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Einen fiktiven CO2-Preis bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen berücksichtigen

Donnerstag, 18.11.2021

Umweltschäden und Klimafolgen bedeuten enorme langfristige Kosten für die Allgemeinheit und die öffentliche Hand. Sie werden jedoch nur selten in Kosten-Nutzen-Analysen betrachtet. Dabei lassen sie sich quantifizieren und monetär ausdrücken. Über CO2-Preise können zuvor externalisierte Umweltkosten internalisiert werden, also den Verursachern zugeordnet werden. Folglich sind CO2-Preise wirkungsvolle Steuerungsinstrumente für die Ökologisierung der Wirtschaft. Um die Klimarelevanz von Projekten oder einzelnen Planungsvarianten einschätzen zu können, muss ein angemessener CO2-Preis festgelegt werden. Neben einem CO2-Marktpreis gibt es das Instrument eines fiktiven CO2-Preises – auch CO2-Schattenpreis genannt –, um bei Projekten den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert zu beurteilen. So werden zukünftige Kosten – sogenannte CO2-Schadenskosten – eingepreist, die in den Marktpreisen noch nicht enthalten sind.

Gerade bei städtischen Projekten mit langer Laufzeit ist die Einführung eines fiktiven CO2-Preises als Ergänzung zum aktuellen Marktpreis sinnvoll, um die Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Projekte hervorzuheben. In einer klassischen Kosten-Nutzen-Analyse ohne Schattenpreis erscheinen diese nachhaltigen Projekte vergleichsweise unwirtschaftlich. Infolge belasten höhere CO2-Emissionen dann die Bilanz der Stadt und alle verlieren an Umweltqualität.

Mit einem fiktiven CO2-Preis für alle Verwaltungsaktivitäten wird es einfacher, weniger CO2-intensive Produkte und Verfahren zu bevorzugen. Dieser Schattenpreis soll insofern technisch möglich und sinnvoll bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen angewandt werden, um CO2-bedingte Folgekosten von Projekten frühzeitig und insbesondere bereits im Planungsprozess zu veranschaulichen sowie nachhaltige Planungsentscheidungen zu ermöglichen.

Eine der zu klärenden Fragen bei der Einführung eines fiktiven CO2-Preises betrifft die Ermittlung der genauen Höhe des Preises. Hierbei kann man sich an den Studien des Umweltbundesamtes orientieren, das zurzeit empfiehlt, rund 201 Euro pro Tonne Kohlendioxid (t CO2) zu verwenden (1 Prozent Zeitpräferenzrate), um die tatsächlichen Auswirkungen des CO2-Austoßes abzubilden.

Daneben gilt es zu klären, wie bei jedem Projekt die genauen Mengen an CO2, die im gesamten Produktionsprozess der einzelnen Produkte für z. B. ein Bauvorhaben anfallen, zu bestimmen sind. Ebenso ist nicht immer klar, wie viele CO2-Emissionen im Lebenszyklus eines Projektes insgesamt anfallen. Dies könnte zu Schwierigkeiten bei Vergabeverfahren führen, da hier eine objektive und nachvollziehbare Beschreibung notwendig ist, um die Anforderungen des Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgebots sowie des Diskriminierungsverbotes zu erfüllen. Zudem könnte es teils für Bieter-Unternehmen einen sehr großen Aufwand bedeuten, die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung eines Produktes entstehen, zu berechnen. Dies gilt umso mehr, da noch nicht für alle Prozesse etablierte Berechnungsverfahren zur Ermittlung der CO2-Emissionen vorliegen. Aufgrund dieser fachlichen und rechtlichen Herausforderungen bei der Einführung eines CO2-Schattenpreises für einzelne Projekte bedarf es weiterer praktischer Erfahrungen.

Daher bietet es sich an, das Verfahren der CO2-Einpreisung transparent anhand sowohl eines aktuellen, städtischen Bauprojekts als auch eines Projektes aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich in Hamburg durchzuführen. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen mit zwei Pilotprojekten kann eine Evaluation über die Vorteile und noch bestehenden Probleme bei der Einführung eines CO2-Schattenpreise erfolgen, aus der sich auch ergibt, inwieweit es sinnvoll ist, zukünftig im Rahmen von städtischen Projekten einen fiktiven CO2-Preis bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen einzuführen.

 

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. ein städtisches Bauprojekt und ein städtisches Beschaffungsvorhaben, das den Liefer- und Dienstleistungsbereich betrifft, auszuwählen und bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit ergänzend auch einen fiktiven CO2-Schattenpreis bei den Lebenszykluskosten einzuberechnen. Es soll geprüft werden, ob die Berücksichtigung des CO2-Schattenpreises im Rahmen der Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots dazu führt, dass im Ergebnis klimafreundliche Produkte und Planungen den Zuschlag erhalten. Dabei ist der vom Umweltbundesamt empfohlene Wert von 201 Euro pro Tonne Kohlenstoffdioxid anzusetzen.

2. zu prüfen, inwieweit ein fiktiver CO2-Preis regelhaft bei Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand einbezogen werden könnte.

3. der Bürgerschaft über die gewonnenen Erkenntnisse bei der Berücksichtigung eines fiktiven CO2-Preises bis zum 31.12.2023 zu berichten.