraktionen auf der
„Nordschiene“ haben das Management des europäischen Flugzeugbauers
Airbus aufgefordert, den weitreichenden Umbau seiner zivilen
Flugzeugstrukturfertigung dringend zu überdenken. „Airbus muss seine
soziale Verantwortung wahrnehmen“, so die Vorsitzenden der
SPD-Fraktionen in Hamburg, Bremen und Niedersachsen.
Es könne nicht sein, dass Airbus mit staatlichen
Unternehmensbeteiligungen über Jahre hinweg von öffentlichen
Investitionen in den Luftfahrtsektor profitiert und tausende
hochqualifizierte Arbeitsplätze in Norddeutschland angesiedelt habe, um
nun mit der angekündigten Neuaufstellung weite Teile der nationalen
Wertschöpfungskette zu destabilisieren, die Standorte und deren
Arbeitsplätze damit mittelfristig zu gefährden und den Luftfahrtstandort
Deutschland nachhaltig zu schwächen, betonten die Fraktionsvorsitzenden
Dirk Kienscherf (Hamburg), Mustafa Güngör (Bremen) und Johanne Modder
(Niedersachsen) in einer gemeinsamen Erklärung. „Wir fordern das
Management und die Arbeitgebervertreter auf, alles für eine konstruktive
Lösung im Sinne der Standort- und Beschäftigungssicherung zu
unternehmen.“
Tausende Beschäftigte betroffen
Bekanntlich sollen nach
den Plänen von Airbus wesentliche Teile des Konzerns in zwei neue
Gesellschaften für die Strukturmontage und die Einzelteilfertigung
überführt werden. Davon betroffen wären tausende Beschäftigte unter
anderem von Premium Aerotec am Standort Bremen und Nordenham sowie
einige Augsburger Werke, die mit Airbus Operations in Stade und der
Hamburger Strukturmontage zusammengeführt werden sollen. Andere Premium
Aerotec-Werke in Varel, Augsburg und im
rumänischen Brasov würden in ein neues Unternehmen für die
Einzelteilfertigung ausgelagert, während die Einzelteilfertigung in
Frankreich in den Konzern integriert werden soll. Nach Beurteilung des
Betriebsrats von Airbus und der IG Metall wäre die Schaffung neuer
Gesellschaften und die Spaltung von Standorten allerdings die falsche
Antwort auf die bestehenden und zukünftigen Herausforderungen. Diese
Pläne würden vielmehr die Komplexität erhöhen und damit zu Mehrkosten
und zusätzlicher Bürokratie führen. Daher sei absehbar, dass die
Strategie von Airbus mittelfristig nur dem Zweck dient, den
Wettbewerbsdruck auf die Betriebe durch Billiger-Strategien und
Standortkonkurrenzen zu erhöhen, was einen schleichenden Stellenabbau,
Lohnkürzungen und den Ausverkauf des Konzerns nach sich ziehen würde.
Bislang treibt Airbus trotz der Proteste seiner Beschäftigten die
Ausgliederungspläne weiter voran.
Sicherung des Flugzeugbaus in Deutschland
Die SPD-Fraktionen der betroffenen Nordländer teilen ausdrücklich die
Bedenken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sollte Airbus an den
vorgelegten Umstrukturierungen festhalten. „Die Zerschlagung von Premium
Aerotec in neue Gesellschaften und die Spaltung der gut
funktionierenden norddeutschen Standorte destabilisiert die gesamte
deutsche Luftfahrtbranche, die durch die Coronakrise ohnehin schon
angeschlagen ist“, so die Fraktionsvorsitzenden. „Für uns ist die
Sicherung des Flugzeugbaus in Deutschland und der Erhalt von guten
Beschäftigungsverhältnissen in unseren Bundesländern entscheidend.“
Neustrukturierungen des Konzerns dürften nicht zulasten Deutschlands
gehen.
Kienscherf: „Eine starke Industrie braucht Verlässlichkeit und Gute Arbeit“
Dirk
Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg,
erklärte, Wettbewerbsfähigkeit lasse sich nicht mit Aufspaltung und
Verunsicherung erreichen. Eine starke Industrie brauche Verlässlichkeit
und Gute Arbeit. „Die Corona-Krise hat die Luftfahrtbranche so hart
getroffen wie kaum eine andere. Die Beschäftigten, ihre Betriebsräte und
Gewerkschaften haben in den letzten Monaten eindrucksvoll bewiesen,
dass sie auch unter teils erheblichen Einschnitten zu konstruktiven
Lösungen bereit sind, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu
erhalten“, so Kienscherf. „Ein solches Signal braucht es in der jetzigen
Situation auch vom Management. Wir erwarten, dass Airbus sehr
verantwortungsvoll mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgeht.“
Güngör: „Keine Standortschwächungen per Salamitaktik“
„Uns geht es darum, in Deutschland Industriearbeitsplätze zu
erhalten“, betonte der Bremer SPD-Fraktionsvorsitzende Mustafa Güngör.
„Es kann nicht sein, dass per Salamitaktik Standorte in Norddeutschland
geschwächt oder gar infrage gestellt werden.“ Der Konzern müsse sich
auch bewusst machen, dass es eine nicht unwesentliche deutsche
Staatsbeteiligung gibt.
Modder: „Menschen sind Rückgrat des Firmenerfolgs“
„Die Vernichtung von Arbeitsplätzen ist immer eine Schwächung der
Standorte und natürlich eine Tragödie für die betroffenen Familien“,
unterstrich Johanne Modder, SPD-Fraktionsvorsitzende in Niedersachsen.
„Wir appellieren an Airbus und alle anderen Unternehmen, derartige
Schritte sorgsam zu überdenken und ihre Verantwortung für die Region und
die Menschen anzuerkennen, die tagtäglich dort arbeiten. Sie sind das
Rückgrat des Firmenerfolgs. Wir werden alles tun, Stellenabbau zu
vermeiden.“
Die Fraktionsvorsitzenden kündigten im Fall von
ergebnislosen Verhandlungen zwischen dem Management und den
Arbeitnehmervertretern an, sich über ihre Landesregierungen für eine
Vermittlung durch den Bund einzusetzen.