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Hamburgisches Polizeirecht verfassungskonform weiterentwickeln

Montag, 10.11.2008

Klare und ausreichende Rechtsgrundlagen für polizeiliche Maßnahmen sind unverzichtbar, um die Innere Sicherheit in unserer Stadt zu gewährleisten. Gleichzeitig dürfen die Eingriffsbefugnisse nur soweit reichen, wie sie tatsächlich geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind und dem verfassungsrechtlichen Rahmen entsprechen.

Das Hamburgische Polizeirecht entspricht diesen Maßgaben in einigen gewichtigen Punkten nicht: Eine ganze Reihe von Bestimmungen ist nicht – bzw. nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr – mit den Vorgaben des Grundgesetzes in Einklang zu bringen, weitere Vorschriften räumen der Polizei mehr Befugnisse ein als erforderlich, andere reichen nicht aus, um den Gefahren für die Sicherheit vollumfänglich zu begegnen.

Seit Inkrafttreten des in Teilen in der Stadt durchaus umstrittenen CDU-Polizeigesetzes Ende Juni 2005 hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt polizeirechtliche Bestimmungen anderer Bundesländer für verfassungswidrig erachtet, die sich so oder ähnlich auch im Hamburgischen Landesrecht finden. Auch zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei Wohnraum- und Telefonüberwachung hat das Bundesverfassungsgericht dezidierte Vorgaben gemacht, denen das bisherige Hamburger Polizeirecht nicht gerecht wird. Vier Vorschriften sind danach in dieser Form nicht mehr verfassungskonform und deshalb durch die Bürgerschaft zu korrigieren, namentlich die Regelungen zur Rasterfahndung, zu den Kennzeichenlesegeräten sowie die Vorschriften zum Kernbereichsschutz bei Wohnraum- und Telefonüberwachung.

Eine Auswertung auf Basis der Großen Anfragen der SPD-Fraktion zur Videoüberwachung (Drs. 19/102) und zum Polizeirecht allgemein (Drs. 19/848) zeigt ferner, dass einige im Sommer 2005 von der CDU im Alleingang beschlossene Gesetzesänderungen das rechtlich erforderliche Maß deutlich überschreiten, so die Möglichkeit eines zweiwöchigen Polizeigewahrsams und ganzjähriger Aufenthaltsverbote.

Auf der anderen Seite fehlen der Polizei nach wie vor ausreichende Befugnisse, um gegen das Führen von Waffen vorzugehen. Auch bei den rechtlichen Möglichkeiten, Schläger und Stalker zu stoppen, gibt es noch weitere Spielräume, die gesetzgeberisch genutzt werden sollten. Auf Bundesebene hat die Große Koalition ferner einvernehmlich eine Novelle des BKA-Gesetzes auf den Weg gebracht, die unter strengsten Voraussetzungen und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Möglichkeit der sog. Onlinedurchsuchung im Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vorsieht. Diese Bestimmungen sollten – unter den gleichen hohen Anforderungen - landesrechtlich flankiert und unter eine effektive parlamentarische Kontrolle gestellt werden.

Die SPD-Fraktion hatte bereits zu den Beratungen zum Polizeirecht in den Jahren 2004 / 2005 einen ausführlichen eigenen Gesetzentwurf eingebracht (Drs. 18/1110 bzw. 18/2379), dessen differenzierte Position in weiten Teilen als bestätigt gelten kann. Seitdem haben sich die verfassungsrechtlichen und technischen Rahmenbedingungen verändert. Mit dieser neuerlichen Gesetzesinitiative sollen daher die notwendigen Konsequenzen aus der Evaluation der Gesetzesänderungen vollzogen und das Polizeirecht verfassungskonform gestaltet werden. Hamburg kann nicht warten, bis Schwarz-Grün sich auf entsprechende Formelkompromisse einigt.

 

 

Der folgende Gesetzentwurf enthält zehn Änderungsvorschläge:

 

Artikel 1 – Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG):

1. §12b Kontakt- und Näherungsverbot für Stalker und Schläger einfügen

2. §12b Aufenthaltsverbot maximale Dauer von 12 auf sechs Monate senken

3. §13 Ingewahrsamnahmen zur Durchsetzung von Kontakt- und Näherungsverboten

4. §13c SOG Ingewahrsamnahmen maximale Dauer von 14 auf sieben Tagen senken

5. §15 Durchsuchungen von Personen nach am Körper getragenen Waffen

 

Artikel 2 – Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG)

1. §8 Automatischer Kfz-Kennzeichenabgleich (verfassungskonforme Regelung)

2. §10 Wohnraumüberwachung (verfassungskonforme Regelung)

3. §10c Telefonüberwachung (verfassungskonforme Regelung)

4. §10e Online-Durchsuchung (Übernahme der engen Grenzen des BKA-Gesetzes, nur in Fällen von internationalem Terrorismus und OK)

5. §23 Rasterfahndung (verfassungskonforme Regelung)

 

Die Bürgerschaft möge das nachstehende Gesetz beschließen:

 

„Gesetz

zur verfassungskonformen Weiterentwicklung

des Hamburgischen Polizeirechts

 

Artikel 1

Achtes Gesetz

zur Änderung des Hamburgischen Gesetzes

zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG)

 

Das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 14. März 1966 (HmbGVBI, Seite 77), zuletzt geändert am 26. Januar 2006 (HmbGVBl. Seite 37, 47) und am 6. Oktober 2005 (HmbGVBI, Seite 424, 428), wird wie folgt geändert:

 

Änderungsvorschlag Begründung

 

1. § 12b Absatz 1a SOG Kontakt- und Näherungsverbot

 

In § 12b wird folgender Absatz 1a eingefügt:

„Unter den Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 kann auch angeordnet werden, dass der Verantwortliche es unterlässt,

1. sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der betroffenen Person aufzuhalten,

2. Verbindung zur betroffenen Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,

3. Zusammentreffen mit der betroffenen Person herbeizuführen,

soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist (Kontakt- und Näherungsverbot). Absatz1 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.“ In Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes und des neuen Straftatbestands Stalking § 238 StGB soll ein Kontakt- und Näherungsverbot für Eskalationen in Nähebeziehungen verankert werden.

Für die Anordnung sollen die gleichen Voraussetzungen und Fristen gelten wie für das Wegweisungs- und das Betretungsverbot nach § 12b Absatz 1.

 

2. § 12b SOG Aufenthaltsverbot:

 

§ 12b Absatz 2 Satz 1 erhält folgende Fassung:

„Zur Verhütung von Straftaten kann einer Person die Anwesenheit an bestimmten Orten oder in bestimmten Gebieten der Freien und Hansestadt Hamburg für längstens zwölf sechs Monate untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen wird (Aufenthaltsverbot).“ Die maximale Dauer eines Aufenthaltsverbots soll von zwölf auf sechs Monate verkürzt werden.

Die von der CDU im Alleingang beschlossene Option, Aufenthaltsverbote von einem Jahr zu erlassen, ist in den vergangenen drei Jahren seit Inkrafttreten der Gesetzesnovelle in keinem Fall zur Anwendung gekommen.

Es gab zwar fast 57.000 längerfristige Aufenthaltsverbote - überwiegend zur Bekämpfung der Drogenkriminalität - aber eine Maximal-Frist von sechs Monaten von sechs Monaten hat sich auch in wenigen Extremfällen als ausreichend erwiesen. Halten die Gefahren an, kann das Verbot verlängert werden.

 

3. § 13 SOG Ingewahrsamnahmen zur Durchsetzung von Kontakt- und Näherungsverboten

 

§ 13 Nummer 4 erhält folgende Fassung:

„4. unerlässlich ist, um ein Betretungsverbot, ein Kontakt- oder Näherungsverbot oder ein Aufenthaltsverbot nach Paragraf 12b durchzusetzen oder“ Durch die Ergänzung wird die Möglichkeit eröffnet, sofort eine lngewahrsamnahme vorzunehmen, wenn sich der Täter einem Kontakt- und Näherungsverbot widersetzt.

 

4. § 13c SOG Maximale Dauer von Ingewahrsamnahmen

 

In § 13c Absatz 1 Nummer 3 wird die Textstelle „zwei Wochen“ durch die Wörter „eine Woche“ ersetzt.

Ingewahrsamnahmen sind Inhaftierungen durch die Polizei, die spätestens nach 48 Stunden richterlich bestätigt werden müssen. Ingewahrsamnahmen, die der Unterbindung einer Straftat oder der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Wegweisung dienen, dürfen seit der Änderung des SOG durch die CDU maximal 14 Tage andauern.

Diese Verlängerung des sog. Unterbindungsgewahrsams ist gescheitert, selbst die von schwarz-grün vereinbarte Begrenzung der Höchstdauer auf zehn Tage erscheint unangebracht:

Ingewahrsamnahmen von einer Woche oder länger sind nicht ein einziges Mal vollzogen worden. Nur sechs Ingewahrsamnahmen dauerten länger als drei Tage, nur einmal dauerte der Polizeigewahrsam mehr als vier Tage an.

Offenbar gibt es hier auch einen Konflikt grundsätzlicher Art mit den Gerichten: Insgesamt hat die Innenbehörde seit Mitte 2005 in 242 Fällen die richterliche Bestätigung einer Ingewahrsamnahme einholen wollen. In weniger als acht Prozent der Fälle haben die Gerichte die Ingewahrsamnahme wie beantragt bestätigt, in 88 Prozent der Fälle mussten die Betroffenen umgehend aus dem Gewahrsam entlassen werden. Zu den Hintergründen dieser Rechtsprechung verweigert der Senat bislang die Auskunft.

 

5. § 15 Absatz 2 SOG Durchsuchungen von Personen nach Waffen

 

§ 15 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

„(2) Eine Person, deren Personalien nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt oder die im öffentlichen Verkehrsraum angehalten und kontrolliert werden soll, darf nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln durchsucht werden, wenn

1. dies nach den Umständen zum Schutz von Bediensteten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist oder

2. sich die Person an einem Ort befindet, für den durch Rechtsverordnung nach § 42 des Waffengesetzes das Führen von Waffen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Waffengesetzes verboten oder beschränkt worden ist.

Dasselbe gilt, wenn eine Person nach einer anderen Rechtsvorschrift vorgeführt oder zur Durchführung einer Maßnahme an einen anderen Ort gebracht werden soll.“ Nach derzeitiger Rechtslage darf die Polizei bei Überprüfungen nach Waffen in der Regel nicht die Personen selbst durchsuchen, sondern nur die Sachen, die diese mitführen – also Taschen, Rücksäcke etc.

Streng genommen darf nicht einmal in den Ende 2007 eingerichteten Waffenverbotszonen um die Reeperbahn und den Hansaplatz ohne weiteres die Kleidung von Personen auf darin mitgeführte Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsucht werden..

Diese Lücke soll geschlossen werden, indem der Polizei ausdrücklich erlaubt wird, in Waffentrageverbotszonen auch ohne konkreten Verdacht – aber selbstverständlich nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nicht nur mitgeführte Sachen, sondern auch die Passanten selbst darauf zu überprüfen, ob sie Waffen am Körper tragen.

 

Artikel 2

 

Drittes Gesetz zur Änderung

des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei

 

Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei vom 2. Mai 1991 (HmbGVBl. S. 187, 191), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Oktober 2005 (HmbGVBl. S. 424, 428) wird wie folgt geändert:

 

Änderungsvorschlag Begründung

 

1. §8 PolDVG Verfassungskonforme Regelung des automatisierten Kennzeichenabgleichs

 

a) § 8 Absatz 6 wird gestrichen.

b) § 8 Absatz 7 wird Absatz 6. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 11. März 2008 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die bisher in Hamburg geltende Formulierung zu Kennzeichenlesegeräten nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Die – aufgrund des Urteils ausgesetzte – Regelung ist daher zu streichen.

c) Hinter § 8 wird folgender § 8a neu eingefügt:

㤠8a Anlassbezogene automatische

Kennzeichenfahndung

(1) Die Polizei kann die Kennzeichen von Fahrzeugen ohne Wissen der Person durch den Einsatz technischer Mittel automatisiert erheben, wenn

1. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person erforderlich ist,

2. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist und die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 4 Absatz 1 Nr. 2 bis 4 vorliegen oder

3. eine Person oder ein Fahrzeug nach § 13 Absatz 1 polizeilich ausgeschrieben wurde und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die für die Ausschreibung relevante Begehung von Straftaten unmittelbar bevorsteht.

(2) Die erhobenen Daten können mit zur Abwehr der Gefahr nach Absatz 1 gespeicherten polizeilichen Daten automatisch abgeglichen werden. Bei Datenübereinstimmung können die Daten polizeilich verarbeitet und im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 zusammen mit den gewonnenen Erkenntnissen an die ausschreibende Stelle übermittelt werden. Andernfalls sind sie unverzüglich zu löschen. Der Einsatz der Kennzeichenlesegeräte hatte bis zu seiner Aussetzung im Ergebnis zur Identifizierung von 159 zur Fahndung ausgeschriebenen Fahrzeugen geführt. Haupteinsatzort bei den 125 Einsätzen war die Reeperbahn (24 Einsätze). Die Kennzeichenlesegeräte haben sich damit als sinnvolle Ergänzung des polizeilichen Instrumentariums erwiesen. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen daher in einem neuen § 8a streng umgesetzt und die Geräte wieder eingesetzt werden.

In seiner Entscheidung hatte das Gericht die in Brandenburg für den Kennzeichenabgleich getroffene Regelung ausdrücklich als verfassungsrechtlich akzeptabel bezeichnet. Die darin enthaltenen, sehr engen Voraussetzungen für die Erhebung und Verarbeitung der Daten werden in den Absätzen 1 und 2 für Hamburg übernommen.

 

(3) Die Polizei kann unmittelbar vor Verkehrskontrollen im öffentlichen Verkehrsraum nach diesem Gesetz oder nach anderen Gesetzen an Orten nach § 4 Absatz 1 Nr. 2 bis 4, Absatz 2 oder § 8 Absatz 3 die Kennzeichen von Fahrzeugen durch den Einsatz technischer Mittel automatisiert erheben und mit dem Sachfahndungsbestand abgleichen, wenn dieses zur Gefahrenabwehr und zum Schutz der bei der Verkehrskontrolle beteiligten Vollzugsbeamten erforderlich ist. Die Erhebung erfolgt in diesem Falle offen; eine weitere Verarbeitung und Speicherung der erhobenen Daten über die Verkehrskontrolle hinaus ist unzulässig. Daneben hatte das BVerfG auch Möglichkeiten für erleichterte Erhebungsvoraussetzungen skizziert. In diesem Rahmen sollen die Kennzeichenlesegeräte nach Absatz 3 auch weiterhin eine wichtige Unterstützungsmaßnahme besonders bei Verkehrskontrollen im Bereich von gefährlichen Orten und Kriminalitätsbrennpunkten bleiben. Hier ist aber die Verwendung gewissermaßen auf die Vorbereitung der Verkehrskontrolle beschränkt. Die handelnden Vollzugsbeamten erhalten so Hinweise, welchen Verkehrsteilnehmer sie warum näher kontrollieren sollten und ob ggf. erweiterte Vorsichtsmaßnahmen erforderlich sind. Eine so flankierte Verkehrskontrolle kann die Bemühungen zur Eigensicherung der an der Kontrolle beteiligten Vollzugsbeamten wirksam unterstützen.

(4) Der Senat berichtet der Bürgerschaft jährlich über Anlass, Ort und Dauer der Maßnahmen.“ Da das Bundesverfassungsgericht gesteigerte verfassungsrechtliche Anforderungen für die Kennzeichenerfassung formuliert hat, soll sie künftig einer intensiveren parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

 

2. §10 PolDVG Wohnraumüberwachung – Kernbereich privater Lebensgestaltung schützen

 

a) § 10 Absatz 5 Satz 2 wird gestrichen, wodurch Absatz 5 folgende Fassung erhält:

„Die durch eine Maßnahme nach Absatz 2 erlangten personenbezogenen Daten sind besonders zu kennzeichnen. Die durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 erlangten Daten, bei denen sich nach Auswertung herausstellt, dass sie einem Vertrauensverhältnis mit Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen sind, dürfen nicht verwendet werden.“ Bisher waren durch Satz 2 Daten besonders geschützt, die „einem Vertrauensverhältnis zwischen engsten Familienangehörigen oder in gleicher Weise engsten Vertrauten zuzuordnen sind“. Diese Formulierung reicht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht aus.

b) Hinter § 10 Absatz 5 wird folgender Absatz 5a neu eingefügt: Mit diesem Vorschlag eines neuen Absatz 5a wird der bislang unzureichende Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, den das Bundesverfassungsgericht verlangt, auch bei der Wohnraumüberwachung nach Hamburgischen Polizeirecht sichergestellt. Übernommen werden damit die Maßgaben des BKA-Gesetzes (vgl. insoweit BT-Drs. 16/9588).

Konkret regelt die Vorschrift unter Berücksichtigung der Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/099, BVerfGE 109, 279 ff.) die Voraussetzungen, die zum Schutz des Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung erforderlich sind.

Satz 1:

Die Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 darf nur angeordnet und durchgeführt werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu über wachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Nach Satz 1 ist vor Durchführung der Maßnahme eine Prognose dahingehend zu treffen, dass mit der Maßnahme Äußerungen, die den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung betreffen, nicht erfasst werden. Diese Prognose muss sich auf tatsächliche Anhaltspunkte stützen; vollständige Gewissheit ist demnach nicht erforderlich. Anhaltspunkte, anhand welcher Kriterien eine solche Prognose zu erstellen sein kann, können sich aus der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander ergeben. Dabei ist zu beachten, dass entsprechend § 100c Abs. 4 Satz 2 StPO Gespräche in Betriebs- und Geschäftsräumen in der Regel nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Ist aufgrund dieser Prognose eine Anordnung zulässig, kann bei entsprechenden Erkenntnissen auch eine nur automatische Aufzeichnung zulässig sein. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 11. Mai 2007 (2 BvR 543/06) ausgeführt, dass seinem Urteil vom 3. März 2004 nicht entnommen werden könne, dass eine automatische Aufzeichnung in jedem Fall von Verfassungs wegen unzulässig sei. Ein generelles Verbot automatischer Aufzeichnungen sei nicht ersichtlich, soweit keine Gefahr der Erfassung kernbereichsrelevanter Inhalte bestehe.

§ 10 Abs. 5a Satz 2

Das Abhören und Beobachten nach Satz 1 ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Satz 2 enthält das Gebot der unverzüglichen Unterbrechung der Maßnahme und regelt, was zu unternehmen ist, wenn sich während der Überwachung unerwartet tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte aus dem Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung erfasst werden. In solchen Fällen ist nach Satz 2 das Abhören, Aufzeichnen und Beobachten unverzüglich zu unterbrechen.

§ 10 Abs. 5a Satz 3

Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden Satz 3 regelt die Zulässigkeit des sogenannten Richterbandes. Die Regelung dient dem Schutz des Kernbereichs, in- dem sie bestimmt, dass auch in solchen Fällen, in denen keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Kernbereichsrelevanz sprechen, eine unmittelbare Überwachung durch die ermittelnden Stellen ausgeschlossen ist. In Zweifelsfällen darf der Kommunikationsinhalt vielmehr nur automatisch aufgezeichnet werden.

§ 10 Abs. 5a Satz 4

Automatische Aufzeichnungen nach Satz 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. Nach Satz 4 sind solche Aufzeichnungen unverzüglich dem anordnenden Gericht vorzulegen, welches dann die Feststellung zu treffen hat, ob eine Kernbereichsrelevanz vorliegt oder nicht. Eine solche Regelung für Zweifelsfälle trägt dem Umstand Rechnung, dass es häufig bei einmaligem Mithören und Beobachten nicht möglich ist, das Geschehen in der Wohnung vollständig zu erfassen. Es kann erforderlich werden, ein Gespräch mehrfach abzuhören, um Inhalt, Betonungen und Nuancen zu erkennen. Oftmals sind Dolmetscher erst nach mehrfachem Abhören in der Lage, den richtigen Aussagegehalt einer Äußerung zu bestimmen und damit überhaupt erst festzustellen, ob Anhaltspunkte für eine Kernbereichsrelevanz gegeben sind. Ferner können bei zwei oder mehr Gesprächsteilnehmern die Aussagen vielfach nicht sofort zugeordnet werden. Zudem kann es vorkommen, dass Aufzeichnungen der technischen Aufbereitung wie der Entfernung von Nebengeräuschen bedürfen. In solchen Zweifelsfällen werden die Grundrechte der Betroffenen dadurch weiter geschützt, dass ein Richter die Auswertung einer automatischen Aufzeichnung übernimmt.

§ 10 Abs. 5a Satz 5

Sind das Abhören und Beobachten nach Satz 2 unterbrochen worden, so darf es unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Satz 5 regelt, dass die Maßnahme nach Absatz 1 unter den Voraussetzungen des Satzes 1 fortgeführt werden darf.

§ 10 Abs. 5a Satz 6 bis 9

Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.“ Da es nicht ausgeschlossen werden kann, dass Daten erfasst werden, die den Kernbereich betreffen, werden die Regelungen durch verfahrensrechtliche Absicherungen durch das in den Sätzen 6 bis 9 enthaltene Verwertungsverbot und Löschungsgebot flankiert.

 

3. §10c PolDVG Telefonüberwachung – Kernbereich privater Lebensgestaltung schützen

 

a) §10c Absatz 3 Satz 3 wird gestrichen. Der bisher hier vorgesehene Schutz des „Vertrauensverhältnisses zwischen engsten Familienangehörigen oder in gleicher Weise engsten Vertrauten“ reicht verfassungsrechtlich nicht aus.

b) Hinter § 10c Absatz 3 wird folgender Absatz 3a eingefügt. Mit diesem Vorschlag wird der bislang unzureichende Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, den das Bundesverfassungsgericht verlangt, auch bei der Telefonüberwachung nach Hamburgischen Polizeirecht sichergestellt. Übernommen werden damit die Maßgaben des BKA-Gesetzes (vgl. insoweit BT-Drs. 16/9588).

Im neu zusammenfassenden Absatz 3a wird der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei Maßnahmen nach §§ 10a und 10b näher ausgestaltet. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach einen Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt, der dem staatlichen Zugriff schlechthin entzogen ist. In seinem Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – hat das Bundesverfassungsgericht auch einfachgesetzliche Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei Maß- nahmen der gefahrenabwehrrechtlichen Telekommunikationsüberwachung gefordert, gleichzeitig aber anerkannt, dass hier andere Maßstäbe als beim Kernbereichsschutz bei Eingriffen in Artikel 13 GG anzulegen sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Schutz des Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung bei Eingriffen in Artikel 10 GG anders ausgestaltet ist als bei Eingriffen in Artikel 13 GG. Bei Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung und ihrer späteren Durchführung ist regelmäßig nicht sicher vorhersehbar, welche Inhalte die abgehörten Gespräche haben werden. Eine Prognose, mit wem ein Telefongespräch zustande kommt und in welchem Verhältnis die beiden Gesprächspartner zueinander stehen, kann in der Regel angesichts der Vielgestaltigkeit von Telekommunikationsvorgängen gar nicht getroffen werden. Vielfach wird sich ohne weitere Auswertung gar nicht feststellen lassen, mit welcher Person gesprochen wird, etwa wenn keine Namensnennung erfolgt oder bei Gesprächen in fremder Sprache. Dies gilt umso mehr, als es Zielpersonen auch grundsätzlich möglich ist, Vertrauensverhältnisse vorzutäuschen.

§ 10c Abs. 3a Satz 1 und 2

„Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch Datenerhebungen nach §§ 10a und 10b allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Soweit im Rahmen von Datenerhebungen nach §§ 10a und 10b neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden.

Nach Satz 1 ist eine Telekommunikationsüberwachung unzulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass durch die Überwachung allein Erkenntnisse aus diesem Kernbereich erlangt würden. Bereits die Anordnung einer solchen Maßnahme, aber auch deren Durchführung ist unzulässig. Diese Prognose verlangt, anders als bei der akustischen Wohnraumüberwachung, keine besonderen vorausgehenden Ermittlungen. Die Maßnahme ist daher nur dann zulässig, wenn tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch sie nicht allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden.

§ 10c Abs. 3a Satz 3:

Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. Satz 3 regelt die Zulässigkeit des sogenannten Richterbandes. Die Regelung dient dem Schutz des Kernbereichs, indem sie bestimmt, dass auch in solchen Fällen, in denen keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Kernbereichsrelevanz sprechen, eine unmittelbare Überwachung durch die ermittelnden Stellen ausgeschlossen ist. In Zweifelsfällen darf der Kommunikationsinhalt vielmehr nur automatisch aufgezeichnet werden.

§ 10c Abs. 3a Satz 4:

Automatische Aufzeichnungen nach Satz 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. Nach Satz 4 sind solche Aufzeichnungen unverzüglich dem anordnenden Gericht vorzulegen, welches dann die Feststellung zu treffen hat, ob eine Kernbereichsrelevanz vorliegt oder nicht. Eine solche Regelung für Zweifelsfälle trägt dem Umstand Rechnung, dass es häufig bei einmaligem Überwachen und Aufzeichnen nicht möglich ist, das Geschehen vollständig zu erfassen. Es kann nämlich erforderlich werden, ein Gespräch mehrfach abzuhören, um Inhalt, Betonungen und Nuancen zu erkennen. Oftmals sind Dolmetscher erst nach mehrfachem Abhören in der Lage, den richtigen Aussagegehalt einer Äußerung zu bestimmen und damit überhaupt erst festzustellen, ob Anhaltspunkte für eine Kernbereichsrelevanz gegeben sind. Zudem kann es vorkommen, dass Aufzeichnungen der technischen Aufbereitung wie der Entfernung von Nebengeräuschen bedürfen. In solchen Zweifelsfällen werden die Grundrechte der Betroffenen dadurch weiter geschützt, dass ein Richter die Auswertung einer automatischen Aufzeichnung übernimmt.

§ 10c Abs. 3a Satz 5

Ist die Maßnahme nach Satz 2 unterbrochen worden, so darf sie für den Fall, dass sie nicht nach Satz 1 unzulässig ist, fortgeführt werden. Satz 5 regelt, dass die Maßnahme fortgesetzt werden darf, soweit sie nicht nach Satz 1 unzulässig wäre.

§ 10c Abs. 3a Satz 6 bis 10.

Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.“ Satz 6 trifft weitere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs. Erkenntnisse aus dem Kernbereich unterliegen danach einem absoluten Verwertungsverbot. Entsprechende Aufzeichnungen hierüber sind nach Satz 7 unverzüglich zu löschen. Nach Satz 8 sind ihre Erfassung und Löschung zu dokumentieren, um einen ausreichenden Rechtsschutz sicherzustellen. Die Sätze 9 und 10 enthalten Regeln über die Verwendung der Dokumentation.

c) § 10c Absatz 5 Satz 6 wird gestrichen. Redaktionelle Folgeänderung.

 

4. Online-Durchsuchung in engen Grenzen und unter parlamentarischer Kontrolle nur in Fällen von internationalem Terrorismus und organisierter Kriminalität ermöglichen

 

Hinter § 10d wird folgender § 10e eingefügt: Mit diesem Vorschlag werden die Regelungen der Novellierung des BKA-Gesetzes der Großen Koalition zur sog. Onlinedurchsuchung systemkonform und unter Wahrung aller verfassungsrechtlichen Anforderungen ins Hamburger Polizeirecht übernommen.

 

㤠10e Verdeckter Eingriff

in informationstechnische Systeme

§ 10e Absatz 1

Die Polizei darf ohne Wissen des Betroffenen mit technischen Mitteln in vom Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingreifen und aus ihnen Daten erheben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefahr vorliegt für

1. Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder

2. solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt.

Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass ohne Durchführung der Maßnahme in näherer Zukunft ein Schaden eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für eines der in Satz 1 genannten Rechtsgüter hinweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat solche Maßnahmen unter bestimmten strengen Voraussetzungen als verfassungsrechtlich zulässig erkannt (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008, 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07). Dabei hat es erstmalig aus Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme abgeleitet. Es hat dabei aber hervorgehoben, dass dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist. Eingriffe darin können sowohl zu präventiven wie auch repressiven Zwecken gerechtfertigt sein. Das setzt aber für den Bereich der Prävention (Gefahrenabwehr) das Vorliegen einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut voraus. Überragend wichtig sind Leib, Leben, Freiheit der Person sowie solcher Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Dabei kann die Maßnahme schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr für überragend wichtige Rechtsgüter hinweisen. Die Vorschrift des § 10e setzt die Vorgaben dieser Entscheidung auch für Hamburg um.

§ 10e Absatz 2

Die Maßnahme darf nur durchgeführt werden,

1. wenn diese zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus nach § 4a Absatz 1 des Bundeskriminalamtgesetz [in der Fassung vom …. in der jeweils geänderten Fassung] erforderlich ist und eine Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes nicht begründet ist,

2. wenn diese zur Abwehr von Gefahren der organisierten Kriminalität nach § 1 Absatz 7 erforderlich ist

und diese ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Anwendungsbereich ist hinsichtlich der Abwehr terroristischer Gefahren eng an das BKA-Gesetz angelehnt. Damit ist sichergestellt, dass die Hamburger Norm nur greift, wenn das BKA nach den Regeln des BKA-Gesetzes nicht zuständig ist bzw. wird.

Im Übrigen wird als weiterer landespolizeirechtlich relevanter Anwendungsbereich die OK-Bekämpfung definiert. Auch in diesem Bereich ist zunehmend zu beobachten, dass sich Personen moderner Technologien bedienen, um bei ihren Vorhaben einer Entdeckung zu entgehen und damit eine wirksame Gefahrenabwehr zu vereiteln. Das ist die einzige Abweichung von § 20k iVm § 4a BKA-Gesetz in der Fassung der BT-Drs. 16/9588.

(2a) Es ist technisch sicherzustellen, dass

1. an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und

2. die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme soweit technisch möglich automatisiert rückgängig gemacht werden.

Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen. Die weiteren, äußerst strengen Voraussetzungen sind an das BKA-Gesetz angelehnt (vgl. insoweit insbesondere BT-Drs 16/9588).

§ 10e Abs. 3

Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren

1. die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes,

2. die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen,

3. die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und

4. die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.

Die Protokolldaten dürfen nur verwendet werden, um dem Betroffenen oder einer dazu befugten öffentlichen Stelle die Prüfung zu ermöglichen, ob die Maßnahme nach Absatz 1 rechtmäßig durchgeführt worden ist. Sie sind bis zum Ablauf des auf die Speicherung folgenden Kalenderjahres aufzubewahren und sodann automatisiert zu löschen, es sei denn, dass sie für den in Satz 2 genannten Zweck noch erforderlich sind.

§ 10e Abs. 4

Die Maßnahme darf sich nur gegen eine Person richten, die entsprechend § 8 oder § 9 des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verantwortlich ist. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

§ 10e Abs. 5

Die Maßnahme nach Absatz 1 darf nur auf Antrag des Polizeipräsidenten oder seines Vertreters durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Anordnung durch den Polizeipräsidenten oder seinen Vertreter getroffen werden. In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Soweit diese Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. Zuständig ist das Amtsgericht Hamburg. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ergänzte Erläuterung zu Satz 2:

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 103,142, 153; in Bezug genommen im Urteil zur Online-Entscheidung vom 27. Februar 2008, dort Rdnr. 261) ergeben sich folgende verfassungsrechtliche Vorgaben für die Zulässigkeit einer nichtrichterlichen Anordnung einer grundrechtseingreifenden Maßnahme bei „Gefahr im Verzug“: Die nichtrichterliche Anordnung bei „Gefahr im Verzug“ enthält eine Ausnahme vom Grundsatz der richterlichen Entscheidung. Vor allem wegen der grundrechtssichernden Schutzfunktion des Richtervorbehalts ist "Gefahr im Verzug" deshalb eng auszulegen. Die betroffenen Behörden und die Gerichtsorganisation haben danach im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, dass in der Masse der Alltagsfälle die in der Verfassung vorgesehene "Verteilung der Gewichte", nämlich die Regelzuständigkeit des Richters, gewahrt bleibt. Hiernach muss „Gefahr im Verzug“ mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Es muss regelmäßig versucht werden, eine Anordnung des instanziell und funktionell zuständigen Richters zu erlangen, bevor die Eingriffsmaßnahme ergriffen wird. Nur in Ausnahmesituationen, wenn schon die zeitliche Verzögerung wegen eines solchen Versuchs den Erfolg der Maßnahme gefährden würde, darf die Behörde selbst die Anordnung wegen Gefahr im Verzug treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben. Die Annahme von „Gefahr im Verzug“ kann insbesondere nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen. Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters, auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes, zu sichern.

§ 10e Abs. 6

(4) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben

1. die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

2. eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll,

3. Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter Benennung des Endzeitpunktes sowie

4. die wesentlichen Gründe.

Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Anordnungsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

§ 10e Abs. 7

Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Maßnahme Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Das gilt nicht, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die Erstellung oder Art und Weise der Verwendung kernbereichsbezogener Daten dienten den Betroffenen zur Unterbindung einer Erhebung von Daten nach Absatz 1. Soweit möglich, ist technisch sicherzustellen, dass Daten, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, nicht erhoben werden. Erhobene Daten sind unverzüglich vom Datenschutzbeauftragten der Behörde für Inneres und zwei weiteren Bediensteten des Landeskriminalamtes oder der Polizei, von denen einer die Befähigung zum Richteramt hat, auf kernbereichsrelevante Inhalte durchzusehen. Der Datenschutzbeauftragte ist bei Ausübung dieser Aufgabe weisungsfrei und darf deswegen nicht benachteiligt werden (§ 10a Abs. 4 Satz 2 HmbDSG). Daten, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, dürfen nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen. Besteht zwischen den Beteiligten Uneinigkeit, ob Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, oder hat einer der Beteiligten Zweifel darüber, sind die Daten, sofern sie nicht gelöscht werden, unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit und Löschung vorzulegen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

 

Zu Satz 2:

Eine Datenerhebung ist trotz Berührung des Kernbereichs nach dem Verfassungsgericht dann zulässig, wenn „konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass kernbereichsbezogene Kommunikationsinhalte mit Inhalten verknüpft werden, die dem Ermittlungsziel unterfallen, um eine Überwachung zu verhindern“ (BVerfG NJW 2008, 822, 834).

 

Ergänzte Erläuterung zu Satz 4, 5 und 7:

Die Kontrolle des Kernbereichsschutzes wurde nochmals durch Beteiligung des Datenschutzbeauftragten bei der Behörde für Inneres intensiviert. Dass ausweislich der Senatsauskunft Drs. 19/537 bei der Behörde für Inneres trotz der Regelung des § 10a HmbDSG und der Grundrechtsrelevanz vieler Tätigkeiten der Behörde für Inneres immer noch kein behördlicher Datenschutzbeauftragter bestellt ist, ist unverzüglich zu ändern.

 

§ 10e Abs. 8

Der Senat unterrichtet die Bürgerschaft jährlich über Anlass, Ort und Dauer der durchgeführten Maßnahmen. Ergänzt wird die Regelung um eine effektive parlamentarische Kontrolle sowie um eine Evaluation (Artikel 3). .

 

5. § 23 PolDVG Rasterfahndung verfassungskonform regeln

 

a) In § 23 Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„Die Polizei darf von öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten von bestimmten Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr einer konkreten Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist; eine solche Gefahr liegt in der Regel auch dann vor, wenn konkrete Vorbereitungshandlungen die Annahme rechtfertigen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Hinblick auf die nach Satz 1 geschützten Rechtsgüter begangen werden soll.“ Hiermit werden die Voraussetzungen, unter denen die Hamburger Polizei eine Rasterfahndung durchführen kann, verfassungskonform präzisiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – ausdrücklich festgestellt, dass außenpolitische Spannungslagen für die Anordnung einer Rasterfahndung nicht ausreichen, sondern vielmehr die konkrete Gefahr, etwa für die Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge, vorliegen müsse. Vorausgesetzt werde eine Sachlage, bei der im konkreten Fall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass in absehbarer Zeit ein Schaden eintritt. Die hierfür erforderliche Wahrscheinlichkeitsprognose müsse sich auf Tatsachen beziehen. In Betracht komme allerdings auch eine Dauergefahr. Bei einer solchen bestehe die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts über einen längeren Zeitraum hinweg zu jedem Zeitpunkt. Es seien Tatsachen erforderlich, aus denen sich eine konkrete Gefahr ergebe, etwa weil tatsächliche Anhaltspunkte für die Vorbereitung terroristischer Anschläge bestünden. Eine gegenwärtige Gefahr hat das Bundesverfassungsgericht dagegen ausdrücklich nicht verlangt, weil angesichts des mit einer Rasterfahndung verbundenen Eingriffs eine solche dann regelmäßig zu spät komme, um noch wirksam zu sein.

b) § 23 Absatz 4 Satz 2 erhält folgende Fassung:

„Nach Abschluss der Maßnahme wird der Hamburgische Datenschutzbeauftragte und die Bürgerschaft unverzüglich über Anlass und Umfang der veranlassten Maßnahmen unterrichtet.“ Mit der Ergänzung in Absatz 4 wird die Rasterfahndung auch unter eine wirksame parlamentarische Kontrolle gestellt.

 

Artikel 3

 

Schlussbestimmungen

 

㤠1 Evaluation

Artikel 2 § 10e ist drei Jahre nach dem Inkrafttreten unter Einbeziehung eines wissenschaftlichen Sachverständigen, der im Einvernehmen mit der Bürgerschaft bestellt wird, zu evaluieren. Die Online-Durchsuchung soll – zusätzlich zu den jährlich vorgesehenen Berichten an die Bürgerschaft – evaluiert werden.

 

§ 2 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

 

(1) Diese Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

(2) Artikel 2 § 10e tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft.““ Die Befugnis über die Online-Durchsuchung läuft nach fünf Jahren aus, also früher als auf Bundesebene vorgesehen.