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Förderung und Unterstützung von nachhaltigen Sozialunternehmen und sozial-innovativen Neugründungen in Hamburg

Mittwoch, 02.06.2021

Unter „Sozialunternehmen“ versteht die EU-Kommission Unternehmen, für die das soziale oder gesellschaftliche, gemeinnützige Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt. Dies äußert sich oft in einem hohen Maße an sozialer Innovation, deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses soziale Ziel zu erreichen. Darüber hinaus spiegeln ihre Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse dieses Ziel wider, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.

Die Geschäftsführungen der Sozialunternehmen in Deutschland sind mit 52,7 Prozent mehrheitlich weiblich. Mit 60,3 Prozent ist der Frauenanteil in der gesamten Belegschaft sogar noch größer. Vergleicht man den Frauenanteil in den Geschäftsführungen der Sozialunternehmen mit den Führungspositionen anderer Organisationsformen, zeigt sich ein klarer Unterschied. So liegt der Anteil der Gründerinnen in der deutschen Startup-Welt bei 15,9 Prozent und im Bereich der allgemeinen Existenzgründungen bei 36 Prozent.

 

Viele Sozialunternehmen leben Werte wie Inklusion, Diversität und Partizipation in ihrem Organisationsalltag vor. Im Vergleich zu den 4,1 Prozent im Bundesdurchschnitt der Privatunternehmen, beschäftigen 30,6 Prozent der Sozialunternehmen Menschen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen. Die Einbindung der Mitarbeiter*innen in die Entscheidungsfindung der Organisation repräsentiert einen weiteren wichtigen Aspekt der sozialunternehmerischen Organisationsführung. Knapp drei Viertel der Sozialunternehmen binden ihre Mitarbeiter*innen stark oder sehr stark in die Entscheidungsfindung der Organisation ein.

 

Laut Europäischer Kommission steckt hinter jeder vierten Gründung in Europa ein Sozialunternehmen. Ashoka und McKinsey schätzen allein das jährliche finanzielle Potenzial bei den gut 70 Sozialunternehmen im Ashoka-Netzwerk auf 18 Milliarden Euro, die sich zum Beispiel auch durch mögliche volkswirtschaftliche Einsparungen im Rahmen von innovativen Lösungen ergeben können. Mit Entrepreneurs for Future und der Gründung der Bundesinitiative Impact Investing haben sich flankierende Kooperationspartner*innen dazu aufgemacht, eine neue soziale, wertorientierte und nachhaltige Wirtschaftsvision für Deutschland umzusetzen. Im Social Entrepeneurship Netzwerk Deutschland haben sich seit 2017 inzwischen rund 600 Social Entrepreneure und wirkungsorientierte Sozialunternehmen zusammengeschlossen, um für mehr Sichtbarkeit und Unterstützung zu werben.

Sozialunternehmen/Social Entrepreneurs sind wichtige Antreiber*innen der ökologischen und sozialen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Mit ihren am Gemeinwohl orientierten Gescha?ftsmodellen und Initiativen eröffnen sie neue Wege, die digitalen, sozialen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen. Sozialunternehmen sind somit keine Randerscheinung, sondern ein ernst zu nehmender Trend, denn nach Einschätzung des Bundesverbands Deutscher Startups ordnen sich 38 % der befragten Start-Ups in die Kategorie Social Entrepreneurship ein.

 

Die Ergebnisse internationaler Studien wie „The best Countries to be a Social Entrepreneur“ oder „Social Enterprises and their Ecosystems in Europe - Country Report Germany“ machen deutlich, dass uns andere Länder in diesem auch in der Gesellschaft an Bedeutung gewinnenden Bereich inzwischen weit voraus sind. Im Vergleich zu einigen unserer Nachbarländer fehlt es in Deutschland an einer finanziellen Infrastruktur für soziale Innovationen. So hat die Regierung in Großbritannien die digital-soziale Innovationsstiftung nesta mit 500 Millionen Pfund ausgestattet und über den Dachfonds Big Society inzwischen über 2 Milliarden Pfund mobilisiert. Auch in Frankreich wurden durch das Engagement der Regierung bereits mehrere hundert Millionen Euro an Impact Investing mobilisiert und sollen binnen fünf Jahren auf eine Milliarde Euro steigen.

 

Laut einer im Jahr 2020 erschienenen Studie des Deutschen Social Entrepreneurship Monitors (DSEM) arbeiten

• 19,4 Prozent der Sozialunternehmen in Berlin,

• 14,2 Prozent in NRW,

• 12,3 Prozent in Baden-Württemberg

• und 11,8 Prozent in Bayern.

• In Hessen sind es 12,6 Prozent, in Hamburg 11,2 Prozent und in Sachsen 4,2 Prozent.

In allen anderen Bundesländern sitzen jeweils unter 2,0 Prozent der DSEM-Social-Entrepreneurship-Organisationen.

Am Beispiel Berlins sieht man die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit lokaler und regionaler Verwaltung für eine dynamische Entwicklung des sozialunternehmerischen Sektors. Berlin gilt dank neuer Initiativen zur lokalen Förderung, wie das durch den Berliner Senat finanzierte Projekt „Social Economy Berlin“, sowie der weiteren Öffnung bestehender Förderinstrumente und dem Aufbau eines eigenen Impact VC-Fonds über 30 Millionen Euro als globaler Hotspot für Social Entrepreneurship.

Erfreulicherweise rückt die Förderung von Social Entrepreneurship immer häufiger auf die Agenda von Ländern und Kommunen. So wurde mit dem „Sozialinnovator Hessen“ die erste landesweite Förderung von sozialen Gründer*innen ins Leben gerufen. Darüber hinaus haben die Wirtschaftsförderungen in Hannover, Dortmund, Bremen und Mannheim Programme zur Beratung und Förderung von Social Enterprises aufgesetzt. Auch die Bundesregierung hat erkannt, wie wichtig Social Entrepreneurship ist: Im Mai 2020 nahm der Bundestag einen Antrag zur gesteigerten Förderung von Social Entrepreneurship an.

 

Auch die Freie und Hansestadt Hamburg kann und soll eine führende Position einnehmen, wenn es darum geht, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern und anzuziehen sowie bahnbrechende Lösungen zu finden und zu verankern, die systemische Antworten auf gesamtgesellschaftliche Herausforderungen geben.

Die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD setzen sich dafür ein, Sozialunternehmen und soziale Neugründungen in Hamburg zu fördern und Hamburg zu einem weltweiten Leuchtturm für soziale, innovative und ökologisch-nachhaltige Belange zu entwickeln.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen

 

Der Senat wird ersucht,

1. eine „Social-Entrepreneurship-Strategie“ auszuarbeiten, welche die bisherigen und zukünftigen Maßnahmen zur Stärkung von Sozialunternehmen in Hamburg zusammenfasst und nachvollziehbar aufzeigt, inwiefern Hamburg Sozialunternehmen und gesellschaftliche Innovationen fördern und unterstützen wird,

2. mit etablierten Hamburger NGO’s, Sozialunternehmen und Impact-StartUps in Kontakt zu treten und den Aufbau eines Hamburger Netzwerks für Sozialunternehmen zu prüfen,

3. die Vernetzung der hamburgischen und überregionalen Venture Philantrophy und Stiftungslandschaft mit der bereits bestehenden Startup-Förderung zu intensivieren,

4. zu prüfen, ob Accelerator- und Incubator-Programme für Sozialunternehmen möglichst in Zusammenarbeit von Universitäten und Wirtschaft initiiert werden können,

5. zielgruppenspezifische Finanzierungsinstrumente für Sozialunternehmen zu entwickeln, dazu die Programme der klassischen Gru?ndungs- und Innovationsfinanzierung der IFB Hamburg auszuweiten und zu pru?fen, inwiefern eigene Finanzierungsinstrumente fu?r die speziellen Anforderungen von auf nachhaltige Ziele und Social Impact ausgerichteten Unternehmen erforderlich sind und zusammen mit allen Stakeholdern zu eruieren, wie gut zugänglich die Programme in der Praxis sind,

6. im Zuge der Umsetzung der Social-Entrepreneurship-Strategie der Freien und Hansestadt Hamburg Ressourcen bereitzustellen, um die strategische Förderung sozialer Unternehmen sowie die Best Practices Hamburgs in geeigneten Formaten einer breiteren Stadtöffentlichkeit bekannter zu machen,

7. der Bürgerschaft über die Hamburger Social Entrepreneurship-Strategie im 4. Quartal 2021 zu berichten.

sowie
  • der Abgeordneten Zohra Mojadeddi
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Alske Freter
  • Gerrit Fuß
  • Dominik Lorenzen
  • Farid Müller
  • Johannes Müller
  • Andrea Nunne
  • Lisa Maria Otte
  • Dr. Miriam Putz
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Ulrike Sparr (GRÜNE) und Fraktion