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Sicherung eines schlagkräftigen Schutzes der Persönlichkeitsrechte: Endlich Schutzlücken schließen und die Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen normieren

Mittwoch, 01.06.2022

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und dessen besondere Erscheinungsformen, wie unter anderem das Recht am eigenen Bild oder das Namensrecht, dienen sowohl dem Schutz ideeller als auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht leitet sich aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG her und bietet mithilfe unbenannter Freiheitsrechte einen umfassenden Schutz für die personelle Entfaltung. Um einen jeden Menschen so gut wie möglich schützen zu können, unterfällt das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Schutzkatalog des § 823 Abs. 1 Bundesgesetzbuch (BGB) als sogenanntes „sonstiges Recht“. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt nicht nur zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, sondern in besonders schwerwiegenden Fällen auch zu einem Anspruch auf Geldentschädigung. Doch was passiert mit diesem Anspruch auf Geldentschädigung, wenn der:die verletzte Anspruchsinhaber:in noch vor Auszahlung oder vor rechtskräftigem Urteil verstirbt?

Eigentlich gehen im Falle des Todes einer Person sämtliche ihrer Vermögenspositionen, Rechte und Ansprüche im Wege der sogenannten Universalsukzession auf die Erben über – der Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch nicht. Nach der derzeitigen Rechtslage ist der Geldentschädigungsanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung so lange unvererblich, bis der:die Schädiger:in rechtskräftig zur Zahlung verurteilt wurde. Hierbei ist es irrelevant, ob der Anspruch noch zu Lebzeiten der oder des Geschädigten bei Gericht anhängig oder sogar bereits erfolgreich erstinstanzlich geltend gemacht wurde – solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, führt der Tod von Geschädigten dazu, dass der:die Schädiger:in nichts zahlen muss (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2021 – VI ZR 258/18 [„Kohl-Protokolle“]).

Hierdurch entsteht eine Schutzlücke, die Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerade bei älteren und kranken Personen in nicht hinnehmbarer Weise sanktionslos zu stellen droht: Steht eine mögliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Streit, kann es sich aus Sicht der beklagten Partei lohnen, den Prozess so lange zu verzögern, bis die klagende Partei verstirbt. Wegen der Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs entgeht die Beklagtenseite dann jeglicher Zahlungspflicht.

Für eine solche Entlastung des:der Schädiger:in gibt es keinen überzeugenden Grund. Richtig ist zwar, dass die Rechtsprechung bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in erster Linie die Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung betont. Nach dem Tode kann der:die Verletzte diese Genugtuung nicht mehr erfahren; der Geldentschädigungsanspruch dient auch nicht der mittelbaren Genugtuung ihrer oder seiner Erben. Indes hat der Geldentschädigungsanspruch gerade auch eine präventive Wirkung; er soll auch dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag gerecht werden und vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen abschrecken. Entsprechend spielen für die Bemessung des Entschädigungsanspruchs in solchen Fällen – anders als nach den allgemeinen Regeln – auch die Vermögensverhältnisse des:der Schädiger:in eine Rolle, ebenso wie die Frage, ob und in welchem Umfang sie oder er durch das schädigende Verhalten Gewinn erzielen wollte. Diese abschreckende Wirkung kann der Geldentschädigungsanspruch indes dann nicht erzielen, wenn für den:die Schädiger:in abzusehen ist, dass das Opfer einen längeren Rechtsstreit voraussichtlich nicht überleben wird.

Der Gesetzgeber ist deshalb aufgerufen, dem in der Menschenwürde wurzelnden Schutz des Persönlichkeitsrechts insgesamt zu einer effektiveren Durchsetzung zu verhelfen. Immerhin sind mittlerweile auch die aus der Verletzung der höchstpersönlichen Schutzgüter des Lebens, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung – letztere als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – resultierenden Geldansprüche vererblich, obwohl auch diese nach wie vor eine Genugtuungsfunktion erfüllen sollen. Darüber hinaus hat Schmerzensgeld nach der Rechtsprechung eine Ausgleichsfunktion; diese soll

die:den Geschädigte:n vor allem in die Lage versetzen, die eingetretenen immateriellen Nachteile, das heißt vor allem die Einbuße an körperlichem und seelischem Wohlbefinden, durch Vorteile auszugleichen, die ihr bzw. sein Wohlbefinden erhöhen. Beide Funktionen erfüllen Geldansprüche nach dem Tode der oder des Geschädigten offensichtlich nicht mehr, ohne dass dies der Vererblichkeit von Schmerzensgeldansprüchen wegen höchstpersönlicher Rechtsgüter entgegenstünde. Vielmehr kommt hier – zu Recht – der allgemeine Grundsatz zum Tragen, dass einmal entstandene Vermögenspositionen, wie eben der auf Geld gerichtete Schmerzensgeldanspruch, im Todesfalle vollständig auf die Erben übergehen und nicht etwa erlöschen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist in den Katalog der „schmerzensgeldfähigen“ und vererblichen höchstpersönlichen Rechtsgüter des § 253 Absatz 2 BGB nur deshalb nicht aufgenommen worden, weil sich der Gesetzgeber zu einer umfassenden Regelung seines zivilrechtlichen Schutzes im Rahmen des damaligen Gesetzgebungsvorhabens nicht in der Lage sah (BT-Drucks. 14/7752, S. 25). Es ist an der Zeit, dieses Versäumnis nunmehr auszugleichen. Die Ungleichbehandlung von Schmerzensgeldansprüchen und der Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt zu einem Wertungswiderspruch und damit zu einer nicht nachvollziehbaren Schutzlücke insbesondere für alte und kranke Menschen, die die Gefahr birgt, dass gerade diese zur Zielscheibe ehrverletzender Aussagen und Handlungen werden.

Genau deshalb muss hier nachjustiert werden und das Schutzniveau bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angehoben werden, indem der Anspruch auf Geldentschädigung, ähnlich wie beim Schmerzensgeldanspruch, auf die Erben übergehen kann. Daher fordern wir eine bundesgesetzliche Regelung, die die Vererblichkeit eines Anspruchs auf Geldentschädigung aufgrund einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ermöglicht.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird ersucht,

 

1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes in geeigneter Weise gesetzlich vorgesehen wird, und

2. der Bürgerschaft bis 31.12.2022 zu berichten.

 

sowie
  • Lena Zagst
  • Eva Botzenhart
  • Alske Freter
  • Sina Imhof
  • Jennifer Jasberg
  • Lisa Kern
  • Lisa Maria Otte (GRÜNE) und Fraktion