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Unsere Anträge

Durch Anträge können Abgeordnete Einfluss auf die Politik nehmen. Anträge können mindestens fünf Abgeordnete einbringen. Sie werden auf die Tagesordnung der nächsten Bürgerschaftssitzung gesetzt. Die Bürgerschaft kann sie annehmen, ablehnen, für erledigt erklären oder an einen Ausschuss überweisen. Mit Anträgen können Aufträge und Ersuche zur Regelung verschiedener Angelegenheiten an den Senat gerichtet werden.

Neuausrichtung des Katastrophenschutzes in Hamburg

Mittwoch, 10.05.2023

Die Sicherheit der Bürger:innen in Krisen und bei Katastrophen zu gewährleisten, ist eine Kernaufgabe des Staates. Die Corona-Pandemie, die sichtbaren Folgen des Klimawandels und Kriege oder Anschläge zeigen, auf welche Risiken wir uns vorbereiten müssen. Durch die zunehmende Komplexität der Krisen entsteht ein erheblicher Koordinierungsaufwand, den die Beteiligten (Bund und Länder) zu bewältigen haben. Dies wurde bei dem Starkregenereignis in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern im Jahr 2021 sehr deutlich und zeigt sich insbesondere bei den jetzt zu bewältigenden Anforderungen durch die Ukraine-Krise. Um diesen gestiegenen Anforderungen weiter gerecht zu werden und eine professionelle Krisenbewältigung zu gewährleisten, sind die bestehenden Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und ggf. anzupassen. Erforderlich ist eine Struktur, die eine permanente Befassung mit bereits bekannten Krisenszenarien und mit zukünftig zu erwartenden Risikoszenarien sicherstellt. Dazu gehört auch eine ständige Befassung mit den kritischen Infrastrukturen des Staates und die Erarbeitung von Maßnahmen zur Gewährung einer hohen Krisenresilienz unserer Stadt. Ziel muss es sein, durch vorbereitete Strukturen und Grundplanungen auf den Ernstfall gut vorbereitet und unmittelbar handlungsfähig zu sein.

Die Maßnahmen des Katastrophenschutzes, d. h. die vorbeugenden und abwehrenden Maßnahmen im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und Großschadenslagen, liegen im Verantwortungsbereich der Länder. Der Zivilschutz, d. h. der Schutz der Bevölkerung im Verteidigungs- und Spannungsfall vor kriegerischen Gefahren, liegt im Aufgabenbereich des Bundes. Alle Maßnahmen beider Bereiche dienen dem Schutz der Zivilbevölkerung und werden deshalb unter dem Dach des Bevölkerungsschutzes zusammengefasst. Deshalb sind konkrete Maßnahmen in einem Bereich auch immer hilfreich bei der Stärkung des anderen Bereiches. Das Zusammenwirken der Ressourcen und Kompetenzen im Zivil- und Katastrophenschutz, wie zum Beispiel die vorgesehene gemeinsame Nutzung der ergänzenden Ausstattung des Bundes durch Helfer:innen der Länder, wird daher als integriertes Hilfeleistungssystem bezeichnet.

Derzeit verstärkt der Bund seine Bemühungen, in den Bereich des Bevölkerungsschutzes weitere Themenbereiche aufzunehmen bzw. bereits bestehende Themenfelder neu aufzubereiten. Der Bund erwartet hier auch eine Aufgabenwahrnehmung in den Ländern die berücksichtigt, dass mit der Digitalisierung auch neue zentrale Risiken für die Sicherheit der Gesellschaft entstanden sind. Aus diesem Grund haben bereits einige Bund-Länder-Arbeitsgruppen ihre Arbeit aufgenommen. Der dritte Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern von 2006 hat für die Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzes klare Empfehlungen ausgesprochen. Dieser Bericht geht bereits intensiver als die vorherigen Berichte auch auf verteidigungsbedingte Gefahren ein und empfiehlt insbesondere eine stärkere Information der Bevölkerung sowie einen Ausbau der Präventivmaßnahmen im Hinblick auf Angriffe auf die kritische Infrastruktur. Im Jahr 2015, als die Kommission aufgelöst wurde, wurden die „Analysen sicherheitspolitischer Bedrohungen und Risiken unter dem Aspekt der Zivilen Verteidigung und des Zivilschutzes“ im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe veröffentlicht und als Zielvorgaben anerkannt. Ergänzend sind bei diesem Überarbeitungsprozess die Erfahrungen aus dem Umgang mit den letzten Extremwetterereignissen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie insbesondere die aktuellen Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu berücksichtigen. Eine solche Verstärkung der Kooperation zwischen Bund und den Ländern ist zu begrüßen und muss intensiviert werden.

Im Hinblick auf die Verbesserung der Information der Bevölkerung hat Hamburg bereits einen wichtigen Schritt getan: Seit Jahren ist der zweite Donnerstag im September der Tag, an dem Hamburg unmittelbar vor Beginn der Sturmflutsaison am 15. September einen Sirenenwarntest durchführt und die Bevölkerung für die anstehende Zeit sensibilisiert. Auf Initiative Hamburgs wurde der zweite Donnerstag im September zum bundesweiten Warntag übernommen. Bei der jährlichen Prüfung des Warnsystems steht im Fokus, dass die Verbreitung von Informationen in der Öffentlichkeit schnell und weitreichend erfolgt, sich die Bevölkerung mit den Warnmitteln und Warntönen vertraut macht und hinterher auch Ergebnisse und Erkenntnisse des Warnmitteltests ausgewertet werden.

In diesem Zusammenhang steht schon fest, dass der sogenannte Warnmittelmix an den Anforderungen und Erreichbarkeiten der Bevölkerung ausgerichtet weiterentwickelt werden muss. Alter, technisches Know-how, sprachliche Vielfalt, körperliche Beeinträchtigungen etc. dürfen keine Hindernisse für das Empfangen und Verstehen der Warnung darstellen. Der Warnmittelmix besteht aus sogenannten analogen und digitalen Warnmitteln. Ein Großteil der Warnmittel wird über das Modulare Warnsystem aktiviert, welches von der Funktionsfähigkeit des Internets unabhängig ist. Nach aktueller Planung ist der Ausbau der bestehenden Sireneninfrastruktur zu einem effektiven Sirenenwarnnetz beabsichtigt, das parallel zu den anderen Warnmitteln des Warnmittelmixes sämtliche Bewohner:innen Hamburgs, vor allem in den Wohnquartieren, erreichen soll. Hierzu muss eine gemeinsame behördenübergreifende Standortstrategieplanung erfolgen, die es auch in den kommenden Jahren, Legislaturperiodenübergreifend und auf Grundlage finanzieller Förderprogramme des Bundes umzusetzen gilt.

Um unsere Stadt auf mögliche Schadensereignisse noch besser vorzubereiten, wurde bereits im Rahmen der Haushaltsberatungen für die Haushaltsjahre 2023/2024 ein Schwerpunkt des Haushaltsantrages im Bereich der Innenpolitik auf den Katastrophenschutz, insbesondere den Binnenhochwasserschutz, gelegt und eine Stärkung des Katastrophenschutzes innerhalb der zuständigen Innenbehörde beschlossen.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft nunmehr beschließen:

I. Stärkung des Katastrophenschutzes bundesweit

Der Senat wird ersucht,

sich auf Bundesebene für die Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes einzusetzen und dabei insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

1. Die den Zivil- und Katastrophenschutz tragenden wesentlichen Gesetze wie das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) werden einer kritischen Revision unterzogen. Dabei soll insbesondere geprüft werden, ob die bestehenden Zuständigkeitsregelungen, die den Kommunen, Bundesländern und dem Bund verschiedene Aufgaben und Kompetenzen zuweisen, mit Blick auf die Vielfalt bestehender Bedrohungs- und Katastrophenszenarien noch praxistauglich sind. Ggf. soll mit Blick auf Effizienz und Funktionalität im Einzelfall und entlang der Parameter Prävention, Risikovorsorge, nachvollziehbares Warn-, Informations- und Kooperationsmanagement auf die Umsetzung der bestehenden Regelungen durch die fachlich zuständigen Stellen hingewirkt werden.

2. In diesen Prozess sind die Erkenntnisse aus dem dritten Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern von 2006 zu berücksichtigen. Zusätzlich sollen weitere Expertisen hinzugezogen werden und auch die Erfahrungen aus dem Umgang mit der Corona-Pandemie, den Unwetterereignissen der letzten Jahre sowie der Ukraine-Krise Berücksichtigung finden. Zu diesem Zweck sollen die Ergebnisse der Enquete-Kommissionen der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mitgedacht werden.

3. Für den Ausbau und die Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes werden auskömmliche Mittel seitens des Bundes zur Verfügung gestellt, die auch die Länder und Kommunen bei der Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben im Bereich des Katastrophenschutzes noch besser und zielgerichteter unterstützen als bislang.

4. Die vom Bundesinnenministerium entwickelten Maßnahmen zur Stärkung des Zivilschutzes werden zügig und so umgesetzt, dass Belange des Zivil- und Katastrophenschutzes gleichermaßen berücksichtigt werden.

 

II. Stärkung des Katastrophenschutzes in Hamburg

Der Senat wird ersucht,

1. den in Hamburg praktizierten Warnmittelmix weiter zu stärken und auszubauen.

a) Dabei wird neben dem Ausbau der digitalen Warnmöglichkeiten auch Wert daraufgelegt, dass internetunabhängige Warnmittel wie das analoge Radio weiter zuverlässig unterstützt werden.

b) Es werden Standorte für zusätzliche Sirenen auch außerhalb von Hochwasserstandorten geprüft. Die Finanzierung von neu zu errichtenden Sirenen wird flankierend durch die vom Bund zur Verfügung zu stellenden Mittel gesichert und die bestehenden Sirenen werden Instand gehalten.

c) Zusätzlich wird geprüft, ob in jedem Stadtteil eine der Größe des Stadtteils angemessene Zahl fester Melde- oder Sammelpunkte vorgesehen werden können, die allgemein bekannt und damit im Fall von Bedrohungs-, Katastrophen und Unglücksfällen einfach erreichbar sind. Diese Melde- und Sammelpunkte sind in der Zivilgesellschaft entsprechend zu kommunizieren.

2. zur Stärkung der Selbstschutzkompetenzen der Hamburger:innen darauf hinzuwirken, dass beispielsweise an Schulen, Volkshochschulen oder Hochschulen Bildungsmaßnahmen entwickelt bzw. ergriffen werden, die darauf gerichtet sind, mittels Aufklärung und Information einen möglichst großen Teil der Bevölkerung in die Lage zu versetzen, sich im Krisenfall richtig zu verhalten. In diesem Zusammenhang ist auch die Einbeziehung der vorhandenen Schulungsstrukturen der Rettungsdienste zu prüfen.

3. präzise Informationen über das richtige Verhalten in verschiedenen Bedrohungs-, Katastrophen- und Unglücksfällen so barrierefrei wie möglich auch außerhalb von Bildungsangeboten digital und analog sowie regelmäßig aktualisiert zur Verfügung zu stellen.

4. die Ertüchtigung der Zivil- und Katastrophenschutzlager und deren Ausstattung für Hamburg zu prüfen.

5. zu prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Bundes- "Konzeption Zivile Verteidigung" von 2016 in die Hamburger Ländergesetzgebung und Richtlinien sowie Handreichungen zu implementieren. In diesem Zuge werden die Richtlinien zum Zivil- und Katastrophenschutz auf Landesebene überarbeitet und das Bewusstsein für diese Maßnahmen in allen beteiligten Strukturen gestärkt.

6. zu prüfen, ob sämtliche Themen und Maßnahmen des Katastrophenschutzes unter Berücksichtigung von Aspekten des Zivilschutzes in der Zuständigkeit des Bundes in einem regelmäßigen Berichtswesen des Senats zusammengeführt werden können. Dabei soll die Darstellung der verschiedenen bekannten Szenarien für Bedrohungs-, Katastrophen- und Unglücksfälle in einer gut nachvollziehbaren Weise berücksichtigt werden.

 

III. Der Senat wird ersucht, der Bürgerschaft den Stand der Prüf- und Umsetzungsergebnisse bis zum 31.12.2023 zu berichten.

 

sowie
  • Sina Imhof
  • Eva Botzenhart
  • Alske Freter
  • Jennifer Jasberg
  • Lisa Kern
  • Sina Koriath
  • Sonja Lattwesen
  • Andrea Nunne
  • Lisa Maria Otte
  • Yusuf Uzundag
  • Lena Zagst (GRÜNE) und Fraktion