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Gewalttätige Auseinandersetzungen am 1. Mai 2008

Mittwoch, 07.05.2008

Im Zuge demonstrativer Aktivitäten ist es am 1. Mai 2008 und in der Nacht zum 2. Mai 2008 zu erheblichen Ausschreitungen gekommen.

Im Anschluss haben die Polizei und die Leitung der Innenbehörde mitgeteilt, die Lage habe nicht zuletzt deshalb schwer kontrolliert werden können, weil man erst am Vorabend von einer gerichtlichen Entscheidung erfahren habe, nach der eine Demonstration von Rechtsextremisten – wenn auch zeitversetzt – teilweise auf der selben Route verlaufen sollte wie eine Gegendemonstration. Mit dieser Entscheidung seien die polizeilichen Planungen vom Gericht überraschend unterlaufen und der Polizeieinsatz erschwert worden. Vertreter der Justiz haben demgegenüber darauf hingewiesen, die gewalttätigen Ausschreitungen hätten abseits sowohl der zunächst von der Polizei zugelassenen, als auch der später vom Gericht gestatteten Demonstrationsroute stattgefunden; der Gerichtsbeschluss sei nicht für das Geschehen verantwortlich zu machen.

Ich frage den Senat:

 

1. Zahl der eingesetzten Polizeikräfte und Verfügbarkeit weiterer Beamtinnen und Beamter

Im Zuge der Versammlungen und der Ausschreitungen am Rande der Demonstrationszüge standen offenbar 2.500 Polizeibeamtinnen und –beamten rund 10.000 friedlichen Demonstrationsteilnehmern und Gewalttätern gegenüber. Der Aufzug der Rechtsextremisten war bereits im vergangenen Jahr angemeldet worden, die Gegendemonstration Mitte März 2008.

1.1. Wie viele Polizeibeamtinnen und –beamte waren nach Einschätzung der Polizei nötig, um einen weitgehend friedlichen Verlauf der Demonstrationen gewährleisten zu können, und wie hat sich diese Beurteilung nach der Entscheidung des OVG vom 30. April 2008 verändert?

1.2. Aus welchen Bundesländern wurden jeweils wie viele Beamte eingesetzt, wie viele kamen von der Bundespolizei?

1.3. Welche Bemühungen wurden unternommen, um Polizeikräfte nach Hamburg zu holen? Wann genau wurden im Einzelnen jeweils welche Polizeien um Unterstützung mit wie vielen Beamten gebeten und wie wurden die Anfragen jeweils beantwortet,

a) in den Wochen nach der Anmeldung der Gegendemonstration Mitte März 2008?

b) in der Woche vom 28. April 2008?

c) nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 30. April 2008?

d) am 1. Mai 2008?

1.4. Hat Hamburg in den Tagen um den 1. Mai 2008 Polizeikräfte an andere Länder ausgeliehen? Wenn ja, wie viele Beamte wurden wo eingesetzt und aus welchem Anlass?

1.5. Ist zu irgendeinem Zeitpunkt erwogen worden, sich mit Blick auf das zu erwartende Versammlungsgeschehen und die Zahl der zur Verfügung stehenden Polizeikräfte auf das rechtliche Institut des polizeilichen Notstandes zu berufen? Wenn ja, wann und warum wurde die Überlegung verworfen?

1.6. Waren stets Polizeikräfte in ausreichender Zahl vor Ort? In welchen Situationen gab es ggf. Defizite?

a) Konnte insbesondere eine ausreichende Begleitung der Teilnehmer des rechtsextremistischen Aufzugs gewährleistet werden, auch bei deren Anreise?

b) Trifft es zu, dass eine Gruppe von Rechtsextremisten (etwa 75?) durch Beamte der Bundespolizei bis zur U-Bahnhaltestelle Habichtstraße begleitet wurde, dort aber nicht von anderen Polizeikräften in Empfang genommen wurde? Wie stellt sich der Sachverhalt dar?

c) Trifft es zu, dass eine weitere Gruppe von NPD-Anhängern auf dem Fußweg zu deren Demonstrationszug aus Richtung Wellingsbüttel über Ohlsdorf nach Barmbek jedenfalls zeitweise nur von wenigen (zwei?) PKW der Polizei begleitet wurde? Wie stellt sich der Sachverhalt dar?

 

2. Klärungen von Auflagen für die Demonstrationszüge unter künftigen Koalitionspartnern

Dem Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass die Polizei als Versammlungsbehörde eine ursprünglich für die Gegendemonstration erlassene Auflage zurückgenommen hat, mit der ´das Mitführen von Glasflaschen oder anderen Glasbehältnissen sowie Dosen untersagt` worden war. Über dieses Verbot soll es zuvor Gespräche von Behördenvertretern mit der Grün Alternativen Liste (GAL) gegeben haben, welche künftig die Regierung in Hamburg mittragen wird.

2.1. Welche Gespräche hat es zwischen Senatsvertretern und solchen der GAL im Vorfeld der für den 1. Mai 2008 geplanten Demonstrationen gegeben?

a) Wann genau hat es diese Gespräche gegeben, zu welchen Fragen und wer hat sie veranlasst?

b) Mit wem auf Seiten der GAL haben welche Behördenvertreter insbesondere darüber gesprochen, welche Auflagen für die Gegendemonstration verfügt bzw. aufrechterhalten werden sollen?

2.2. Ist der vom OVG erwähnten Aufhebung des Verbotes, bei der Gegendemonstration Glasflaschen und Dosen mitzuführen, ein Gespräch der Behördenseite mit Vertreter/inne/n der GAL vorangegangen?

a) Wann genau hat es Unterredungen von Senatsvertretern mit solchen der GAL darüber gegeben, ob bei dem Aufzug Glasflaschen mitgeführt werden dürfen?

b) Wie kam es zum Verzicht auf die zuvor verfügte Auflage? Wer hat diese Entscheidung veranlasst und aus welchen Gründen? Ist die Aufhebung dieser Auflage Ergebnis von Konsultationen im politischen Raum?

c) Wann genau hat die Versammlungsbehörde die Entscheidung getroffen, auf diese Auflage zu verzichten, und wann wurde dies dem Gericht und den Anmeldern der Gegendemonstration mitgeteilt?

2.3. Ist der Verzicht auf eine Regelung, mit der das Tragen von Schuhen mit Stahlkappen bei der Gegendemonstration untersagt wird, Ergebnis von Gesprächen im politischen Raum, insbesondere von Behördenvertretern mit solchen der GAL? Wie kam es zu dem Verzicht auf die Auflage?

2.4. Sind zwischen Senatsvertretern und der GAL weitere Fragen zu Auflagen für Demonstrationen am 1. Mai 2008 besprochen worden und konnten sie geklärt werden? Wann hat es diese Gespräche gegeben und wer hat sie veranlasst?

 

3. Verzögerungen bei der polizeilichen Entscheidungsfindung

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht stellt in seinem Beschluss fest, die Innenbehörde hätte am 24. April, spätestens am 25. April 2008 über die Bestätigung der Anmeldung einer Gegendemonstration, etwa vorzugebende Alternativrouten des Versammlungszuges und mögliche Auflagen entscheiden können und müssen. Stattdessen habe die Behörde für Inneres ihre Entscheidung erst im Laufe des 29. April 2008 und damit zwei Tage vor der geplanten Versammlung getroffen.

Diese Verzögerung habe für die Anmelder der Demonstration und für die Gerichte zu einem erheblichen Zeitdruck geführt mit dem Ergebnis, dass das OVG die Sachlage und die Argumente der streitenden Parteien – Demonstrationsanmelder und Polizei – nur oberflächlich prüfen konnte. Unsicherheiten in der Beurteilung der Sachlage, die auf mangelhaft begründete Darstellungen der Polizei zurückzuführen seien, müssten – so das Gericht – in derartigen Eilfällen zugunsten der Antragsteller gewertet werden, wenn sie sich gegen die Entscheidungen der Versammlungsbehörde wenden.

3.1. Wie stellt sich der Sachverhalt dar? Wann genau wurde die Anmeldebestätigung der Polizei verfügt? Welche Möglichkeiten und welche Schwierigkeiten gab es, die Verfügung zu einem früheren Zeitpunkt als am 29. April 2008 erlassen?

3.2. Was ist darüber bekannt, wann die Verfügung der Versammlungsbehörde den Anmeldern der Gegendemonstration zugegangen ist, wann wurde die Verfügung beim Verwaltungsgericht angefochten und wann hat dieses Gericht seine Entscheidung getroffen?

3.3. Haben Bemühungen, bestimmte Fragen im Zusammenhang mit den Versammlungen am 1. Mai 2008 zwischen den künftigen Koalitionspartnern CDU und GAL bzw. zwischen Senatsvertretern und solchen der GAL zu klären, sich darauf ausgewirkt, zu welchem Zeitpunkt die Versammlungsbehörde ihre diesbezüglichen Entscheidungen trifft? Inwiefern und in welchem zeitlichen Ausmaß?

3.4. Sind Konsultationen im politischen Raum (mit-) ursächlich geworden für Verzögerungen bei den Entscheidungen über die Anmeldung der Gegendemonstration bzw. die zu verfügenden Auflagen?

3.5. Welche Vorkehrungen hatte die zuständige Behörde getroffen für den Fall, dass die gerichtlichen Entscheidungen im Ergebnis nicht alle verfügten Auflagen incl. der vorgegebenen Demonstrationsroute bestätigen?