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Beschleunigter Klimaschutz in Gebieten mit städtebaulicher Erhaltungsverordnung

Donnerstag, 19.09.2024

Hamburg setzt sich mit dem novellierten Hamburger Klimaschutzgesetz das Ziel, bis 2030 die Treibhausgasemissionen der Stadt im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent zu senken. Dabei stellen Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor einen großen Hebel dar, um effektiv Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Neben der Ausweitung der Windenergieerzeugung nimmt beispielsweise der Ausbau von Photovoltaik (PV)-Anlagen auf Hamburgs Dächern eine zentrale Rolle bei der Erhöhung der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten ein. In § 2 des EEG 2023 wurde gesetzlich verankert, dass die Errichtung und der Betrieb von erneuerbaren Energieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse sind und der öffentlichen Sicherheit dienen. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.

Aber auch Maßnahmen wie der Tausch einer Gastherme gegen eine Wärmepumpe mit entsprechenden Heizkörpern führen zu einer besseren Klimabilanz im Bestand. Selbiges gilt für Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung, etwa einer Fassaden- oder Dachdämmung. Ein weiterer Aspekt des Klimaschutzes – und auch der Gesundheitsvorsorge – ist die Vermeidung von sommerlichen „Hitzeinseln“ im Stadtraum, die gerade in eng bebauten und grünarmen Quartieren leicht entstehen können. Bäume, Sträucher aber auch begrünte Fassaden können Abkühlungseffekte erzeugen und dienen obendrein dem Erhalt der Biodiversität, indem sie Lebensraum und Unterschlupf für Insekten und Vögel bieten. Bei der praktischen Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen tritt jedoch immer häufiger das Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des Klimaschutzes im Gebäudebereich und dem Erhalt städtebaulicher Qualität und Schutz einzelner Gebäude aus kulturellen oder historischen Gründen zu Tage. Zur Bewahrung der charakteristischen Eigenheiten des Stadtbildes gibt es in Hamburg aktuell 21 Gebiete mit einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BauGB. Diese Gebiete dienen dem Erhalt der städtebaulichen Eigenart der Quartiere, wie beispielsweise eine gründerzeitliche Bebauung oder andere besondere städtebauliche Strukturen. Allein in Hamburg Nord umfassen diese Gebiete eine Fläche von 684 Hektar, was etwa 15 Prozent der bebaubaren Bezirksfläche entspricht.

Bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Klimaschutz, wie beispielsweise der Durchführung einer energetischen Sanierung, der Installation einer PV-Anlage, die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung dezentraler Wärme (z. B. Wärmepumpen) oder Begrünungsvorhaben, stellt sich für Eigentümer*innen von unter Schutz gestellten Gebäuden die Frage, wie diese mit den Vorgaben der städtebaulichen Erhaltungsverordnungen in Einklang gebracht werden können. In Gebieten mit städtebaulicher Erhaltungsverordnung muss für bauliche Veränderungen eine Genehmigung des zuständigen Bezirksamts eingeholt werden. Die Entscheidung, ob eine Maßnahme mit den Vorgaben der Unterschutzstellung vereinbar ist oder nicht, ist in Hamburg bisher eine Einzelfallentscheidung. Dieses Vorgehen soll durch die amtsseitige Bereitstellung von einheitlichen Informationen zur Durchführung von genehmigungsfähigen Klimaschutzmaßnahmen in Gebieten mit städtebaulicher Erhaltungsverordnung weiter vereinfacht werden.

Auch für Begrünungsmaßnahmen gilt es, ein Verfahren zu etablieren, das die Substanz der zu schützenden Quartiere weitestgehend erhält und dennoch zeitgemäße Klimaschutzmaßnahmen ermöglicht.

Bisher veröffentlichen nur wenige Bezirke mit städtebaulichen Erhaltungsverordnungen Leitfäden, in denen dargelegt wird, unter welchen Rahmenbedingungen beispielsweise PV-Anlagen genehmigungsfähig sind. Erst durch eine transparente Darlegung dieser Informationen können Maßnahmen so geplant werden, dass sie den vorgegebenen Kriterien entsprechen. Dies spart Geld auf Seite der Eigentümer*innen und beschleunigt den Prozess auf Behördenseite. PV-Anlagen auf der straßenabgewandten Dachseite beeinträchtigen beispielsweise das öffentliche Stadtbild nicht und sollten daher regelmäßig genehmigt werden. Selbiges gilt für Stadtgebiete, in deren Erhaltungsverordnung die Dachgestalt nicht als für das Stadtbild bedeutsam herausgestellt wird.

Dass Schutzinstrumente für den Erhalt von kulturell wertvollem Gebäudebestand grundsätzlich mit Maßnahmen zum Klimaschutz vereinbar sind und eine erhöhte Planungssicherheit zu mehr Klimaschutz im Gebäudebestand führen kann, zeigen Beispiele aus anderen Bundesländern. In Hessen hat das Ministerium für Wissenschaft und Kunst kürzlich eine Richtlinie für Denkmalbehörden im Hinblick auf die Genehmigung von Solaranlagen an bzw. auf Kulturdenkmälern erlassen. Ziel der Richtlinie ist die Herstellung von genehmigungsfähigen Anträgen nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz als Beitrag zur erfolgreichen Durchführung der Energiewende.

Hamburg sollte als Stadt, die bei Klimaschutz und Energiewende vorangeht, auch in diesem Spannungsfeld eine Vorreiterrolle einnehmen und Bürger*innen Handlungsleitfäden zur Verfügung stellen, in denen klar kommuniziert wird, unter welchen Bedingungen Klimaschutzmaßnahmen an oder auf Gebäuden, die in Gebieten mit städtebaulicher Erhaltungsverordnung stehen, grundsätzlich genehmigt werden. Durch bessere Informationsbereitstellung und Transparenz wird die Vereinbarkeit von Anforderungen zum Schutz städtebaulich bedeutsamer Gebäude und Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen, erleichtert und mehr Planungssicherheit gewährleistet.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

 

1. zu prüfen, wie in Gebieten mit städtebaulicher Erhaltungsverordnung erreicht werden kann, dass die Zulassung von Photovoltaikanlagen, energetischen Sanierungsmaßnahmen sowie Anlagen zur Erzeugung dezentraler Wärme an Gebäuden (z. B. Wärmepumpen in Vorgärten) beschleunigt werden kann, insbesondere, indem für Bürger*innen klare und einheitliche Vorgaben zur Zulässigkeit der Anlage und Gestaltungsmöglichkeiten gemacht werden,

2. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen auch in Gebieten mit städtebaulichen Erhaltungsverordnungen nicht ausgebremst, sondern explizit befördert werden. Dies kann erreicht werden durch die Schaffung einer kommunalen Freistellungsmöglichkeit entsprechend § 144 Abs. 3 BauGB,

3. die Ergebnisse der Prüfung unter Ziffer 1 nach einem Zeitraum von 18 Monaten zu evaluieren,

4. der Bürgerschaft bis 28. Februar 2025 zu berichten.

 

sowie
  • Johannes Alexander Müller
  • Eva Botzenhart
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Sonja Lattwesen
  • Dominik Lorenzen
  • Zohra Mojadeddi
  • Andrea Nunne
  • Lisa Maria Otte
  • Ulrike Sparr
  • Charlotte Stoffel (GRÜNE) und Fraktion