zu Drs. 22/18003: Ergänzungen bei der Härtefallregelung im Hamburgischen Grundsteuergesetz für den durch das Tidehochwasser gefährdeten Bereich im Tidegebiet der Elbe
Montag, 17.02.2025
Das Hamburgische Grundsteuergesetz ist auf Basis umfangreicher Beteiligungen in einem Werkstattverfahren mit allen relevanten Kammern und Verbänden sowie umfassender parlamentarischer Beratungen zuletzt mit dem zweiten Gesetz zur Änderung der kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften (Drs. 22/16557) geändert worden – immer mit der Maßgabe der Aufkommensneutralität im Gesamtaufkommen sowie in den Bereichen Wohnen und Nicht-Wohnen und der Zusage, dass nach Einführung diese Aufkommensneutralität auch rückwirkend sichergestellt bleibt. Nunmehr sind die Vorbereitungen für die Umsetzung der Reform, die viel Zustimmung in Hamburg erhalten hat und vom Finanzgericht Hamburg in erster Instanz als verfassungskonform bewertet wurde, nahezu abgeschlossen: Alle Steuerpflichtigen können sich auf die erste Fälligkeit am 30. April 2025 gut vorbereiten und haben hierzu umfassende Informationen erhalten; sie können sich auf Basis einer Berechnungshilfe darauf einstellen, was sie erwartet. Sie können u. a. prüfen, ob noch Fehler korrigiert werden müssen, die Wohnlage korrekt eingestuft ist oder ob sich im Einzelfall doch eine finanzielle Mehrbelastung ergibt, die eine Beantragung von Wohngeld bzw. Lastenzuschuss erforderlich macht. Die Steuerverwaltung hat eine umfassende Härtefallregelung im aktualisierten Anwendungserlass kommuniziert, die echte Äquivalenzstörungen abfedern kann. Dazu ist auch mit relevanten Stakeholdern über besondere Problemlagen gesprochen worden, um solche Sachverhalte auch präzise analysieren zu können. Dabei hat sich im Hafengebiet, konkret im durch das Tidehochwasser gefährdeten Tidegebiet der Elbe, eine Problemlage ergeben, die nicht untergesetzlich, sondern nur mit gesetzgeberischem Handeln gelöst werden kann und sollte, um vermeidbare Härten verfassungskonform abzufedern.
Bei einer Steuer, die an den Grundbesitz anknüpft, ergibt sich zwischen den öffentlichen Leistungen der Freien und Hansestadt Hamburg für die Daseinsvorsorge und dem Steueraufkommen ein enger Zusammenhang, auch wenn im Einzelfall kein eindeutiges Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Zwar werden bestimmte, den jeweiligen Begünstigten direkt und individuell zuordenbare Leistungen durch Gebühren und Beiträge abgegolten, letztlich kommen aber alle Verbesserungen der öffentlichen Infrastruktur allen Grundstücken in diesem Bereich zugute. In Hamburg gibt es die Besonderheit, dass es neben den etwa 103 km öffentlichen Hochwasserschutzanlagen auch etwa 100 km private Hochwasserschutzanlagen gibt. Dieser private Hochwasserschutz findet sich insbesondere vor dem öffentlichen Hochwasserschutz im durch das Tidehochwasser gefährdeten Tidegebiet der Elbe. Die Grundstücke in diesem Bereich würden ohne Hochwasserschutz teilweise nicht nutzbar existieren. Erst der private Hochwasserschutz führt dazu, dass diese Grundstücke an der öffentlichen Infrastruktur grundsätzlich teilnehmen können. Gleichzeitig wirken diese privat finanzierten Hochwasserschutzmaßnahmen auch fremdschützend und ermöglichen teilweise erst die Nutzbarkeit der Infrastruktur zum Beispiel im Hafen. Die Aufwendungen für die Herstellung, Anschaffung sowie die Erhaltungsaufwendungen des privaten Hochwasserschutzes im durch Tidehochwasser gefährdeten Bereich im Tidegebiet der Elbe werden teilweise unmittelbar oder mittelbar von den Steuerpflichtigen getragen. Es erscheint daher im Hinblick auf die Belastungsentscheidung unbillig, die Steuerpflichtigen durch die Grundsteuer doppelt für die Herstellung der Infrastruktur zu belasten. Soweit die handelsrechtlichen Aufwendungen durch öffentliche Förderungen gedeckt sind und insoweit keine Belastung mehr besteht, entfällt die Erlassnotwendigkeit. Der Begriff „Aufwendungen“ ist aus dem Handelsrecht, insbesondere aus den §§ 252, 253 Handelsgesetzbuch abzuleiten. Der § 8 Absatz 3 Hamburgisches Grundsteuergesetz enthält aus Vereinfachungsgründen eine regelmäßig anzuwendende Erlassquote; die dortige 50-prozentige Erlassquote ist eine grobe Schätzung aufgrund vorliegender Fördermaßnahmen und berücksichtigt auch, dass diese Grundstücke ebenfalls an der öffentlichen Infrastruktur teilnehmen. Abweichungen sind unter anderem möglich, wenn für ein Grundstück lagebedingt besondere Hochwasserschutzmaßnahmen notwendig sind oder Hochwasserschutzmaßnahmen gar nicht oder nur in geringerem Maße angezeigt sind. Ein Indiz kann die Höhe der Aufwendungen im Vergleich zum Normalfall im durch Tidehochwasser gefährdeten Bereich im Tidegebiet der Elbe sein. Die weiteren Erlasstatbestände des Hamburgischen Grundsteuergesetzes und des Grundsteuergesetzes bleiben anwendbar.
In einem neuen Absatz 4 zu § 8 werden die Anzeigepflichten und der Ausgangswert für die Berechnungen des Grundsteuerwertes geregelt. § 35 Grundsteuergesetz (Bund) soll dahingehend partiell überschrieben werden, dass ohne Änderung der Verhältnisse künftig auch bei Erlassen nach dem Grundsteuergesetz aus Vereinfachungsgründen für alle Beteiligten nicht mehr jährlich ein Antrag gestellt werden soll und der Antrag bei besonderen Gründen auch nach dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März gestellt werden kann. Der Verzicht auf die jährliche Antragspflicht gilt auch für die Fälle der §§ 163 und 227 Abgabenordnung, die insbesondere auch bei Grundflächen Anwendung finden. Für die Berechnung des Ausgangswertes für den Erlass ist zunächst Absatz 3 (Hochwasserschutz) anzuwenden. Anschließend kommt ggf. ein Erlass nach Absatz 1 (besonders gelagerter, nicht rohertragsbedingter Härtefall) zur Anwendung. Nach den Anwendungsfällen der Absätze 3 und 1 kommen ggf. Erlasse nach dem Grundsteuergesetz und der Abgabenordnung sowie die abweichende Steuerfestsetzung nach der Abgabenordnung zur Anwendung.
Ebenso erfolgt eine redaktionelle Änderung des § 8 Absatz 1 Satz 3 Nr. 3 Hamburgisches Grundsteuergesetz zur besseren Lesbarkeit; eine Rechtsänderung ist damit nicht verbunden.
Da die Änderungen sämtlich begünstigend für die Steuerpflichtigen sind beziehungsweise nur der besseren Lesbarkeit ohne Rechtsänderung dienen, ist eine zulässige Rückwirkung auf den 1. Januar 2025 vorgesehen.
Die Bürgerschaft möge daher beschließen:
Gesetz
zur Änderung des Hamburgischen Grundsteuergesetzes
Vom…
§ 1
§ 8 des Hamburgischen Grundsteuergesetzes vom 24. August 2021 (HmbGVBl. S. 600), zuletzt geändert am 19. Dezember 2024 (HmbGVBl. S. 720, 721), erhält folgende Fassung:
§ 8
Erlass im Härtefall
„(1) In einem besonders gelagerten, nicht rohertragsbedingten Härtefall kann der Anteil der Grundsteuer B, der auf den Grundsteuermessbetrag eines Gebäudes entfällt, teilweise erlassen werden. Der Erlass wird nur auf Antrag gewährt. Ein Fall nach Satz 1 liegt regelmäßig vor,
1. wenn die Lage ganz erheblich von den ortsüblichen Verhältnissen abweicht und aufgrund dessen eine stark eingeschränkte Äquivalenz für das Gebäude vorliegt,
2. wenn die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes entsprechend der Anlage 38 des Bewertungsgesetzes überschritten ist und nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes keine Veränderungen eingetreten sind, die die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wesentlich verlängert haben sowie aufgrund der Gesamtnutzungsdauer nur eine stark eingeschränkte Äquivalenz für das Gebäude vorliegt oder
3. bei einer Übergröße des nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes, sofern dieses eine einfachste oder einfache Standardstufe entsprechend der Anlage 24 des Bewertungsgesetzes und einen Hallenanteil aufweist sowie eine stark eingeschränkte Äquivalenz für das Gebäude durch den Gebäudestandard vorliegt.
Der Härtefall soll durch ein qualifiziertes Gutachten von den Steuerpflichtigen nachgewiesen werden; dieses gilt auch in den Fällen des Satzes 3.
(2) Die Erlassregelungen des Grundsteuergesetzes sowie die Regelungen der §§ 163 und 227 der Abgabenordnung finden Anwendung.
(3) Im durch das Tidehochwasser gefährdeten Bereich im Tidegebiet der Elbe kann auf Antrag die Grundsteuer für das Grundstück anteilig erlassen werden, soweit die Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar die Aufwendungen für den Hochwasserschutz hierfür selbst tragen müssen und das Grundstück ohne den Hochwasserschutz nicht nutzbar wäre. Der Erlass beträgt regelmäßig 50 v. H. der Grundsteuer.
(4) Die Steuerschuldner sind verpflichtet, eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse, die zu einem Erlass oder einer abweichenden Steuerfestsetzung führen, dem zuständigen Finanzamt binnen drei Monaten nach Eintritt der Änderung anzuzeigen. In den Fällen der Absätze 1 bis 3 bedarf es keiner jährlichen Wiederholung des Antrages. Die Anträge sollen jeweils für Absatz 1, Absatz 3 sowie die Erlassregelungen des Grundsteuergesetzes bis zu dem auf den Erlasszeitraum folgenden 31. März gestellt werden. § 35 des Grundsteuergesetzes bleibt im Übrigen unberührt. Für die Berechnung des Ausgangswertes für den Erlass oder einer abweichenden Steuerfestsetzung hat der Absatz 3 Vorrang vor dem Absatz 1, welcher wiederum Vorrang vor den Fällen des Absatzes 2 hat.“
§ 2
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2025 in Kraft.
- Cem Berk
- Astrid Hennies
- Regina Jäck
- Baris Önes
- Milan Pein
- Sören Schumacher
- Tim Stoberock
- Michael Weinreich
sowie
- Dennis Paustian-Döscher
- Eva Botzenhart
- Mareike Engels
- Alske Freter
- René Gögge
- Linus Görg
- Michael Gwosdz
- Jennifer Jasberg
- Dominik Lorenzen
- Zohra Mojadeddi
- Lena Zagst (GRÜNE) und Fraktion