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Koalitionsvertrag 2021:Für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht

Mittwoch, 27.04.2022

Die Parteien SPD und Grüne setzen sich seit langem für einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik ein, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird. Der Koalitionsvertrag der Bundesparteien SPD, Grüne und FDP vom 13.12.2021 zeigt diesen neuen Weg nun auf. Es wird einen Paradigmenwechsel geben, bei dem die Integrationsmöglichkeiten der Zugewanderten deutlich verbessert und gefördert und Einbürgerungen erleichtert werden. Der Koalitionsvertrag ist in diesen Punkten sehr deutlich und benennt die Gesetzesänderungen bereits sehr konkret. Dies begrüßen wir ausdrücklich, denn es werden jetzt endlich viele Maßnahmen umgesetzt, die die Lebenswirklichkeit der Menschen berücksichtigen und ihre Situation deutlich verbessern.

Der Koalitionsvertrag der Ampel enthält viele langjährige Forderungen der Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen, die nun endlich gesetzlich verankert werden können. Insbesondere die Erleichterungen für die Gastarbeitergeneration sehen wir als klares Zeichen der Anerkennung der Lebensleistung dieser Menschen an, die vor langer Zeit nach Deutschland und nach Hamburg kamen und in den letzten Jahrzehnten den Wohlstand hier mit aufgebaut haben. Ohne diese Gastarbeiter:innen wäre der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands in so kurzer Zeit gar nicht möglich gewesen. Niemand hat damals erwartet, dass so viele von ihnen bleiben würden, sie selbst nicht und – nachträglich betrachtet – erst recht nicht das Land, in das sie einwanderten. Aber sie schlugen Wurzeln, blieben und holten ihre Familien nach. Die Integration dieser Menschen stand lange Zeit nicht im Fokus von Gesellschaft und Politik, vielmehr wurden die Gastarbeiter:innen lediglich als vorübergehende Arbeitskräfte gesehen. Das änderte sich erst sehr spät und sehr zögerlich. Die erste Generation hatte es besonders schwer, ihren Platz zu finden. Für sie gab es keine Unterstützung, keine Integrationskurse und keinen Deutschunterricht. Viele von ihnen lernten mühsam gerade so viel Deutsch, dass sie ihr Arbeits- und Alltagsleben bewältigen konnten. Aus diesem Grund hatten und haben viele Einwanderer:innen der ersten Generation mit dem Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse ein Problem bei der Einbürgerung (§ 10 Abs. 1 Nr. 6 StAG) oder bei der Erlangung einer Niederlassungserlaubnis (unbefristeter Aufenthaltstitel, Sprachkenntnisse § 9 Abs. 2 Nr. 7 Aufenthaltsgesetz).

Der Koalitionsvertrag sieht nun vor, das Staatsbürgerschaftsrecht diesen Lebensverhältnissen anzupassen, bürokratische Hürden abzubauen und besondere Integrationsleistungen zur Voraussetzung für verkürzte Fristen vorzusehen. Das ist gerecht und zeitgemäß, fördert das gesellschaftliche Zusammenleben und hebt die Integrationsbereitschaft noch einmal als besondere Voraussetzung hervor.

Einbürgerungen sollen bereits nach fünf Jahren ermöglicht werden, bei besonderen Integrationsleistungen soll die Frist auf drei Jahre verkürzt werden können. Der Erwerb der Niederlassungserlaubnis soll nach drei Jahren möglich sein, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern werden mit ihrer Geburt deutsche Staatsbürger:innen, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Für zukünftige Generationen soll geprüft werden, wie sich ausländische Staatbürgerschaften nicht über Generationen vererben.).

Die Situation der Gastarbeitergeneration soll dadurch berücksichtigt werden, dass die Hürden zur Erlangung des Sprachtests abgesenkt werden. Zudem wird eine allgemeine Härtefallregelung für den erforderlichen Sprachnachweise geschaffen und das Einbürgerungserfordernis der „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ durch klarere Kriterien ersetzt, um die bisherigen bürokratischen Schwierigkeiten auszuräumen.

Wir sehen diese Reformen als einen wichtigen und richtigen Schritt, um den Lebensverhältnissen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Möglichkeiten in diesen Biografien gerecht zu werden. In diesem Kontext ist auch die zukünftige Ermöglichung der Mehrfachstaatsangehörigkeit zu sehen, die bisher nur in Ausnahmefällen erlaubt ist. Das Erfordernis der Entscheidung gegen die Nationalität der Eltern und Großeltern hat bisher viele Menschen den Schritt zur Einbürgerung und damit zum offiziellen Bekenntnis zur deutschen Gesellschaft nicht oder nur schweren Herzens gehen lassen. Zukünftig soll die Entscheidung für die deutsche Identität nicht mehr die Abkehr von dem Herkunftsland der Eltern bedeuten.

Die Einbürgerung von gut integrierten Migranti:nnen war und ist uns ein zentrales Anliegen. Die Einbürgerung bietet die besten Voraussetzungen für eine rechtliche Gleichstellung und gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft von Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Dass auch vielen Migrant:innen die Einbürgerung sehr wichtig ist hat die große Resonanz auf die Einbürgerungskampagne des Senats gezeigt, die 2011 gestartet worden ist. Hier wurde deutlich, dass die Integrationsbereitschaft hoch ist und ein großer Teil der Migrant:innen sich längst als Teil unserer Gesellschaft fühlt und dies mit der Einbürgerung auch offiziell manifestieren will.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Die Bürgerschaft begrüßt die im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien angekündigte Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ausdrücklich und fordert den Senat auf,

1. das Gesetzgebungsverfahren für diese Reform des Staatsangehörigkeitsrechts konstruktiv zu begleiten und zu unterstützen,

2. sich auf Bundesebene für die Einbürgerungen unter der Hinnahme von Mehrstaatigkeit insbesondere für die erste Generation von sog. „Gastarbeiter:innen“ einzusetzen.

3. Im Internet unter www.einbuergerung.hamburg.de insbesondere die neuen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Einbürgerung sowie die neuen Rahmenbedingungen des Einbürgerungsverfahrens darzustellen und

4. die Einbürgerungsinitiative des Senats „Hamburg. Mein Hafen. Deutschland. Mein Zuhause.“ wieder aufzugreifen und allen Hamburger:innen ohne deutschen Pass, die ihrer Aufenthaltsdauer nach möglicherweise die rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, ein persönliches Anschreiben des Ersten Bürgermeisters mit der Einladung, eine Einbürgerung zu beantragen und der Ermutigung, diesbezüglich ein Beratungsgespräch in Anspruch zu nehmen, zukommen zu lassen.

 

sowie
  • Filiz Demirel
  • Michael Gwosdz
  • Mareike Engels
  • Britta Herrmann
  • Linus Görg
  • Christa Möller-Metzger
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion