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Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Antiziganismus und zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe der Sinti:zze und Rom:nja in Hamburg

Mittwoch, 15.09.2021

Hamburg ist eine Stadt der Vielfalt. Sinti:zze und Rom:nja gehören dazu. Sie leben schon seit vielen Jahrhunderten in Hamburg. Ebenso lang ist ihre Verfolgungsgeschichte. Diskriminierung und Verfolgung gipfelten in der NS-Zeit im Genozid an den europäischen Sinti:zze und Rom:nja. In Hamburg wurden 90 Prozent der hier lebenden Sinti:zze und Rom:nja deportiert und ermordet. Erst im Jahre 1982 – 37 Jahre nach Kriegsende! – erkannte die Bundesregierung offiziell an, dass es den Genozid an Sinti:zze und Rom:nja überhaupt gegeben hat. Die symbolische Entschädigung für deutsche Sinti:zze und Rom:nja durch die Stiftung für NS-Verfolgte kam für viele der in der Zwischenzeit verstorbenen Opfer zu spät. Das Gedenken an die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti:zze und Rom:nja Europas hat erst seit 2012 mit dem zentralen Denkmal in Berlin einen Ort.

Antiziganismus ist Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Auch fehlt es an einem ausreichendem Bewusstsein für und der Wahrnehmung der Diskriminierungen von Sinti:zze und Rom:nja in einer Vielzahl von Lebensbereichen. Diese drückt sich u. a. auch darin aus, dass Hasskrimininalität zu antiziganistischen Straftaten erst seit 2017 in der bundesweiten Statistik zu politisch motivierter Kriminalität erfasst wird. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein.

Anfang Juni 2021 wurde der Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, der vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegeben wurde, vorgestellt. Diese empfiehlt der Bundesregierung, eine:n Beauftragte:n gegen Antiziganismus zu berufen und eine ständige Bund-Länder-Kommission zu schaffen, um die Arbeit gegen Antiziganismus auf höchster Ebene politisch zu verankern. Eine Kommission zur Aufarbeitung des an Sinti:zze und Rom:nja begangenen Unrechts soll eingesetzt werden. Sie soll die Wahrheit über das begangene und bis heute fortdauernde Unrecht bekannt machen, die Verantwortung benennen und konkrete Schritte festlegen, um nachholende Gerechtigkeit herzustellen und in einen gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess einzutreten. Eine umfassende Strategie gegen Antiziganismus soll erarbeitet werden, um einen grundlegenden Perspektivwechsel in der Gesellschaft zu erreichen, der die Relevanz von Antiziganismus anerkennt und die damit zusammenhängenden strukturellen und institutionellen Verhältnisse kritisch reflektiert und zu überwinden versucht und Sinti:zze und Rom:nja gesellschaftliche Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglicht.

 

Die Forderung der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, einen Perspektivwechsel in der Bekämpfung von Antiziganismus und der gleichberechtigten Teilhabe von Sinti:zze und Rom:nja vorzunehmen, deckt sich in weiten Teilen mit dem auf der europäischen Ebene eingeleiteten Strategiewechsel. Nach dem Ende der EU-Romastrategie 2011-2020 setzt der neue strategische Rahmen der EU, der für 2020-2030 Gültigkeit haben wird, ebenfalls auf die zentralen Ziele „Gleichstellung, soziale Inklusion und Partizipation“.

 

Hamburg hat sich an der bisherigen EU-Romastrategie mit vielen Projekten und Vorhaben aktiv beteiligt. Im Kontext der Diskussion auf EU- und Bundesebene wird Hamburg dies in Zusammenarbeit mit den Vereinen und Selbstorganisationen der Sinti:zze und Rom:nja und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteueren zu einer umfassenden Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Antiziganismus und zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe der Sinti:zze und Rom:nja weiterentwickeln.

 

 

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. in Umsetzung des neuen strategischen Rahmens der EU-Romastrategie und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Unabhängigen Kommission Antiziganismus die öffentliche Wahrnehmung und die Gewährleistung gleicher Teilhabe der rechtlich geschützten Minderheit der deutschen Sinti:zze und Rom:nja zu verbessern und hierbei auch die Zivilgesellschaft einzubeziehen.

 

2. den Beispielen aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bremen folgend in Zusammenarbeit mit den Vereinen und Selbstorganisationen der Sinti:zze und Rom:nja eine gemeinsam getragene Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Antiziganismus und zur Förderung der gleichberechtigen Teilhabe der Sinti:zze und Rom:nja in Hamburg zu entwickeln und hierbei insbesondere die Lebensbereiche Sprache und Kultur, Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Gleichstellung aufzunehmen.

 

3. dabei die Einbindung dieser Gesamtstrategie in die Strategien des Senats zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antidiskriminierung sicherzustellen.

 

4. im Rahmen der Erinnerungskultur an die Verbrechen des Naziregimes die Beteiligung der Verbände weiterzuentwickeln,

 

5. die Bürgerschaft regelmäßig über den Fortgang des Prozesses zu unterrichten, erstmals zum 30.06.2022.

 

sowie
  • Filiz Demirel
  • Maryam Blumenthal
  • Sina Demirhan
  • Mareike Engels
  • Michael Gwosdz
  • Britta Herrmann
  • Linus Jünemann
  • Christa Möller-Metzger
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion Metin Kaya
  • Sabine Boeddinghaus
  • Cansu Özdemir
  • David Stoop
  • Heike Sudmann (DIE LINKE) und Fraktion