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Arbeitsfähige Bezirksversammlungen in Zeiten von Corona

Dienstag, 05.05.2020

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie schränkt aktuell das Leben der Hamburgerinnen und Hamburger massiv ein. Immer mehr Prozesse und Arbeitsstrukturen werden in dieser Situation in den digitalen Raum verlegt. Die Frage, wie Parlamente und Verwaltung stärker digital arbeiten, beschäftigt uns in Hamburg auch unabhängig von der Corona-Pandemie seit Längerem. Doch jetzt entsteht durch die Krise ein besonderer Handlungsdruck für den politischen Betrieb. Hier müssen zwei Dinge sichergestellt werden: Erstens muss in unserem parlamentarischen Regierungssystem der parlamentarische Raum gerade in der Krise der Ort bleiben, an dem Debatten geführt und Entscheidungen getroffen werden. Zweitens müssen auch die politischen Gremien die notwendigen Abstandsgebote einhalten, um ihren Betrieb zu jeder Zeit gewährleisten zu können und nicht durch gegenseitige Ansteckung zu gefährden.

Neben der Bürgerschaft ist auch die Funktionsfähigkeit der Bezirksversammlungen sicherzustellen, sie müssen ihren Betrieb und ihre Arbeit fortführen. Die Bezirksämter haben gemeinsam mit ihren Gremien und der Bezirksaufsicht in der Finanzbehörde bereits erste Schritte unternommen, um die Arbeitsfähigkeit der Bezirksversammlungen und ihrer Ausschüsse sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit auch unter den Bedingungen der Corona-Krise zu gewährleisten. So wurden eine Presseöffentlichkeit der tagenden Ausschüsse im Rahmen der geltenden Regelungen und eine intensivere Kommunikationsarbeit vor und nach den jeweiligen Hauptausschuss-Sitzungen als Sofortmaßnahmen sichergestellt. Die Sitzungsunterlagen und die Beschlüsse der tagenden Gremien sind in dem dafür zur Verfügung stehenden IT-Verfahren ALLRIS auch der Öffentlichkeit frei zugänglich. Die Teilnahme von Pressevertreterinnen und Vertretern an den Sitzungen ist möglich. Den Bezirksversammlungen steht, ebenso wie der Bürgerschaft, die Möglichkeit des Pairing-Verfahrens zur Verfügung, um Sitzungen mit dem erforderlichen Abstand der beteiligten Personen durchführen zu können. Die Bemühungen, die technischen Voraussetzungen für die Übertragung von Ausschuss- und Bezirksversammlungssitzungen zu schaffen, sind weit vorangeschritten.

Zur Erleichterung der Gremienarbeit in den Bezirken (insbesondere in Zeiten von Pandemiebekämpfungen) sollen weitere Maßnahmen mit diesem Antrag angeschoben werden. So braucht es klarstellende Bestimmungen zur Durchführung von (Ausschuss-)Sitzungen per Telefon- oder Video-Konferenz, zur Ermöglichung von Entscheidungen im schriftlichen oder elektronischen Verfahren im Einzelfall sowie für Sitzungsgeldzahlungen für vorbereitende Fraktionssitzungen nach dem Entschädigungsleistungsgesetz, wenn der Hauptausschuss an Stelle der Bezirksversammlung agiert.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

1. Die Bürgerschaft beschließt nachfolgendes Gesetz zur Erleichterung der bezirklichen Gremienarbeit anlässlich der COVID-19-Pandemie

 

Vom …

 

Artikel 1

Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes

In § 13 des Bezirksverwaltungsgesetzes vom 6. Juli 2006 (HmbGVBl. S. 404, 452), zuletzt geändert am 12. Dezember 2019 (HmbGVBl. S. 479), werden folgende Absätze 3 bis 5 angefügt:

 

„(3) In Fällen, in denen die Sitzungen eines Ausschusses an einem Ort aufgrund äußerer, nicht kontrollierbarer Umstände erheblich erschwert sind, kann das vorsitzende Mitglied der Bezirksversammlung auf Antrag der Mehrheit der Bezirksversammlung und im Benehmen mit den stellvertretenden vorsitzenden Mitgliedern zulassen, dass Sitzungen mittels einer Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden. Der Antrag nach Satz 1 ist mindestens zwei Werktage vor der geschäftsordnungsmäßigen Einladungsfrist zu stellen. Bei der technischen Umsetzung der Sitzungen ist zu gewährleisten, dass eine Teilnahme mittels Telefon grundsätzlich möglich ist. Diese Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Regelungen zur Öffentlichkeit der Unterlagen und Beschlüsse bleiben unberührt. Die Beschlüsse und Unterlagen werden auf dem üblichen Wege der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Abstimmungen erfolgen in namentlicher Abstimmung. Die oder der jeweilige Vorsitzende des Ausschusses ist von einem Antrag nach Satz 1 unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

(4) Das vorsitzende Mitglied der Bezirksversammlung kann auf Antrag der Mehrheit der Bezirksversammlung in den in Absatz 3 Satz 1 genannten Fällen und im Benehmen mit den stellvertretenden vorsitzenden Mitgliedern zulassen, dass Angelegenheiten im schriftlichen oder elektronischen Beschlussverfahren behandelt werden. Den Mitgliedern des Ausschusses ist die jeweilige entsprechende Vorlage einschließlich einer Fristsetzung für Rückäußerungen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Die Frist beträgt mindestens zwei Werktage. Rückäußerungen haben schriftlich oder elektronisch zu erfolgen. Im Falle einer nicht fristgemäßen Rückäußerung gilt dies als Ablehnung der Vorlage. Beantragt ein Mitglied des Ausschusses Änderungen zu einer Vorlage, gilt die Zustimmung als nicht erteilt und die Entscheidung über die Änderungen und die Vorlage insgesamt sind in der nächsten Sitzung des Ausschusses aufzurufen. Die oder der Vorsitzende des Ausschusses informiert die Mitglieder über das Ergebnis des schriftlichen oder elektronischen Umlaufverfahrens in der nächsten Sitzung. Die oder der jeweilige Vorsitzende des Ausschusses ist von einem Antrag nach Satz 1 unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

(5) Wahlen sind nach dem Verfahren der Absätze 3 und 4 unzulässig.“

 

 

Artikel 2

Änderung des Entschädigungsleistungsgesetzes

In § 2 Absatz 2 des Entschädigungsleistungsgesetzes vom 1. Juli 1963 (HmbGVBl. S. 111), zuletzt geändert am 27. August 2019 (HmbGVBl. S. 262), wird hinter Satz 4 folgender Satz eingefügt:

 

„In Fällen des § 15 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Bezirksverwaltungsgesetzes gilt eine Sitzung des Hauptausschusses als Sitzung der Bezirksversammlung im Sinne des Satzes 4.“

 

Artikel 3

Außerkrafttreten und Evaluation

 

(1) Artikel 1 tritt mit Ablauf des 31. März 2021 außer Kraft.

 

(2) Der Senat berichtet der Bürgerschaft bis zum 31. Dezember 2020 über die Anwendung des § 13 Absätze 3 bis 5 des Bezirksverwaltungsgesetzes und die damit gemachten Erfahrungen.

 

 

Begründung:

 

Begründung zu Artikel 1 (§ 13 Absätze 3 bis 5 BezVG):

 

Zu Absatz 3:

Die Regelung soll es den Ausschüssen der Bezirksversammlungen ermöglichen, in Ausnahmefällen Video- oder Telefonkonferenzen abzuhalten, wenn ein Sitzungswesen in persönlicher, körperlicher Anwesenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgrund äußerer Umstände, die sich der Einflussnahmemöglichkeiten der Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmern entziehen, nicht möglich ist. Erforderlich für die Einberufung einer solchen Video- oder Telefonkonferenz eines Ausschusses ist die Beantragung durch die Mehrheit in der Bezirksversammlung. Damit soll sichergestellt sein, dass nicht über die Mehrheitsverhältnisse hinweg von dem Regelfall der Ausschusssitzung mit körperlicher Anwesenheit und den damit verbundenen Möglichkeiten der Debatte und dem Austausch der politischen Positionen abgewichen werden kann.

Über den Antrag auf Video- oder Telefonkonferenz ist von der oder dem Vorsitzenden der Bezirksversammlung zu entscheiden. Sie oder er entscheidet im Benehmen mit den stellvertretenden vorsitzenden Mitgliedern der Bezirksversammlung, um die Interessen der Fraktionen abzubilden.

 

Voraussetzung für die Durchführung einer Video- oder Telefonkonferenz ist neben dem Vorhandensein der technischen Möglichkeiten das Vorliegen äußerer, nicht kontrollierbarer Umstände, die einer Durchführung der Ausschuss-Sitzung in persönlicher, körperlicher Anwesenheit entgegenstehen, wie z. B. eine vorübergehende Ausgangssperre, ein befristetes Kontaktverbot wegen einer Infektionsgefahr oder eine Naturkatastrophe, die das Zusammentreffen der Sitzungsteilnehmerinnen und Sitzungsteilnehmer an einem Ort verhindern oder in einem Maße erschweren, die das Abhalten einer Video- oder Telefonkonferenz trotz der damit verbundenen Einschränkungen für die Möglichkeiten der Debatte und des Austausches der Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmer angezeigt sein lassen.

Bei der Ermessensentscheidung der oder des Vorsitzenden der Bezirksversammlung sind neben den genannten Aspekten auch weitere Punkte wie z. B. eine besondere Schutzbedürftigkeit der Mitglieder des Ausschusses oder bereits bekannte grundsätzliche Positionen des Ausschusses zu Video- oder Telefonkonferenzen zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die besonderen Umstände, die einer körperlichen Sitzungsteilnahme entgegenstehen, wird auf die Möglichkeit der Teilnahme der Öffentlichkeit an den Ausschusssitzungen verzichtet. Dies dient zugleich der Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Ausschussmitglieder.

Die Öffentlichkeit der Abstimmungsergebnisse und Sitzungsunterlagen bestimmt sich nach § 14 Bezirksverwaltungsgesetz.

Das Erfordernis der namentlichen Abstimmung stellt auch unter den besonderen Bedingungen einer Telefon- oder Videokonferenz sicher, dass alle Stimmen erfasst und gewertet werden. Die Art der Protokollierung bestimmt sich nach den allgemeinen Regelungen wie z. B. der Geschäftsordnung.

Die oder der Vorsitzende des jeweiligen betroffenen Ausschusses ist von dem Antrag zeitgleich in Kenntnis zu setzen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Sitzungsleitung zu gewährleisten, die in der Hand des oder der Ausschussvorsitzenden liegt.

 

Zu Absatz 4

Die Vorschrift regelt im Gleichklang mit dem neuen Absatz 3 die ausnahmsweise bestehende Möglichkeit, Entscheidungen eines Ausschusses im Wege des schriftlichen Beschlussverfahrens herbeizuführen, soweit der Gegenstand als geeignet erscheint. Dies soll der Vereinfachung der Abläufe und der Sicherstellung der Entscheidungsfähigkeit von Ausschüssen für die Fälle dienen, in denen eine körperliche Zusammenkunft eines Ausschusses nicht oder nur unter Überwindung erheblicher Hindernisse tatsächlicher Art möglich ist und der Gegenstand der Beratung und Entscheidung einer Beschlussfassung im schriftlichen oder elektronischen Verfahren zugänglich erscheint. Die Entscheidung über die Anwendung des schriftlichen oder elektronischen Beschlussverfahrens im Ausschuss trifft das vorsitzende Mitglied der Bezirksversammlung im Benehmen mit den stellvertretenden vorsitzenden Mitgliedern.

Erforderlich ist die rechtzeitige Übermittlung der Entscheidungsvorlage an die Ausschussmitglieder und eine Fristsetzung zur Rückäußerung. Dies kann auch per E-Mail geschehen, wenn der Zugang dokumentiert werden kann. Um den Ausschussmitgliedern ausreichend Überlegungs- und Beratungszeit zu gewähren, ist eine Mindestfrist von zwei Werktagen zwischen Zugang und Entscheidung sicherzustellen. Für die Rückäußerung gelten die gleichen Möglichkeiten wie für die Übermittlung der Entscheidungsvorlage.

 

Begründung zu Artikel 2:

Der Hauptausschuss kann in den genannten Fällen an Stelle oder für die Bezirksversammlung Beschlüsse zu fassen. In diesen Fällen werden für die zur Vorbereitung erforderlichen Fraktionssitzungen entsprechend der zur Vorbereitung der ersetzten Bezirksversammlungssitzungen erforderlichen Fraktionssitzungen Sitzungsgelder an die Fraktionsmitglieder gezahlt, da die Sitzung des Hauptausschusses die der Bezirksversammlung ersetzt und eine Gleichbehandlung trotz der geringeren Anzahl von Mitgliedern des Hauptausschusses angezeigt erscheinen lässt.

 

 

2. Der Senat wird ersucht,

 

a. jenseits der Anwendung des Gesetzes gemäß Ziffer 1 zur verbesserten Gewährleistung der Öffentlichkeit von Sitzungen der Bezirksversammlungen und Hauptausschüssen (wenn diese anstelle der Bezirksversammlung tagen) künftig die technischen Möglichkeiten der Übertragung von Bezirksversammlungs- und Hauptausschusssitzungen (wenn diese anstelle der Bezirksversammlung tagen) per Video-Streaming zu unterstützen, wenn der Zugang der Öffentlichkeit zu entsprechenden Sitzungen (soweit diese weiterhin als Präsenz-Sitzungen stattfinden) aufgrund äußerer, nicht kontrollierbarer Umstände erschwert oder ausgeschlossen ist.

b. praktische Handreichungen für das Video-Streaming gemäß diesem Ersuchen (insbesondere zur Einhaltung des Datenschutzes) zu erarbeiten und den Bezirksversammlungen zur Verfügung zu stellen.

c. die Bezirksämter und ihre Gremien bei der Umsetzung der Maßnahmen nach Kräften zu unterstützen und der Bürgerschaft vor der Sommerpause zu den Fortschritten zu berichten.

 

sowie
  • der Abgeordneten Anna Gallina
  • Maryam Blumenthal
  • Eva Botzenhart
  • Gerrit Fuß
  • René Gögge
  • Michael Gwosdz
  • Britta Herrmann
  • Sina Imhof
  • Jennifer Jasberg
  • Lisa Kern
  • Dominik Lorenzen
  • Lena Zagst (GRÜNE) und Fraktion