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Schuldnerberatung in Hamburg

Mittwoch, 17.09.2008

Der CDU geführte Senat beschloss am 01. Oktober 2002, die staatlichen Schuldnerberatungsstellen schrittweise vollständig abzubauen und parallel dazu die entsprechenden Ressourcen zur Finanzierung bei privaten Trägern einzusetzen. Dieses Konzept wurde zwischen dem 01. Juli 2003 und dem 30. Juni 2006 umgesetzt.

Nach dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht zur Vergabepraxis der Schuldner- und Insolvenzberatung aus dem Dezember 2007, mussten die Leistungen der Schuldner- und Insolvenzberatung nach den Regeln des Wettbewerbsrechts im Februar 2008 neu ausgeschrieben werden. Von den bisherigen Trägern wurden zwei nicht mehr berücksichtigt, fünf der bisherigen Träger haben inzwischen den Zuschlag erhalten:

- Hamburger Arbeit und Beschäftigungsgesellschaft mbH

- Diakonisches Hilfswerk Hamburg e.V.

- Hamburger Kinder- und Jugendhilfe e.V.

- Verbraucherzentrale Hamburg e.V.

- afg worknet GmbH

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Wie viele und welche Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen haben sich beworben?

2. Welche Faktoren haben bei der Auswahl der Träger den Ausschlag gegeben? Warum sind nur 5 Bieter berücksichtigt worden?

3. Für wie viele Bürgerinnen und Bürger soll eine Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle bzw. eine Zweigstelle jeweils zuständig sein?

4. Wie viele Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen wird es inklusive der Zweigstellen geben? (Bitte Träger, Öffnungszeiten und Kontaktdaten der einzelnen Beratungsstellen benennen.)

a. Ab wann nahmen bzw. nehmen die einzelnen Beratungsstellen und ihre Zweigstellen ihre Arbeit auf?

b. Welche der Beratungsstellen sind barrierefrei zu erreichen?

c. Wie gestalten sich die Notfallsprechstunden der Beratungsstellen?

d. An welchen Tagen gibt es aktuell zu welchen Zeiten bei welchen Beratungsstellen „Notfallsprechstunden“ und was hat sich hier seit Beantwortung der Anfrage Drs. 18/5939 vom März 2007 verändert?

e. Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben jeweils im 2. Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008 bei jeweils welchen Beratungsstellen an einer „Notfallsprechstunde“ teilgenommen? (Bitte getrennt nach „telefonisch“ und „persönlich“.)

f. Konnten alle Bürgerinnen und Bürger, die in einer akuten Notlage kurzfristig Hilfe von einer Schuldnerberatungsstelle brauchten, mit einem Notfalltermin versorgt werden, oder ergaben sich bei de einzelnen Bratungsstellen Wartezeiten?

g. Wie wird die „Notfallsprechstunde“ finanziert bzw. entgolten?

5. Wie beurteilt der Senat oder die zuständige Behörde die jetzige Versorgungsdichte der Schuldner- und Insolvenzberatung insbesondere in Hinblick auf:

a. Erreichbarkeit?

b. Öffnungszeiten?

c. Notfallberatung?

6. Welche personellen und qualitativen Voraussetzungen gelten heute für die Schuldner- und Insolvenzberatung und was hat sich hier durch die Neuausschreibung geändert? (Bitte die alte und die neue Regelung darstellen)

a. Wie begründet der Senat oder die zuständige Behörde die ggf. veränderten personellen und qualitativen Voraussetzungen für die Anerkennung von Schuldnerberatungsstellen?

7. Was hat sich an der Finanzierung bzw. Refinanzierung der Beratungskosten für die 5 Träger durch die Neuausschreibung geändert? (Bitte die alte und die neue Regelung darstellen.)

a. Wie begründet der Senat oder die zuständige Behörde die ggf. veränderten (Re )Finanzierungsmodalitäten?

8. Wie ist die personelle Ausstattung der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die den Zuschlag erhalten haben? Bitte aufschlüsseln nach den einzelnen Standorten der Beratungsstellen. (Soweit möglich bitte auch Angaben zur Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem zeitlichen Umfang der Arbeitstätigkeit)

9. Wie ist die personelle Ausstattung der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die sich um eine öffentliche Finanzierung ihrer Beratungsstellen beworben haben und keinen Zuschlag erhalten haben, aber dennoch weiterarbeiten? Bitte aufschlüsseln nach den einzelnen Standorten der Beratungsstellen. (Soweit möglich bitte auch Angaben zur Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem zeitlichen Umfang der Arbeitstätigkeit)

10. Wie ist die personelle Ausstattung der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die sich nicht um eine öffentliche Finanzierung ihrer Beratungsstellen beworben haben. Bitte aufschlüsseln nach den einzelnen Standorten der Beratungsstellen. (Soweit möglich bitte auch Angaben zur Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem zeitlichen Umfang der Arbeitstätigkeit)

11. Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben sich jeweils im 2. Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008 jeweils ratsuchend an eine der Schuldnerberatungsstellen gewandt (Erstkontakt)? (Bitte nach den Beratungsstellen aufschlüsseln, den Anteil der Ratsuchenden mit Migrationshintergrund darstellen und getrennt nach Geschlecht darstellen)

 

12. Wie viele Bürgerinnen und Bürger konnten im 2. Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008 in eine reguläre Schuldnerberatung aufgenommen werden? (Bitte nach den Beratungsstellen aufschlüsseln, den Anteil der Ratsuchenden mit Migrationshintergrund darstellen und getrennt nach Geschlecht darstellen)

13. Gibt es Wartelisten an den Schuldnerberatungsstellen? Wenn ja, bitte jeweils angeben wie viele Wartefälle es je Schuldnerberatungsstelle gibt und wie lang die durchschnittliche Wartezeit dort und insgesamt in Hamburg ist.

14. Wie viele Bürgerinnen und Bürger haben sich jeweils an den Beratungskosten beteiligt? Und, welche Summe an Kostenbeteiligung ist hierbei zusammengekommen?

15. Wie viele Verfahren zur Restschuldbefreiung wurden vom Insolvenzgericht jeweils im 2. Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008 eröffnet?

16. In wie vielen Fällen führte die von einer Schuldnerberatungsstelle ausgestellte Bescheinigung, dass eine Einigung mit den Gläubigern ergebnislos versucht wurde und offensichtlich aussichtslos war, im Ergebnis zur Eröffnung eines Verfahrens zur Restschuldbefreiung vor dem Insolvenzgericht?

a. Falls der Senat oder die zuständige Behörde diese Frage nicht beantworten kann: wie wird die Nachhaltigkeit einer erfolgreich abgeschlossenen Beratung an einer Schuldnerberatungsstelle evaluiert?

b. Nehmen die Schuldnerberatungsstellen Kontakt zum Klienten auf, wenn nach einer angemessenen Wartezeit am Insolvenzgericht kein Verfahren zur Restschuldbefreiung eröffnet wurde? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, hält der Senat oder die zuständige Behörde ein solches „Nachfassen“ für angezeigt?

c. Wird evaluiert, ob die Schuldner die Auflagen des Verbraucherinsolvenzverfahrens einhalten? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, plant der Senat eine entsprechende Evaluation?

17. Welche Kriterien legt der Senat oder die zuständige Behörde einer qualitativ guten Schuldnerberatung zugrunde? (Bitte den Kriterienkatalog darstellen)

a. Wurden die Schuldnerberatungsstellen in die der Entwicklung der Kriterien eingebunden? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

b. Ist eine Weiterentwicklung der Kriterien geplant? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

c. Werden die Schuldnerberatungsstellen in diese eingebunden? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

18. Anhand welcher Daten prüft der Senat oder die zuständige Behörde diese Kriterien?

19. Liegen dem Senat oder der zuständigen Behörde Prognosen über die Fallzahlentwicklung überschuldeter Haushalte in Hamburg vor? Wenn ja, welche?

20. Liegen dem Senat oder der zuständigen Behörde Informationen darüber vor, in wie vielen Fällen Einpersonenhaushalte und Haushalte mit Kindern von Überschuldung betroffen sind? Wenn ja, welche?

a. Zeichnen sich aus Sicht des Senat oder der zuständigen Behörde bezüglich der Überschuldung von Haushalten mit Kindern Besonderheiten und besondere Beratungsbedarfe ab?

21. Gibt es aus Sicht des Senats oder die zuständige Behörde Zielgruppen, die nicht oder nur unzureichend Zugang zu den Schuldnerberatungsstelen finden? Und, finden insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund in dem Maße Zugang zu den Schuldnerberatungsstelen, der Ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht?

22. Wie hoch ist die Fallzahl pro Beraterin bzw. Berater zum 30. Juni 2008? (Bitte die Fallzahl pro Beraterin bzw. Berater gesondert nach den von der Sozialbehörde beauftragten Beratungsstellen darstellen.)

a. Es ist zu vernehmen, dass sich die Fallzahl pro Beraterin bzw. Berater nach der Neuausschreibung erkennbar erhöht habe. Trifft dies zu?

b. Wenn ja, welche Aufgaben der Schuldnerberatung können oder sollen – bedingt durch die beklagte Arbeitsverdichtung nach Fallzahlerhöhung – nach Auffassung des Senats entfallen oder anderweitig abgedeckt werden?

c. Und, wie soll in Zukunft die Qualität der Schuldnerberatung in Form einer Sozialberatung - mit einem ganzheitlichen Ansatz - gewährleistet werden?

23. Mit welchen Einrichtungen und Sozialdiensten arbeiten die von der Behörde beauftragten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen zusammen? In welchem Umfang findet eine Zusammenarbeit statt?

 

Die Beratung ehemals selbständiger Personen fällt nach § 304 der Insolvenzordnung in den Rahmen der Verbraucherinsolvenz, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. In der Sitzung des Sozialausschusses am 22.01.2008 gaben die Senatsvertreterinnen und Senatsvertreter zu Protokoll, dass ehemals selbstständige Personen eine spezielle Beratung hinsichtlich des Regelinsolvenzverfahrens benötigten und eine Beratung diesbezüglich von Rechtsanwälten oder der Verbraucherzentrale angeboten würden (Drs. 18/7786).

24. Teilt der Senat die Ansicht, dass die Beratung ehemals selbstständiger Personen, deren Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen die keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, aufgrund der beschriebenen Gesetzeslage in den Bereich der finanzierten Insolvenz- und Schuldnerberatungsstellen fällt?

a. Werden ehemalige Selbständige von den durch die Sozialbehörde beauftragten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen abgewiesen?

b. Hält die Verbraucherzentrale ein spezielles Beratungsangebot für ehemals Selbstständige vor?

 

Klein- und Kleinstunternehmer (wie beispielsweise ehemals über das SGB II geförderte Kleinstunternehmer oder scheinselbstständige Subunternehmer) fallen nicht in den Rahmen der Verbraucherinsolvenz, verfügen aber in der Regel nicht über die juristische und finanzplanerische Kompetenz größerer Firmen.

25. Welche Beratungsangebote gibt es für Klein- und Kleinstunternehmer?

a. Haben Klein- und Kleinstunternehmer die Möglichkeit, die von der Sozialbehörde beauftragten Beratungsstellen zu nutzen?

b. Wenn ja, zu welchen Konditionen? Welche Beratungsmöglichkeiten gibt es darüber hinaus für diese Gruppe?

Hamburg beteiligt sich am Benchmarking der 16 Großstädte zur Schuldnerberatung. Dem Vernehmen nach liegen die Ergebnisse seit Oktober 2007 vor, wurden aber bisher nicht veröffentlicht, da zunächst eine „Kennzahlenplausibilisierung“ vorgenommen werden solle (siehe Drs. 18/6970).

26. Wann werden die Ergebnisse des Städtebenchmarkings veröffentlicht? Wann ist die „Kennzahlenplausibilisierung“ abgeschlossen?

a. Wer nahm oder nimmt die „Kennzahlenplausibilisierung“ vor?

b. Welche Kennzahlen wurden für das Benchmarking in Hamburg und in den anderen Städten erhoben?

 

Der Bund plant eine Reform der Verbraucherinsolvenz, die bei zügigem Beratungsverlauf gegen Ende 2008 in Kraft treten soll. Der Gesetzentwurf sieht u. a. eine Vereinfachung des Insolvenzverfahrens für Verbraucher vor. Bei mittellosen Schuldnern soll in Zukunft kein Insolvenzverfahren mehr stattfinden. Stattdessen soll das Verfahren der Restschuldbefreiung unmittelbar eingeleitet werden können. Das vereinfachte Entschuldungsverfahren für mittellose Schuldner kann bei beim Amtsgericht beantragt werden. Dazu ist eine Bescheinigung notwendig, aus der sich ergibt, dass eine Einigung mit den Gläubigern ergebnislos versucht oder offensichtlich aussichtslos war. Diese Bescheinigung muss von einer „geeigneten Person oder Stelle“ ausgestellt werden, die jedes Bundesland selbst festlegt.

27. Welche Personen und Stellen beabsichtigt der Senat zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung zuzulassen?

a. Nach welchen Kriterien werden diese Personen festgelegt?

b. Wie gewährleistet der Senat, dass die Ausstellung der Bescheinigung mit einer qualifizierten und persönlichen Beratung der Schuldner gekoppelt wird?

c. Durch die Vereinfachung des Insolvenzverfahrens erwartet das Bundesministerium der Justiz (BMJ) eine erhebliche Entlastung der Justizkassen der Länder, die bisher die Kosten des Insolvenzverfahrens bei Mittellosigkeit des Schuldners vorstreckten. In welcher Höhe erwartet die Justizbehörde Einsparungen durch die Reform der Verbraucherinsolvenz?

d. In welcher Form plant der Senat über die neue Form der Restschuldbefreiung zu informieren?

28. Wie viele Hamburgerinnen und Hamburger waren im 1. Halbjahr 2007, im 2, Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008 im Zusammenhang mit Überschuldung von Haftandrohungen betroffen?

29. Welche „Zwangmaßnahmen“ gibt es im Zusammenhang mit Überschuldung im 1. Halbjahr 2007, im 2, Halbjahr 2007 und im 1. Halbjahr 2008?