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Jugendmedienschutz und Medienkompetenz

Donnerstag, 13.12.2007

Neue Medien nehmen in der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen einen enormen Stellenwert ein. So bietet beispielsweise das Internet jungen Menschen eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten, die bildungsrelevante wie auch kreative und kommunikationsfördernde Potentiale besitzen. In jüngster Zeit sind allerdings meist die negativen Aspekte der Neuen Medien in den Fokus der Debatte gerückt: in Filmen und TV (bei denen in jüngerer Zeit, z. B. in aktuellen Horrorfilmen auch explizite Grausamkeiten eher ästhetisch inszeniert, denn negativ konnotiert werden); Gewaltdarstellungen (auch reale) im Internet; PC-„Killerspiele", die aufgrund der aktiven Involviertheit der Spieler als Katalysatoren für die Präferenz gewaltförmiger Konfliktaustragung wirken und unter bestimmten Umständen geeignet sein können, Mitgefühl mit Gewaltopfern („Empathiefähigkeit") zu vermindern; Handys als allgegenwärtige Trägermedien für gewaltförmige und pornografische (sowohl virtuelle, als auch reale) Darstellungen.

Um den Jugendschutz zu stärken, wurde das Jugendschutzgesetz (JuSchG) mit Wirkung zum 01.04.2003 novelliert; gleichzeitig trat der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in Kraft. Damit wird der Jugendmedienschutz sowohl in Bundes- als auch in Landesgesetzen geregelt. Vorschriften des Bundes über den Jugendmedienschutz finden sich im Jugendschutzgesetz (JuSchG) und im Strafgesetzbuch (StGB) und betreffen nur die so genannten Trägermedien (Printmedien, Videos, CD-ROMs, DVDs usw.). Hier gibt es noch das alte Indexsystem, die Aufnahme von Medien in eine Verbotsliste mit der Folge weitreichender Vertriebs- und Werbebeschränkungen, daneben die Altersfreigaben für Kinofilme sowie Film- und Spielbildträger. In den Landesvorschriften, namentlich im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMstV), sind Regelungen zu den so genannten Telemedien zu finden (hauptsächlich Rundfunk, Fernsehen und Internet, vgl. auch § 1 Abs. 3 JuSchG).

An der Medienaufsicht wirken sehr viele Institutionen mit: 15 Landesmedienanstalten, die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die von den Ländern eingerichtete Stelle jugendschutz.net, die Obersten Landesjugendbehörden, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und nicht zuletzt die Staatsanwaltschaften mit ihren Zentralstellen für Jugendmedienschutzdelikte. Außerdem aus dem Bereich Selbst-regulierung die entsprechenden Einrichtungen zu den Sparten Kino, Spiele, Fernsehen, Multimedia und Telekommunikation. Eine wirksame und zügige Medien-aufsicht ist auf diese Weise nur sehr schwer durchsetzbar, da qua Gesetz an zahlreichen Vorgängen unterschiedliche Institutionen beteiligt werden müssen. Die Folge sind schwer nachvollziehbare zeitliche Verzögerungen bei der Durchsetzung des Jugendmedienschutzes sowie die geringe Zahl der Beanstandungen.

 

Die aktuelle Debatte fokussiert die Handlungsmöglichkeiten aller am Jugendmedienschutz beteiligten Institutionen häufig nur auf Maßnahmen wie Indizierung und Verbot. Bei sog. Trägermedien ist dies leichter durchsetzbar als bei einem Telemedium wie dem Internet. Gewalttätige Darstellungen, Pornographie, extremistische, rassistische und antisemitische Inhalte sind über das Internet und das Handy für die meisten minderjährigen Nutzer leicht verfügbar. Umfassende Kontrollen sind bei diesen Medien nur schwer durchsetzbar. Technische Schutz-maßnahmen wie z.B. Filtersysteme für aktive und mobile Dienste, Alters-verifikationssysteme, Geschlossene Benutzergruppen sind z.T. noch in der Erprobung bzw. noch nicht ausgereift, ihr Verbreitungsgrad noch relativ gering. Schwierig ist vor allem die Kontrolle der Angebote von ausländischen Anbietern.

Allerdings wirken Verbote und restriktive Interventionen oftmals kontraproduktiv. Solche Maßnahmen erhöhen häufig nicht nur den Bekanntheitsgrad jugendgefährdender Inhalte, sondern steigern erst den Reiz und die Attraktivität für die minderjährigen Konsumenten.

In diesem Zusammenhang kommt der Prävention, also medienpädagogischen Interventionen und der Vermittlung von Medienkompetenz in der Schule, der Jugend-hilfe, der offenen Kinder- und Jugendarbeit etc. eine entscheidende Bedeutung zu. Dazu gehört auch die Schulung der Pädagogen wie auch eine kompetente Beratung der Eltern, da viele Minderjährige oftmals besser als diese über die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Neuen Medien Bescheid wissen. Des Weiteren ist das Wissen darüber, wie Medien von Minderjährigen konkret benutzt werden und wie sie wirken, häufig unzureichend. Hier besteht nach wie vor ein großer empirischer Forschungsbedarf (vgl. Michael Kunczik, Astrid Zipfel, Gewalt und Medien, 2006).

 

Wir fragen den Senat:

I. Gesetzesnovellierung und Evaluation

Im Zuge der Verabschiedung des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) haben sich Bund und Länder darauf verständigt, das gesamte Jugendschutzrecht bis spätestens 1. April 2008 mit dem Ziel zu evaluieren, eventuelle Schwachstellen im Bundesgesetz und im Ländervertrag zu identifizieren, diese zu bereinigen und das weitere Vorgehen zu optimieren (vgl. Drs. 18/3563). Die Evaluation soll vom Bund, den Staats- und Senatskanzleien (Länder) und den Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) durchgeführt werden und in zwei Teilabschnitten erfolgen. Anfang 2006 sollte eine Überprüfung des Funktionierens der Zusammenarbeit von Selbstkontrolle und Aufsicht im Onlinebereich (JMStV) durch die Staats- und Senatskanzleien auf der Grundlage von Erfahrungsberichten der Aufsicht (Kommission für Jugendmedien-schutz KJM), der Selbstkontrollen im Rundfunk (Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen – FSF) und Internet (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia – FSM) sowie eine Bewertung durch die OLJB erfolgen. Bis 2008 soll darüber hinaus eine umfassende Evaluation von JuSchG und JMStV erfolgen.

1. Wie bewertet der Senat die Auswirkungen welcher einzelnen Neuregelungen des Jugendschutzgesetzes und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages der Länder fast fünf Jahre nach ihrem In-Kraft-Treten?

 

2. Liegt der erste Evaluationsbericht mittlerweile vor? Wenn ja, wie lauten die Schlussfolgerungen dieses Evaluationsberichtes, insbesondere in den Evaluationsfeldern Wirksamkeit des Konstrukts „Regulierte Selbstkontrolle“, Altersgrenzen für die Freigabe von Filmen und Computerspielen, die Alters-kennzeichnung von Computerspielen, Videoverleihautomaten sowie eine Bewertung der „Parental Guide“-Regelung (Ausnahmen für Kinder in elterlicher Begleitung)?

3. Liegen Ergebnisse des zweiten Evaluationsberichtes vor? Wenn ja, wie lauten die Schlussfolgerungen, insbesondere in den Schwerpunkten Zuordnung von Regelungskompetenzen, Praxistauglichkeit der zugrunde gelegten Jugend-schutzkriterien, Leistungsfähigkeit und Effizienz der Aufsichtsstruktur sowie Einbeziehung von Einrichtungen der Selbstkontrolle?

4. Sind weitere Reformen des Jugendschutzgesetzes und des Jugendmedien-schutz-Staatsvertrages geplant? Wenn ja, in welchen Punkten?

5. Welchen Reformbedarf sieht der Senat in welchen Punkten und was wird er hierzu im Einzelnen unternehmen (z.B. im Bundesrat oder im Rahmen von Bund-Länder-Arbeitsgruppen?

 

II. Zuständigkeiten und Wirksamkeit der Medienaufsicht

Laut Senat (vgl. Drs. 18/3563) sind in Hamburg eine Reihe von Dienststellen mit Verstößen gegen das JuSchG bzw. den JMStV befasst: Die Verbraucherschutzämter der Bezirksämter sind regional für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem JuSchG zuständig. Für die Feststellung von Verstößen gegen das JuSchG und den JMStV ist in der Polizei die Dienstgruppe „Jugendschutz“ zuständig. Für den Bereich des Jugendmedienschutzes nach Abschnitt 3 des JuSchG geht das Jugend-informationszentrum der Behörde für Bildung und Sport entsprechenden Hinweisen nach. Die jeweiligen Landesmedienanstalten verfolgen Verstöße gegen den JMStV; in Hamburg ist das seit dem 1. März 2007 die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH), die aus einer Zusammenführung der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) und der Unabhängigen Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR) Schleswig-Holstein hervorgegangen ist. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ist für die Verfolgung von Straftaten nach § 27 JuSchG und nach § 23 JMStV zuständig.

Das komplizierte System der Medienaufsicht und die unterschiedlichen Zuständigkeiten, die sich z.T. überschneiden, unterlaufen oftmals ein übersichtlich organisiertes und vernetztes öffentliches Kontrollsystem mit klaren Zuständigkeits-regelungen für Jugendamt, Ordnungsamt, Gewerbeaufsichtsamt und Polizei, auf das sich Eltern verlassen können.

1. Plant oder beabsichtigt der Senat Änderungen der Zuständigkeiten im Sinne einer verbesserten Übersichtlichkeit und klarer abgegrenzten Kompetenz-verteilung der beteiligten Stellen?

2. Plant oder beabsichtigt der Senat neue Initiativen zur Verbesserung des Informations- und Beratungsangebotes (z.B. Broschüren, Internetauftritt, Plakatkampagnen, Wegweiser etc.)?

 

3. Welche Entwicklungen anhand welcher Zahlen zeigen sich bei den jeweiligen Verstößen gegen das JuSchG bzw. den JMStV sowie insgesamt?

4. Die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) besteht seit dem 1. März 2007 als Zusammenschluss der HAM und der ULR Schleswig-Holstein. Haben sich aufgrund der Zusammenführung der beiden Landes-medienanstalten die Aufgabengebiete im Bereich des JuSchG verändert bzw. erweitert? Wenn ja, in welcher Form und auf welcher gesetzlichen Grundlage basieren diese Veränderungen?

 

III. Beratung und Öffentlichkeitsarbeit

1. Welche Aufgaben übernimmt das Jugendinformationszentrum (JIZ), insbesondere in Hinblick auf die Medienfachberatung und den Jugendmedien-schutz?

2. Welchen Stellenwert nehmen die Medienberatung und der Jugendmedien-schutz im JIZ ein? Wie häufig wird im Jahresdurchschnitt die Medienberatung von Jugendlichen, Eltern und Pädagogen wahrgenommen? Ist eine Zunahme der Beratungstätigkeit im JIZ zu beobachten?

3. Wie hoch sind die Personalmittel, die dem JIZ für Medienberatung und Jugendmedienschutz zur Verfügung stehen? Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilen sich auf wie viele Stellen?

4. Welche Sachmittel stehen dem JIZ für Medienberatung und Jugendmedien-schutz zur Verfügung?

5. Ist eine Erhöhung der Sach- und Personalmittel des JIZ geplant? Wenn ja, in welchem Umfang und wofür genau sind diese Mittel vorgesehen?

6. Mit welchen Einrichtungen kooperiert das JIZ im Bereich der Medienberatung und des Jugendmedienschutzes? Sind ggf. Veränderungen bzw. der Ausbau der Kooperationen geplant?

7. Welche weiteren Informations- und Beratungsangebote im Bereich von Medienberatung und Jugendmedienschutz bestehen für Jugendliche, Eltern wie auch die pädagogischen Mitarbeiter in Schulen, der Jugendhilfe, der offenen Kinder- und Jugendarbeit etc.?

 

IV. Killerspiele und Handys

1. Sieht der Senat Handlungsbedarf in Hinblick auf sog. „Killerspiele“? Wenn ja, welchen und auf welche Erfahrungen stützt der Senat die Position? Wenn nein, warum nicht und auf welche Erfahrungen stützt der Senat die Position?

2. Laut Drs. 18/3563 beabsichtigt die zuständige Behörde, in Gesprächen zwischen Bund und den OLJB Fragen der Abgrenzung von sog. realen Killerspielen („Gotcha“, „Paintball“ und „Laserdrome“) und virtuellen Computer-spielen zu klären und nachfolgend gesetzliche Handlungserfordernisse zu prüfen. Welche Ergebnisse aus diesen Gesprächen liegen bisher vor und welche gesetzlichen Handlungserfordernisse wurden bisher mit welchen Ergebnissen geprüft?

 

3. Sieht der Senat Handlungsbedarf in Hinblick auf den Umgang von Minder-jährigen mit Handys (Gewalt und pornografische Darstellungen auf Handys, „Handy Slapping“)? Wenn ja, welchen und auf welche Erfahrungen stützt der Senat die Position? Wenn nein, warum nicht und auf welche Erfahrungen stützt der Senat die Position?

 

V. Medienpädagogik und Medienkompetenz

1. Der Kontakt mit Medien beginnt meist schon im frühen Kindesalter. Welchen Stellenwert besitzt die Vermittlung von Medienkompetenz in den Hamburger Grundschulen? Bestehen eigens dafür konzipierte Lehrpläne? Bestehen spezielle Maßnahmen und Projekte (Bundes- oder Landesprogramme) zur Vermittlung von Medienkompetenz? Wenn ja, welche, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang und mit welchen Teilnehmerzahlen? Wenn nein, sind derartige Maßnahmen geplant?

2. Welchen Stellenwert besitzt die Vermittlung von Medienkompetenz in den weiterführenden Schulen? Bestehen eigens dafür konzipierte Lehrpläne? Bestehen spezielle Maßnahmen und Projekte (Bundes- oder Landes-programme) zur Vermittlung von Medienkompetenz? Wenn ja, welche, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang und mit welchen Teilnehmer-zahlen? Wenn nein, sind derartige Maßnahmen geplant?

3. Gibt es an Hamburger Schulen der Primar-, Sekundarstufe I und II regelhaft einen Medienbeauftragten? Wenn ja, welche Aufgaben besitzt dieser? Wenn nein, ist diese Maßnahme ggf. geplant?

4. Werden externe Medienpädagogen an Hamburger Schulen der Primar-, Sekundarstufe I und II regelhaft zur Vermittlung von Medienkompetenz in das Lehrangebot eingebunden? Wenn ja, welche Kurse werden dabei schwerpunktmäßig in welchem zeitlichen Umfang angeboten? Gibt es für derartige Programme ein gesondertes Budget?

5. Welche Maßnahmen bietet das Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) im Bereich der Medienpädagogik und der Vermittlung von Medienkompetenz an? Wenn ja, welche, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang und mit welchen Teilnehmerzahlen? Ist in den letzten Jahren ein Zuwachs von Angebot und Nachfrage derartiger Angebote zu verzeichnen?

6. Werden in der offenen Kinder- und Jugendarbeit spezielle Programme zur Vermittlung von Medienkompetenz angeboten? Wenn ja, welche, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang und mit welchen Teilnehmerzahlen? Wenn nein, sind derartige Maßnahmen geplant?

7. Bietet die Jugendhilfe spezielle Programme zur Vermittlung von Medienkompetenz unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten an? Wenn ja, wer, welche, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang und mit welchen Teilnehmerzahlen?

8. Welche konkreten Maßnahmen plant der Senat zur Stärkung welcher Aspekte des Jugendmedienschutzes? Wie ist hierbei der jeweilige Zeithorizont?

9. Gibt es im Bereich der Medienpädagogik und Medienkompetenz spezielle Forschungsvorhaben oder Modellprojekte? Wenn ja, welche, von wem, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang und mit welchen Teilnehmer-zahlen? Wenn nein, sind derartige Forschungsvorhaben oder Modellprojekte geplant?