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Agri-Photovoltaik – Chance für Landwirtschaft und Energiewende

Mittwoch, 21.04.2021

Hamburg ist traditionell Standort leistungsstarker Agrarbetriebe. Für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit leistungsfähiger Betriebe wird eine gezielte Agrarförderpolitik betrieben, die gleichzeitig an Verbesserungen relevanter Bereiche wie Klima- und Umweltschutz geknüpft ist. Dies ist zentraler Teil des Koalitionsvertrags der Regierungsfraktionen der SPD und der GRÜNEN. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass Hamburg seine Resilienz und die eigene Versorgung durch landwirtschaftliche Betriebe innerhalb der Metropolregion stärken muss.

Zugleich bedarf es neben der Windkraft in hohem Maße der Solarenergie, um den weiterhin großen Energiebedarf mit dem gleichzeitigen Anspruch und der Pflicht Hamburgs, klimaneutral zu werden, decken zu können. Solarenergie ist bereits heute die kostengünstigste Energiequelle, welche uns zur Verfügung steht, benötigt jedoch ausreichende Erzeugungsflächen. Um den Flächenbedarf zu decken, setzt Hamburg zunächst auf bereits versiegelte Flächen wie Dächer (vgl. z. B. Drs. 21/19200). Darüber hinaus sind jedoch deutschlandweit Freiflächenanlagen notwendig.

Agri-Photovoltaiksysteme (APV) ermöglichen im Gegensatz zu klassischen Freiflächenphotovoltaikanlagen, welche in Flächenkonkurrenz zur Agrarnutzung stehen, die kombinierte Nutzung von Flächen für Agrar- und Stromproduktion unter Berücksichtigung von Natur- und Umweltschutz. So entstehen besondere Anreize: Bei der Tierhaltung können Tiere in Außenhaltung gehalten werden; beim Gartenbau kann die Teil-Beschattung der APV zu einem Ertrags- und/oder Qualitätsgewinn und verringertem Wasserverbrauch gerade in heißen und trockenen Sommermonaten führen, womit Hamburgs Strategie der Klimaanpassung unterstützt wird.

Energiepolitisch besonders vorteilhaft sind dabei neuartige vertikal aufgestellte Anlagen mit bifacialen Modulen in Nord-Südausrichtung (vgl. Solarpark in Aasen bei Donaueschingen; www.next2sun.de/referenzen/). Diese Anlagenkonfiguration kann die Produktionsunterschiede zwischen Sommer und Winter deutlich vermindern und somit eine bedarfsdienlichere, netzstabilisierende und damit höherwertige Energieproduktion ermöglichen. Vertikale APV-Anlagentypen könnten besonders in nördlichen Breitengraden aufgrund eines besseren Einfallwinkels in den Wintermonaten höhere Erträge generieren. In Kombination mit einer Nord-Südausrichtung der Anlagen könnte zudem erforscht werden, ob diese Anlagen dazu beitragen, die saisonalen Unterschiede in der PV-Stromerzeugung zu verkleinern und sich so ein positiver Effekt für das gesamte Energiesystem ergibt. Das Zusammenspiel dieser Anlagenkonfiguration mit verschiedenen Arten landwirtschaftlicher Nutzung ist jedoch bislang noch untererforscht.

APV-Anlagen ermöglichen innovativen Fortschritt im Dreiklang mit erneuerbarer Energieerzeugung, landwirtschaftlicher Produktion aber auch der Förderung von Biodiversität. Die kombinierte Strom- und Agrarproduktion bietet für landwirtschaftliche Betriebe die Chance, ihre Produktivität weiter zu steigern und so ihre Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Insbesondere energieintensive Betriebe wie zum Beispiel im Gartenbau können große Mengen der gewonnenen Energie besonders profitabel gleich selbst verwenden. Darüber hinaus können unter den Vertikalanlagen Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden, Biodiversitätsstreifen mit hoher Artenvielfalt für Pflanzen und Insekten gedeihen.

Die Landwirtschaft steht vor besonderen Herausforderungen. Hamburg hat sich mit dem Agrarpolitischen Konzept 2025 verpflichtet, Projekte im Bereich der angewandten Forschung mit dem Ziel des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit durch Forschungskonzepte im Bereich von innovativer Produktion, Klimawandel, Biodiversität und Ressourceneffizienz zu unterstützen (vgl. Drs. 21/18512). Agri-Photovoltaik bietet für all diese Ziele das entsprechende Potenzial. Deshalb gilt es zu prüfen, ob hierzu in Hamburg Pilotprojekte mit wissenschaftlicher Begleitung initiiert werden können.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird ersucht,

1) für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit leistungsfähiger, landwirtschaftlicher Betriebe eine Prüfung unter Beteiligung relevanter Akteure, insbesondere Landwirtschaftskammer und Bauernverband, vorzunehmen mit dem Ziel, die Umsetzbarkeit eines entsprechenden Pilotprojektes im Bereich Agri-Photovoltaik und deren Finanzierung (beispielsweise durch die EEG-Innovationsausschreibung) zu prüfen und damit eine gezielte Agrarförderpolitik von Pilotprojekten mit Nord-Süd-ausgerichteten vertikalen Agri-Photovoltaiksystemen zu initiieren.

 

2) die Prüfung anhand folgender Betrachtungen vorzunehmen:

a) Auswahl der Anlage,

b) rechtliche Prüfung, zum Ausschluss von etwaigen konkurrierenden Förderbedingungen hinsichtlich landwirtschaftlicher und energetischer Doppelnutzung,

c) Auswahl einer geeigneten wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung des Pilotprojekts, z. B. hinsichtlich

i) geeigneter Anbausorten und deren Erträge, auch in Hinblick auf Klimaveränderungsfolgen;

ii) Eignung der Photovoltaik-Anlage im Vergleich zur Nutzung bei Anbau oder Viehhaltung;

iii) Risiken der Windlast genauso wie der Chancen durch Windschutz

d) Integration von Naturschutzmaßnahmen zusätzlich zur landwirtschaftlichen Nutzung.

 

3) der Bürgerschaft über den Prüfauftrag und das Ergebnis bis zum 30.06.2022 zu berichten.

sowie
  • der Abgeordneten Andrea Nunne
  • Johannes Müller
  • Miriam Block
  • Maryam Blumenthal
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Gerrit Fuß
  • Dominik Lorenzen
  • Zohra Mojadeddi
  • Lisa Maria Otte
  • Miriam Putz
  • Gudrun Schittek
  • Ulrike Sparr (GRÜNE) und Fraktion