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Zukunft des Krankenhauses Groß-Sand: Am Standort des Krankenhauses Groß-Sand das Konzept einer „Stadtteilklinik in einem Stadtstaat“ für Wilhelmsburg entwickeln und umsetzen

Dienstag, 27.05.2025

Das Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand, gegründet 1901, hat eine für die Bevölkerung des Stadtteils wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung.

Das Krankenhaus Groß-Sand in Hamburg-Wilhelmsburg ist heute ein Krankenhaus der Grundversorgung für den größten Stadtteil Hamburgs mit einem Schwerpunkt in der Geriatrie und der Neurologischen Frührehabilitation. Es ist im Hamburger Krankenhausplan mit 209 Betten ausgewiesen. Seit 2020 herrscht für die Bewohner:innen der Elbinseln und die Beschäftigten des Krankenhauses eine große Unsicherheit über die Zukunft des Hauses.

Senat und Bürgerschaft haben sich seit 2020 um eine Neuaufstellung des Krankenhauses bemüht, eine Lenkungsgruppe für diesen Prozess gegründet, Investitionsmittel vorgehalten und während des Verkaufsprozesses jederzeit fachliche Beratung angeboten.

Nunmehr sind die Verkaufsverhandlungen des Erzbistums für das Krankenhaus Groß-Sand endgültig gescheitert.

Das Erzbistum hat es trotz vielerlei Unterstützungsangebote der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) nicht vermocht, das Krankenhaus strategisch zukunftssicher aufzustellen. Krankenhausinvestitionsmittel in Höhe von 20 Millionen Euro sind über einen langen mehrjährigen Zeitraum ungenutzt geblieben und wurden nicht abgerufen. In der Folge steht das Krankenhaus seit geraumer Zeit wirtschaftlich prekär dar. So sind von rund 209 Betten lediglich rund die Hälfte ausgelastet. Die Gesamtauslastung des Krankenhauses betrug im Jahr 2023 nur noch um die 55 Prozent. Auf Hamburg bezogen behandelt das Krankenhaus insgesamt 0,9 Prozent der Hamburger Krankenhausfälle, darunter 5,2 Prozent der Geriatrie-Fälle und 9,2 Prozent der Fälle in der Frührehabilitation. Gleichwohl hat es als Nahversorger für den Stadtteil Bedeutung.

Das Krankenhaus nimmt an der Not- und Unfallversorgung lediglich mit der „Basis-Notfallstufe“ teil. Komplexere Notfälle werden deshalb in anderen Krankenhäusern versorgt.

Das Krankenhaus beschäftigt aktuell rund 380 Mitarbeiter:innen im medizinisch pflegerischen Bereich. Aus dem Funktionsdienst/Klinisches Hauspersonal kommen noch einmal rund 60 Beschäftigte und aus Gärtnerei/Küche/Cafeteria und Technischem Dienst und Verwaltung weitere rund 70 Beschäftigte dazu. Insgesamt sind also rund 500 Beschäftigte betroffen.

Das Grundstück, auf dem das Krankenhaus steht, ist laut Bebauungsplan Wilhelmsburg 5 als „Fläche für den Gemeinbedarf“ ausgewiesen.

Die Pflegeschule des Krankenhauses Groß-Sand in Hamburg-Wilhelmsburg wurde bereits im Oktober 2020 geschlossen. Praktische Ausbildungsplätze für die Pflege blieben im Krankenhaus Groß-Sand erhalten, jedoch erfolgt die theoretische Ausbildung seither in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege Hamburg in Hammerbrook. Diese Umstrukturierung war unter anderem eine Reaktion auf Veränderungen im Bereich der Pflegeausbildung, die in Deutschland seit der Reform des Pflegeberufegesetzes 2020 zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammengeführt wurden.

Der Gesundheitsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft hat während der gesamten 22. Wahlperiode den Fortgang der Verkaufsversuche durch das Erzbistum im Rahmen einer Selbstbefassung zum Thema „Aktuelle Situation beim Krankenhaus Groß-Sand und deren Pflegeschule“ (vgl. Bericht des Gesundheitsausschusses vom 7.8.2024 Drs. 22/15960) verfolgt. Der Senat hat jederzeit Unterstützung für ein zukunftsfähiges Betriebskonzept zugesichert.

Anträge einzelner Oppositionsfraktionen, das Krankenhaus zu erwerben und als Niederlassung des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE) zu betreiben, fanden in der Hamburgischen Bürgerschaft keine Mehrheit, da das UKE selbst großer finanzieller Zuschüsse bedarf und die politische Verfügung einer Erweiterung auch dem insofern eigenständigen Management des UKE widerspräche. Gleichwohl stand die FHH, wie oben ausgeführt, mit lange „reservierten“ Investitionskostenzuschüssen in Höhe von 20 Millionen Euro bereit, um einem Träger bei der notwendigen Umstrukturierung und Umwandlung zu einem zukunftsfähigen Behandlungskonzept zu unterstützen.

Eine breite öffentliche Unterstützung durch Politik, die Wilhelmsburger Ärzteschaft und die Betriebs- und Personalräte der Elbinseln und des Hafens hatte nachdrücklich auf einen Abschluss der Verkaufsverhandlungen hingewirkt.

Die Suche nach einem neuen Träger, der das Krankenhaus mit allen Abteilungen und ohne Reduzierung der Bettenzahl weiter betreibt, ist, wie gesagt, gescheitert. Das Erzbistum sieht sich ebenfalls nicht in der Lage, das Krankenhaus in seiner jetzigen Form wirtschaftlich zu betreiben. Damit ist die bisherige Funktion und Struktur von Groß-Sand als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung an diesem Standort nicht zu halten. Beschäftigte des Krankenhauses und die Bewohner:innen Wilhelmsburgs sind zu Recht über diese Entwicklung bestürzt.

Senat und das Erzbistum sind in dieser Situation gefordert, ein zukunftsfähiges Versorgungskonzept für die Elbinsel aufzustellen.

Die Krankenhausstrukturreform bietet im Rahmen einer neu ausgerichteten Krankenhausplanung gute Ansätze, um am Standort Wilhelmsburg ein gutes medizinisches Versorgungsangebot für die Wilhelmsburger:innen zu sichern. Die Größe des Stadtteils und die Versorgungslage insgesamt eignen sich gut dafür, in Wilhelmsburg ein Konzept für eine Stadtteilklinik zu entwickeln und umzusetzen.

Es gilt in dieser Situation, Investitionsmittel wie auch die neuen Möglichkeiten der Krankenhausreform aktiv zu nutzen, um die Versorgung auf der Elbinsel neu aufzustellen. Insbesondere ist ein sektorübergreifender Versorger auch aus Sicht vieler Akteure des Gesundheitswesens eine gute Lösung.

Mit dem Angebot von STATAMED für ein innovatives Versorgungskonzept, gibt es in Hamburg Wilhelmsburg zudem ein sektorübergreifendes Angebot, das als eine neue „Kurzstationäre Allgemeinmedizin“ bezeichnet wird und die ambulante und stationäre Versorgung regional verbindet. Der Ansatz von STATAMED beruht auf einer engen, interdisziplinären Zusammenarbeit sowie einer fortlaufenden Kommunikation aller an der Versorgung Beteiligten: Ambulante Praxen, spezialisierte Kliniken und Pflegende (darunter mobile „Flying Nurses“) werden auch unter Nutzung telemedizinischer Möglichkeiten eng verzahnt und koordiniert. Menschen, die akute gesundheitliche Probleme haben und ärztliche Hilfe, aber keinen Transport in eine Notaufnahme benötigen, gelangen so in die jeweils passende Versorgungsebene.

Das am Standort bestehende Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) bietet ebenfalls Anknüpfungspunkte, um die Versorgungsangebote in Wilhelmsburg weiter zu verbessern.

Der Senat ist nunmehr gefragt, mit den relevanten Akteuren eine Perspektive für Groß-Sand als Standort einer ‚Stadtteilklinik in einem Stadtstaat‘ im Sinne der neuen Möglichkeiten des Krankenhausgesetzes zu entwickeln. Als Grundlage dafür kann die Ausweisung als sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung“ im Sinne von §115g SGB V dienen.

Dabei sollen auch stationäre Versorgungsangebote für weniger komplexe Behandlungsnotwendigkeiten v. a. für kürzere Krankenhausaufenthalte („Kurzzeitlieger“) zum Tragen kommen.

Zudem sollen die bisherigen Versorgungsangebote, die künftig am Standort nicht zum Tragen kommen, im Lichte der Versorgungsplanung und Bedarfe für ganz Hamburg an anderer Stelle kompensiert werden. Mit dem Träger sind dazu entsprechende Vereinbarungen zu treffen, um die Versorgungsaufträge in die Zukunft zu entwickeln. Zudem sind Vereinbarungen zu treffen, wie die Liegenschaft des Krankenhaus Groß-Sand auch künftig den örtlichen Bedarfen dienen kann und wie dies langfristig abgesichert werden kann.

Gute Ansatzpunkte sind also bereits vorhanden.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

 

1. sich dafür einzusetzen, dass der Standort Groß-Sand weiterhin ein für die Elbinsel Wilhelmsburg bedeutender Gesundheitsstandort bleibt und dies langfristig abgesichert wird. Dazu soll auch geprüft werden, wie die Liegenschaft in der Hand der Stadt weiterentwickelt werden kann;

2. sich für die Realisierung eines Konzepts für eine „Stadtteilklinik in einem Stadtstaat“ vorzugsweise am Standort Groß-Sand einzusetzen und dies im Zuge der Krankenhausplanung zu berücksichtigen und abzusichern;

3. für eine solche „Stadtteilklinik“ auch Investitionskosten zur Verfügung zu stellen.

4. bei dieser Planung auch den Bedarf an stationären Betten für „Kurzzeitlieger“ zu berücksichtigen;

5. zur Stärkung der ambulanten Versorgung gemeinsam mit der „Lenkungsgruppe Groß-Sand“, an der die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassen, das Erzbistum Hamburg und das Bezirksamt Mitte beteiligt sind, darauf hinzuwirken, dass

a. das Medizinische Versorgungszentrum am Standort Groß-Sand erhalten bleibt und zu einem interdisziplinären Zentrum ausgebaut wird,

b. Behandlungskapazitäten und Notfallsprechstunden auch außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten in den Abendstunden sowie am Wochenende zur Verfügung stehen und

c. das Angebot ausgebaut und fachlich unter Einbeziehung telemedizinischer und digitaler Behandlungskonzepte erweitert wird;

6. darüber hinaus ein Gesamtkonzept zur Notfallversorgung vorzulegen, das die Bedarfe der Wilhelmsburger:innen abbildet;

7. sich weiter mit der „Lenkungsgruppe Groß-Sand“ bei allen relevanten Akteuren, insbesondere potentiellen Trägern und Krankenkassen, für die Fortführung des STATAMED-Projektes in Wilhelmsburg einzusetzen;

8. sich aktiv für einen gelungenen Übergang aller Beschäftigten insbesondere in andere medizinische oder pflegerische Arbeitsverhältnisse in Hamburg zu engagieren und für die Beschäftigten insgesamt zusammen mit den Mitarbeiter:innenvertretungen, den Gewerkschaften und der Agentur für Arbeit zu Lösungen beizutragen;

9. sich gemeinsam mit den Trägern der praktischen und theoretischen Pflegeausbildung sowie der Zentralen Koordinationsstelle für eine nahtlose Fortführung der bestehenden Ausbildungsverhältnisse einzusetzen,

10. die Gremien des Bezirks Hamburg-Mitte und des Stadtteils Hamburg-Wilhelmsburg bei den Planungen eng zu beteiligen und zu informieren;

11. der Bürgerschaft zu berichten.

sowie
  • Linus Görg
  • Michael Gwosdz
  • Sina Imhof
  • Lena Zagst
  • Mareike Engels
  • Dennis Paustian-Döscher
  • Leon Alam
  • Lisa Kern
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Mechthild Weber (GRÜNE) und Fraktion