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Wohnungsbau-Turbo sinnvoll in Hamburg nutzen

Mittwoch, 08.10.2025

Hamburg ist eine wachsende Stadt. Bezahlbares Wohnen bleibt daher eine der zentralen Fragen. Gleichzeitig gilt es, den Bedürfnissen der Wirtschaft nach geeigneten Arbeitsstätten zu entsprechen und die Stadtnatur zu schützen und zu verbessern. Alle drei Ziele sind für SPD und GRÜNE handlungsleitend. Mit einer zielgerichteten Wohnungsbauförderung von aktuell rund 900 Millionen Euro pro Jahr wird der Wohnungsbau in Hamburg passgenau unterstützt. Gleichzeitig wird die Qualität und auch Quantität von Stadtnatur in Hamburg erhöht und es wird den Bedürfnissen des Gewerbes und der Industrie Rechnung getragen. Im Sinne dessen nutzt Hamburg die rechtlichen Möglichkeiten im Baurecht für die Stadtentwicklung aus.

Das Bundeskabinett hat am 18. Juni den vom SPD-geführten Bauministerium vorgelegten Gesetzesentwurf „zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ (Bundestags-Drs. 21/781) beschlossen. Am 10. Juli wurde der Entwurf im Bundestag debattiert und an die Ausschüsse überwiesen. Auch der Bundesrat hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf am 11. Juli auf seiner Tagesordnung gehabt und dazu Stellung genommen. Am 10. September wurde sich im Bauausschuss des Bundestages im Rahmen einer Anhörung mit dem Gesetzesentwurf befasst. Die geplante Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) bietet wichtige potenzielle Möglichkeiten, unter anderem, um zügig neue Wohnungen zu errichten. Dabei bietet insbesondere der Wohnungsbau-Turbo in Form des neuen Paragrafen 246e im BauGB Chancen, schneller Wohnungen zu bauen.

Dieser Paragraf sieht eine Art Experimentierklausel vor, die u. a. den Gemeinden die Möglichkeit gibt, bei der Schaffung von Wohnungsbauflächen auf Bauleitplanverfahren zu verzichten. Der Paragraf soll befristet bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 gelten und zur Schaffung von Wohnraum Abweichungen vom Planungsrecht ermöglichen, wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der folgenden Vorhaben dient:

1. der Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes,

2. der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung zulässigerweise errichteter Gebäude, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird oder

3. der Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Eine Abweichung von Bauleitplänen ist dabei nur dann mit öffentlichen Belangen vereinbar, wenn sie unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien voraussichtlich keine zusätzlichen erheblichen Umweltauswirkungen hat.

Für Rot-Grün ist klar, dass dieser Paragraf Chancen bietet, die frühzeitig in Einklang mit gewohnten stadtplanerischen Handlungsmechanismen und berechtigten Interessen gebracht werden müssen. Dafür gilt es, die möglichen Potenzialflächen in den bezirklichen Wohnungsbauprogrammen zu identifizieren und auf die Praxistauglichkeit zu prüfen.

Da die Bezirksversammlungen auch bei der Anwendung des Bauturbos weiterhin das beschlussfassende Organ sind, wollen SPD und GRÜNE sie möglichst gut auf die Anwendung des Bauturbos vorbereiten. Ziel ist, dass sie den Bauturbo im Einklang mit den Zielen der Hamburger Wohnungsbaupolitik anwenden können. Dazu sollen Durchführungshilfen für die Bezirke und die dortige Legislative entwickelt werden, damit diese sowohl inhaltlich wie auch prozessual optimal vorbereitet sind. Da die Aushandlung von städtebaulichen Verträgen mit den Bauträgern in Zukunft eine noch gewichtigere Rolle spielen wird, um auch einzelfallbezogen städtebaulich bezogene Vorgaben wie beispielsweise zum Klimaschutz und Umweltschutz, zu Mobilitätskonzepten, zu sozialem Wohnungsbau, zur Schaffung von sozialer Infrastruktur zu vereinbaren, muss hierauf ein Hauptaugenmerk liegen. Durch Musterverträge, Schulungen, Workshops und Verfahrenshandreichungen soll sicherstellt werden, dass der Bauturbo effizient genutzt werden kann, um mehr (bezahlbaren) Wohnraum zu schaffen. Hamburg sieht sich der Umsetzung der Leipzig-Charta und dem Leitbild einer funktional durchmischten Stadt verpflichtet, in der Gewerbe und Wohnen nah beieinander existieren können. Dabei dienen die drei Dimensionen der Leipzig-Charta – die gerechte, die grüne und die produktive Stadt – als zentrale Orientierung für eine nachhaltige und ausgewogene Stadtentwicklung. Die Lösung von Nutzungskonflikten, insbesondere zwischen lärmverursachenden Gewerbebetrieben im Bestand und Wohnnutzungen, steht daher weiterhin im Fokus, um die Innenverdichtung stadtverträglich zu gestalten.

Hamburg hat als erstes Bundesland die Anwendung aller Instrumente des Baulandmobilisierungsgesetzes ermöglicht, in dem der Senat auf Antrag von Rot-Grün (Drs. 22/4790) am 13. Juli 2021 eine Rechtsverordnung zur Bestimmung von ganz Hamburg als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt erlassen hat, auf deren Grundlage u. a. erweiterte Befreiungsmöglichkeiten zugunsten des Wohnungsbaus gemäß § 31 Absatz 3 BauGB genutzt werden konnten, um bisher etwa 1.800 Wohnungen damit zu genehmigen. Ferner gilt in Hamburg seit November 2021 die „Verordnung über die Einführung einer Genehmigungspflicht für die Bildung von Wohneigentum nach § 250 Absatz 1 Satz 3 BauGB“. Damit ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in ganz Hamburg in allen Gebäuden mit mehr als fünf Wohneinheiten genehmigungspflichtig. Diese Genehmigungspflicht gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2025. Beide Verordnungen gilt es nach Inkrafttreten der BauGB-Novelle zu verlängern.

Klar ist: Wohnen ist ein Grundrecht und bezahlbares Wohnen hat in Hamburg Verfassungsrang. Hamburg setzt sich seit 2011 gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft im „Bündnis für das Wohnen“ für die Schaffung und den Erhalt von bezahlbarem Wohn-raum ein. Seit 2011 wurden bereits über 108.000 Wohnungen errichtet – darunter 30.493 geförderte Sozialwohnungen. Im vergangenen Jahr konnten 8.319 Wohnungen fertigstellt werden, davon mehr als 2.000 im geförderten Bereich. Das zeigt: Hamburg setzt sich mit aller Kraft für bezahlbaren und verfügbaren Wohnraum ein. Der Sozialwohnungsbestand ist stabil. Die Hamburger Wohnraumförderung ist passgenau. Die Novellierung des BauGB kann nun dabei helfen, weitere Potenziale zu identifizieren und zügig umzusetzen, um den Hamburger Wohnungsbaumotor am Laufen zu halten.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. gemeinsam mit den Bezirken zu prüfen, welche Flächen für mindestens 50 Wohneinheiten aus den bezirklichen Wohnungsbauprogrammen mit Hilfe des geplanten Bauturbos, insbesondere des geplanten neuen § 246e Baugesetzbuch (BauGB) beschleunigt für den Bau von mehrgeschossigen Wohngebäuden genutzt werden können; und wie hierbei die im bisherigen Verfahren erarbeiteten Planungsziele wie die Schaffung von sozialem Wohnraum, Umweltschutz, Bedarfe der Wirtschaft, Versorgung mit wohnungsnahen Parkanlagen und Spielplätzen, Mobilitätskonzepte, Vorgaben zur Bodenversiegelung usw. gewährleistet werden können;

2. gemeinsam mit den Bezirken Empfehlungen zu entwickeln, zu welchen unter 1. festgestellten Flächen praxisgerecht öffentliche Informationen gegeben werden;

3. um Bodenspekulation zu verhindern, die Möglichkeiten zur Etablierung einer Bauverpflichtung für Vorhaben, die mit dem Bauturbo beschleunigt wurden, zu prüfen und dieses bei positivem Ergebnis anzuwenden;

4. sich auf Bundesebene für eine Novelle der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm einzusetzen, welche zum einen mehr Spielräume für das Entstehen von Wohnungsbau im Umfeld von Gewerbe ermöglicht und gleichzeitig nicht nur das Gewerbe und die Industrie vor Verdrängung schützt, sondern auch dessen Entwicklung weiter ermöglicht;

5. eine Handreichung für die Bezirke zur rechtssicheren und u. a. stadtentwicklungs- und wohnungs- sowie wirtschafts- und umweltpolitisch sinnvollen Anwendung des § 246e BauGB und weiterer Aspekte des Bauturbos zu erarbeiten;

6. für die relevanten bezirklichen Ausschüsse (Planung und Bau) eine Schulungsmöglichkeit durch Vertretende der Fachbehörde (Fachplanung und Rechtsämter) zu gewährleisten, bei der die Mitglieder über die Unterschiede zwischen den jeweiligen Planungsverfahren informiert werden und die Beschäftigten der zuständigen Ämter in den jeweiligen Bezirken umfassend in der Anwendung des Bauturbos zu schulen;

7. die notwendigen Rechtsverordnungen zur Anwendung des Baulandmobilisierungsgesetzes (u.a. § 201a BauGB (Angespannter Wohnungsmarkt) und § 250 BauGB (Umwandlungsverbot)) in Hamburg nach Inkrafttreten der BauGB-Novelle zu verlängern;

8. dem Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft bis zum 30. Juni 2026 zu berichten.

 

 

sowie
  • Simone Dornia
  • Leon Alam
  • Lisa Kern
  • Miriam Block
  • Eva Botzenhart
  • Rosa Domm
  • Mareike Engels
  • Alske Freter
  • Michael Gwosdz
  • Sina Imhof
  • Jennifer Jasberg
  • Dominik Lorenzen
  • Melanie Nerlich
  • Lisa Maria Otte
  • Parica Partoshoar
  • Dennis Paustian-Döscher
  • Dr. Selina Storm
  • Kathrin Warnecke
  • Lena Zagst (GRÜNE) und Fraktion