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Equal Pay: Lohngerechtigkeit braucht starke Regeln

Mittwoch, 10.03.2021

Der 10. März ist in diesem Jahr als Equal Pay Day festgesetzt. Dieser Tag markiert den geschlechterspezifischen Entgeltunterschied, Gender Pay Gap oder Geschlechterlohnlücke genannt, der laut Statistischem Bundesamt in Deutschland unbereinigt aktuell bei 19 Prozent und für Hamburg sogar bei 21 Prozent liegt. Um das Einkommen zu erzielen, das Männer bereits am 31. Dezember 2020 hatten, müssen Frauen in Deutschland aktuell also noch bis zum 10. März, dem diesjährigen Equal Pay Day arbeiten.

Im europäischen Vergleich weist Deutschland einen auffallend großen Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) auf und belegt vor Estland und Österreich den drittletzten Platz.

Die Ursachen für diese Lohnungerechtigkeit sind vielfältig. Unter anderem geprägt von Rollenstereotypen, ergreifen Frauen verstärkt frauendominierte Berufe in den Bereichen Erziehung, Gesundheit und Pflege und seltener die männerdominierten Berufe im MINT-Bereich. Hierbei spielt auch eine geschlechterstereotype Berufswahlberatung durch z. B. Eltern, Lehrkräfte und Agenturen eine Rolle. Trotz der hohen gesellschaftlichen Relevanz der Berufe in Erziehung, Gesundheit und Pflege sind diese häufig mit Blick auf die zu erwartenden Entgelte unterbewertet. Frauen arbeiten zudem häufiger als Männer in Teilzeit, haben längere Unterbrechungen, arbeiten verstärkt in Minijobs und werden beim Zugang zu Führungspositionen benachteiligt.

Lässt man die verschiedenen Rahmenfaktoren beiseite und vergleicht nur Entgelte von Frauen und Männern in der gleichen Branche, in gleicher Position mit gleichem Arbeitsumfang, so bleibt hier immer noch eine Lohnlücke, die derzeit bei 6 Prozent liegt. Nach dem Hamburger Gleichstellungsmonitor weichen die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern, zumindest für 2018 betrachtet, sowohl in der unbereinigten als auch in der bereinigten Vergleichsvariante in der Hansestadt kaum vom Bundesdurchschnitt ab.

Neben den bereits benannten Ursachen für die Gehaltsunterschiede wird als weitere Ursache immer wieder auch die mangelnde Gehaltstransparenz genannt, in deren Folge Lohnungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern erst gar nicht sichtbar werden und damit auch schwer zu korrigieren sind.

Um diese Problematik einer Lösung zuzuführen hat der Bundesgesetzgeber das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen – Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) erlassen, das am 6. Juli 2017 in Kraft getreten ist. Kern des Gesetzes ist zum einen ein Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts (§ 3 EntgTranspG), zum anderen ein individueller Anspruch von Beschäftigten auf Auskunft darüber, was andere Beschäftigte mit einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit an Entgelt erhalten (§§ 10 ff. EntgTranspG), der seit 6. Januar 2018 geltend gemacht werden kann. Das Gesetz ist insgesamt darauf gerichtet, das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit zu festigen und über Berichtspflichten und eine Aufforderung an Arbeitgeber*innen zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren strukturelle Verbesserungen zu bewirken.

Bereits während des Gesetzgebungsprozesses, aber auch im Nachhinein bemängelten Gewerkschaften, der Deutsche Juristinnenbund und weitere Frauenverbände, dass Arbeitnehmer*innen schon deshalb nicht von ihrem Recht auf Auskunft Gebrauch machen würden, weil sie berufliche Nachteile befürchten, wenn sie im Alleingang gegen Arbeitgeber*innen klagen. Ebenso wurde bemängelt, dass der Auskunftsanspruch nur dann besteht, wenn der betreffende Betrieb mehr als 200 Beschäftigte hat (§ 12 Absatz 1 EntgTransG) oder betriebliche Prüfverfahren nur dann durchzuführen sind, wenn der Betrieb mehr als 500 Beschäftigte hat.

Gemäß § 23 EntgTranspG legte das zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Juli 2019 den ersten Bericht zum Entgelttransparenzgesetz vor, der einerseits zeigte, dass mit dem Gesetz ein erster und wichtiger Schritt in Richtung Entgelttransparenz gegangen wurde, weil beispielsweise Unternehmen in Folge des Gesetzes ihre betrieblichen Strukturen tatsächlich überprüft haben. Allerdings zeigte der Bericht auch, dass viel weniger Personen als noch im Gesetzgebungsverfahren angedacht tatsächlich von ihrem Auskunftsanspruch Gebrauch gemacht haben. Betriebe, die ihre Strukturen überprüft haben, kamen, unter anderem wegen zu weicher gesetzlicher Vorgaben, zu dem Ergebnis, dass bei ihnen eine Lohndiskriminierung wegen des Geschlechts nicht vorliege. Das Bundesministerium selbst gelangt zu dem Schluss, dass hinsichtlich des Gesetzes noch wichtige Stellschrauben anzuziehen sind, beispielsweise indem das Gesetz selbst bekannter gemacht wird. Auch bleibt das Instrument der betrieblichen Prüfverfahren weit hinter seinen Potenzialen zurück, da es nicht verpflichtend ist und kein einheitliches und zertifiziertes Prüfverfahren vorgegeben ist.

Nach Plänen der EU-Kommission (Entwurf EU-Richtlinie) sollen nun Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter*innen jährlich im Internet die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen dokumentieren. Wenn sich dabei zeige, dass die Lücke in Gruppen mit vergleichbaren Aufgaben größer als fünf Prozent ist, soll das Unternehmen gemeinsam mit Arbeitnehmervertreter*innen die Gründe analysieren und konkrete Änderungsschritte einleiten. Darüber hinaus sollen die Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf Schadensersatz erhalten, wenn sie benachteiligt wurden.

In der erstmals vom Bundeskabinett im Juli 2020 beschlossenen Nationalen Gleichstellungsstrategie ist hinsichtlich des Entgelttransparenzgesetzes deshalb auch festgehalten, dass es zukünftig mehr Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene geben soll, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes angesiedelt sein sollen. Für Unternehmen stellt die Strategie unter anderem zertifizierte Prüfverfahren in Aussicht. Diese Maßnahmen sind durchaus geeignet, mehr Arbeitnehmerinnen auf ihre Rechte aufmerksam zu machen und Unternehmen für das Thema der Lohndiskriminierung zu sensibilisieren.

Ergänzend ist es aber auch notwendig, sich weiterhin mit dem Reformbedarf einzelner Bestimmungen des Gesetzes auseinanderzusetzen. Denn starke, klare und durchsetzbare Rechte und Pflichten sind das effektivste Mittel, um diskriminierenden Verdienstunterschieden auf Grund des Geschlechts in absehbarer Zeit abzuhelfen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg sollte sich auf Bundesebene in geeigneter Weise dafür einsetzen, dass Auskunftsansprüche nach §§ 10 ff. EntgTranspG vereinfacht geltend gemacht werden können, dass die Reichweite des Anspruchs nach § 12 Absatz 1 EntgTranspG für Betriebe mit 200 Beschäftigten deutlich verbessert und dass der Schwellenwert von 500 Beschäftigten für betriebliche Prüfverfahren in § 17 Absatz 1 EntgTranspG und § 21 Absatz 1 EntgTranspG deutlich herabgesetzt wird. Auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2021 (Az. 8 AZR 488/19), wonach ein Verdienst einer Arbeitnehmerin unterhalb des Medians des Verdienstes vergleichbar beschäftigter Männer eine Vermutung gemäß § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes begründet, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist, sollte Berücksichtigung finden. Diese Vermutung muss dann durch den Arbeitgeber widerlegt werden. Dies stärkt die Rechte von Frauen im Verfahren um Entgeltdiskriminierung und sollte einer gesetzlichen Klarstellung zugeführt werden.

Ähnlich wie in Island, das in seinem Gesetz zur Entgeltgleichheit 2018 für private und staatliche Unternehmen eine staatliche Zertifizierungspflicht geregelt hat, sollte auch im deutschen Entgelttransparenzgesetz eine Zertifizierungspflicht für die Verwendung von Entgeltgleichheitssytemen bzw. Entgeltprüfverfahren für Unternehmen ab einer bestimmten Größe geregelt werden.

Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) selbst kann prüfen, ob sie Informationsangebote entwickeln und umsetzen kann, die die auf Bundesebene angedachten Beratungsangebote für potentiell Anspruchsberechtigte nach §§ 10 ff. EntgTransG und Zertifizierungsangeboten für Unternehmen für Maßnahmen nach §§ 17 ff. EntgeltTransG ergänzen. Damit kann sie das Handlungsziel der Bundesregierung aufgreifen und die Bekanntheit des EntgTranspG schon jetzt erhöhen und damit Arbeitnehmerinnen in Hamburg dabei unterstützen, ihre Rechte auch geltend zu machen.

Die Fortschreibung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms 2017-2019 (Drs. 21/11341) sollte zudem um geeignete Maßnahmen z. B. hinsichtlich öffentlicher Unternehmen der FHH ergänzt werden, deren Handlungsziel es ausdrücklich ist, sowohl den unbereinigten als auch bereinigten Lohnunterschied in der Freien und Hansestadt Hamburg zu reduzieren.

Die Fortschreibung des Hamburger Gleichstellungsmonitors im September 2020 für die Indikatoren des Lohnunterschieds zwischen Frauen und Männer basierend auf den Zahlen aus dem Jahr 2018 zeigt bereits einen Handlungsbedarf auf. Weil Frauen während der Covid-19-Pandemie und des Lockdowns beispielsweise häufiger und im größeren Umfang als Männer die Betreuung der Kinder übernehmen und dafür auch beruflich kürzertreten, kann derzeit davon ausgegangen werden, dass in Folge der Pandemie auch das statistische Gender Pay Gap wieder größer wird. Dem kann auch mit effizienten Regelungen im Entgelttransparenzgesetz zumindest teilweise entgegengetreten werden.

Die Covid-19-Pandemie zeigt deutlich, dass gerade die frauendominierten Berufe in der Erziehung, Gesundheit und Pflege systemrelevant sind und damit viele Frauen während der Pandemie auch die beruflichen Leistungsträgerinnen in dieser Gesellschaft sind. Dieser Umstand muss dringend dauerhaft in der individuellen Entgeltsituation und auch strukturell in leistungsgerechten und diskriminierungsfreien Entgelten für Frauen seinen Ausdruck finden.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird ersucht,

1. sich auf Bundesebene in geeigneter Weise unter anderem dafür einzusetzen,

- dass Auskunftsansprüche nach §§ 10 ff. EntgTranspG – u. a. im Wege einer Verbandsklage über die Gewerkschaften – vereinfacht geltend gemacht werden können,

- dass die Reichweite des Anspruchs nach § 12 Absatz 1 EntgTranspG für Betriebe mit 200 Beschäftigten deutlich verbessert wird,

- dass der Schwellenwert von 500 Beschäftigten für betriebliche Prüfverfahren in § 17 Absatz 1 EntgTranspG und § 21 Absatz 1 EntgTranspG deutlich abgesenkt wird,

- für die betrieblichen Prüfverfahren ein zertifiziertes Entgeltprüfverfahren verpflichtend einzuführen,

- den Vorstoß der Europäischen Kommission zu unterstützen, erweiterte Berichtspflichten einzuführen, wonach Unternehmen ab 250 Beschäftigten jährlich die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in Gruppen mit vergleichbaren Aufgaben veröffentlichen müssen.

- die Initiativ- und Beratungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungen bei Maßnahmen zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit zu stärken.

2. zu prüfen, ob er für die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) selbst Informationsangebote entwickeln und umsetzen kann, die die auf Bundesebene in der Nationalen Gleichstellungsstrategie angedachten Beratungsangeboten für potentiell Anspruchsberechtigte nach §§ 10 ff. EntgTransG und Zertifizierungsangeboten für Unternehmen für Maßnahmen nach §§ 17 ff. EntgeltTransG ergänzen.

3. die Fortschreibung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms 2017-2019 um geeignete Maßnahmen z. B. hinsichtlich öffentlicher Unternehmen der FHH zu ergänzen, deren Handlungsziel es ist, sowohl den unbereinigten als auch bereinigten Lohnunterschied in der FHH zu reduzieren,

4. der Bürgerschaft über die Ergebnisse bis zum 31.12.2021 zu berichten.

sowie
  • der Abgeordneten Mareike Engels Filiz Demirel
  • Michael Gwosdz
  • Britta Herrmann
  • Sina Imhof
  • Linus Jünemann
  • Christa Möller
  • Gudrun Schittek
  • Ulrike Sparr
  • Yusuf Uzundag
  • Lena Zagst
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion