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Zwangsräumungen verhindern: Prävention und Intervention bei Wohnungsverlust

Donnerstag, 01.03.2007

Im Juli 2005 haben nach mehrjähriger Ankündigung durch Sozialsenatorin Schnieber-Jastram „Fachstellen für Wohnungsnotfälle“ in allen Hamburger Bezirken ihre Arbeit aufgenommen. Diese Neuorganisation der Wohnungslosenhilfe wurde als Grundsatzentscheidung von der SPD-Fraktion begrüßt – die Verzögerungen und die Art der Umsetzung bleiben aber bis heute zu kritisieren. Diese Kritik gilt insbesondere bezüglich der nicht eingehaltenen Zusage, „Hilfen aus einer Hand“ zu bieten, „bestehende, aber z.B. durch Mietrückstände gefährdete Wohnverhältnisse zu sichern“ und „Wohnraum zu vermitteln“ (vgl. Pressemitteilung vom 05.07.2005). Die Kritik zu den vermeintlichen „Hilfen aus einer Hand“ (z.B. Sucht- oder Schuldnerberatung), zu den nicht gemäß der Ankündigung umgesetzten Vereinbarungen mit der Wohnungswirtschaft oder mangelnder „aufsuchender Sozialarbeit“ ist Gegenstand diverser Anfragen und konnte vom Senat nicht ausgeräumt werden (vgl. u.a. Drs. 18/2484 und 18/4372).

 

Eine von der SPD-Fraktion initiierte wissenschaftliche Studie – „Betroffene von Räumungsklagen und Verbleib von Zwangsgeräumten“ - des Instituts für Ethnologie der Universität Hamburg hat erhebliche Mängel bei der Zielerreichung des Fachstellenkonzeptes festgestellt: So sollten die Fachstellen bei drohendem Wohnungsverlust einer Mietpartei von den involvierten Stellen (Wohnungswirtschaft, Justiz, Gerichtsvollzieher) benachrichtigt werden und unverzüglich Kontakt mit der Mietpartei aufnehmen, um eine Zwangsräumung zu verhindern. Doch angesichts der vorliegenden Zahlen funktioniert dieses Verfahren in der Praxis offensichtlich nicht. Nach wie vor sind die Zahlen von durchgeführten Räumungen viel zu hoch: Jeden Tag werden in Hamburg rund sechs Wohnungen geräumt, landen Menschen in der Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit.

 

Folgt man den Aussagen der mit der Studie befassten Wissenschaftler, liegen die Gründe häufig in einer Art „Handlungsunfähigkeit der Betroffenen“. Diese sind aufgrund von Sucht und/oder psychischen Problemen nicht in der Lage, das vorhandene Hilfesystem selbständig aufzusuchen bzw. zu nutzen. Gerade hier sollte das Fachstellenkonzept mit dem Instrument der aufsuchenden Arbeit präventiv wirken und Räumungsklagen abwenden. Auch dieser Baustein des Konzeptes greift in der Praxis nicht – mit hohen Folgekosten in sozialer als auch finanzieller Hinsicht.

 

Wir fragen den Senat:

 

I. Die „Fachstellen für Wohnungsnotfälle“: Ausstattung, Qualifikationen und Leistungsbilanz

 

I.1 Wie viele Stellen hatten die Fachstellen zum 31.12.2005, zum 30.06.2006 und zum 31.12.2006 und wie viele davon waren jeweils besetzt? (bitte Besetzung absolut und Vakanz in Prozent - Zahlen bitte für 2006 und zum letzten verfügbaren Stand sowie insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

I.2 Inwieweit lassen sich die Stellen den einzelnen Zielen der Fachstellen für Wohnungsnotfälle zuordnen – also Prävention; aufsuchende Arbeit bei drohendem Wohnungsverlust; Wohnungsintegration; Öffentliche Unterbringung; Aktivierendes Sozialmanagement? (Zahlen bitte für 2006 und zum letzten verfügbaren Stand sowie insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

I.3 Inwieweit lässt sich die eingesetzte Arbeitszeit den einzelnen Zielen der Fachstellen für Wohnungsnotfälle zuordnen? (Zahlen bitte für 2006 und zum letzten verfügbaren Stand sowie insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

I.4.1 Welche Qualifikationsprofile (inklusive abgeschlossener Schulungen und Weiterbildungen) hat die Mitarbeiterschaft in den Fachstellen und welche Fortbildungsangebote gibt es aktuell? (Insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

I.4.2 Welche Qualifikationsprofile haben die in der aufsuchenden Arbeit beschäftigten Mitarbeiter und welche Fortbildungsangebote gibt es aktuell? (Insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

I.4.3 Nach geltendem Recht muss eine Räumung ausgesetzt werden, wenn festgestellt wird, dass die von Räumung bedrohte Person unter psychischen Störungen leidet und nicht „verhandlungsfähig“ ist. Sind die in der aufsuchenden Arbeit beschäftigten Mitarbeiter der Fachstelle zum Erkennen von psychischen Störungen ausgebildet?

 

I.4.4 Welche Fremdsprachen werden von den Fachstellenmitarbeitern gesprochen?

 

I.5.1 Wie viele Fälle in den Bereichen Prävention, Wohnungsintegration, Öffentliche Unterbringung und aktivierendes Sozialmanagement - bitte jeweils - bearbeiteten die Fachstellen vom 01.07. - 31.12.2005, vom 01.01. – 30.06.2006 und vom 01.07. – 31.12.2006? (Insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

I.5.2 Wie gliedern sich die Fälle im Bereich Prävention (Wohnungserhalt) auf. Bitte aufschlüsseln nach Alter, Berufliche Tätigkeit, Familienstand, Migrationshintergrund?

 

I.6.1 Wie viele der Kunden (in absoluten Zahlen und in Prozent) erhalten Leistungen nach SGB II und/oder SGB XII?

 

I.6.2 Bei wie vielen der Kunden (in absoluten Zahlen und in Prozent) gibt es einen Verdacht auf psychische Probleme oder Suchtprobleme?

 

II. Intervention vor der Räumung

 

Nach Aussage des Senats gibt es zwischen den verschiedenen sozialen Diensten und den Gerichten einen regelmäßigen Informationsfluss in schriftlicher oder mündlicher Form über drohende Wohnungsverluste. Zudem sollte es einen Austausch mit den großen Unternehmen der Wohnungswirtschaft geben, hier vor allem mit SAGA und GWG, um präventiv Räumungsklagen zu verhindern.

 

II.1.1 Wie erklärt der Senat vor diesem Hintergrund, dass von Juli bis Oktober 2006 nach Gerichtsangaben 1071 Räumungsaufträge ergingen und 651 Räumungen durchgeführt wurden?

 

II.1.2 Wie lauten die oben genannten Zahlen zum letzten verfügbaren Stand? (insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

II.2.1 Wie erklärt der Senat vor diesem Hintergrund, dass von Juli bis Oktober 2006 nach Gerichtsangaben 1329 Räumungsklagen neu hinzu kamen?

 

II.2.2 Wie lauten die oben genannten Zahlen zum letzten verfügbaren Stand? (Insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

II.3 Wie viele Fälle von drohenden Wohnungsverlusten wurden in diesem Zeitraum von den Gerichten, von den Sozialen Diensten und von den Vermietern (SAGA, GWG und andere) an die Fachstellen zur Wohnungssicherung gemeldet? (Zahlen bitte für 2006 und zum letzten verfügbaren Stand sowie insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

II.4 Die Fachstellen nehmen bei gemeldeten Fällen schriftlich Kontakt auf. In wie vielen Fällen kam ein Kontakt mit dem von Wohnungsverlust bedrohten Mieter zustande? (Zahlen bitte für 2006 und zum letzten verfügbaren Stand sowie insgesamt und je Fachstelle im Bezirk.)

 

II.5 Zu welchem Zeitpunkt wird der schriftliche Kontakt zu dem von Wohnungsverlust bedrohten Mieter gesucht? (Bitte eine Statistik, wann (vor der Gerichtspost, nach der Meldung der Sozialen Dienste, im Zeitraum vor dem schriftlichen Räumungsauftrag) und woher die Meldungen kommen und wie sie in der Anzahl den verschiedenen Quellen (Gerichte, Sozialen Diensten und Vermietern wie SAGA, GWG und anderen) zuzuordnen sind)

 

II.5.1 In wie vielen Fällen erfolgte der Kontakt per Brief oder per Hausbesuch oder ggf. in beiden Kommunikationsformen?

 

II.5.2 In wie vielen Fällen (auf Grundlage der eingegangenen Meldungen von drohendem Wohnungsverlust, Angabe absolut und in Prozent) hat ein Hausbesuch stattgefunden?

 

II.5.3 Wann (im Zeitraum vor dem schriftlichen Räumungsauftrag) und wie häufig war der aufsuchende Sozialarbeiter vor Ort und wie oft hat er die von Wohnungsverlust bedrohte Person angetroffen?

 

II.5.4 In wie vielen Fällen der aufsuchenden Arbeit handelte es sich um Familien (oder Alleinerziehende) mit Kindern? (absolut und in Prozent)

 

(Zahlen zu II.5 bitte für 2006 und zum letzten verfügbaren Stand und insgesamt sowie je Fachstelle im Bezirk.)

 

III. Intervention bei und nach der Räumung

 

Kann die Räumung bis zum angesetzten Termin nicht verhindert werden, bleiben am Tag der Räumung verschiedene Möglichkeiten der Intervention: Nach § 765a Zivilprozessordnung kann der Gerichtsvollzieher die Räumung um eine Woche verschieben, wenn die Maßnahme wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Auch kann der Gerichtsvollzieher die Räumung aussetzen, wenn er die Überzeugung gewinnt, dass die von Räumung betroffene Person nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist. In diesem Fall muss zuerst ein gesetzlicher Betreuer benannt werden.

 

III.1 Findet in den Bezirken ein regelmäßiger Austausch zwischen Gerichtsvollziehern und Fachstellen statt?

 

III.2 Sind die Fachstellen über Räumungstermine der vor Ort tätigen Gerichtsvollzieher informiert? Wenn ja, in wie vielen Fällen waren Mitarbeiter der Fachstellen für Wohnungsnotfälle bei der Räumung anwesend?

 

III.3 In anderen Städten ist die Anwesenheit von Fachstellenmitarbeitern bei der Räumung die Regel. Teilweise versucht die Fachstelle dabei noch die Räumung ganz zu verhindern und mit den Gläubigern eine Lösung zu finden.

 

III.3.1 Falls die Fachstellen beim Räumungstermin vor Ort waren: In wie vielen Fällen konnte aufgrund der juristischen Handlungsmöglichkeiten die Räumung ausgesetzt werden?

 

III.3.2 Falls die jeweilige Fachstelle keinen Kontakt zum Gerichtsvollzieher sucht: Weshalb unterlässt der Senat diese Möglichkeit zur Verhinderung eines Räumungsvollzuges?

 

III.3.3 Werden die Gerichtsvollzieher hinsichtlich ihrer verschiedenen Handlungsmöglichkeiten geschult? Wenn ja, gibt es regelmäßige Weiterbildungen? Wenn nein, warum nicht?

 

III.3.4 Nach der vollzogenen Räumung: wie werden die Betroffenen auf die Möglichkeiten der öffentlichen Unterbringung hingewiesen?

 

III.4 Das Dokumentationssystem der Fachstellen weist unter anderem auch Daten aus, wie viele Zwangsgeräumte in öffentliche Unterbringung vermittelt werden. Wie lauten diese Daten für den Zeitraum 2006 nach Stadtteilen gegliedert?

 

IV. Öffentliche Unterbringung

 

IV.1 Wie viele Menschen leben in Hamburg in öffentlicher Unterbringung? Bitte die Daten für 2006 sowie den letzten verfügbaren Stand angeben. Bitte aufgliedern nach Geschlecht, Alter, Familienstand und Migrationshintergrund sowie nach Single, Alleinerziehenden, Familien und gemäß der Verteilung auf Unterkünfte von „f & w fördern & wohnen AöR“ und „Sonstigen“.

 

IV.2 Wie sieht hierzu der aktuelle Stellenplan – inkl. Sozialarbeiter für aktivierendes Sozialmanagement für die Betreuung von Wohnungslosen in öffentlicher Unterbringung - aus?

 

IV.3 Welche Veränderungen zum Zeitraum vor dem 01.07.2005 gab es hier aus jeweils welchem Grunde?

 

IV.4 Wurden Sozialarbeiter, die für die Betreuung von Wohnungslosen in öffentlicher Unterbringung zuständig waren, in die Fachstellen versetzt? Wenn ja, wie viele, wann und aus welchen Einrichtungen in welche Fachstellen?

 

IV.5 Wie lauten die aktuellen Daten über die Verweildauer in öffentlicher Unterbringung – unter Berücksichtigung der Verteilung auf die Bezirke sowie auf „f & w fördern & wohnen AöR“ und „Sonstige“?

 

IV.6 Wird der Senat das aktivierende Sozialmanagement für die Betreuung von Wohnungslosen in öffentlicher Unterbringung stärken, um die Verweildauer in öffentlicher Unterbringung zu verkürzen? Wenn nein, wie beabsichtigt der Senat das selbst postulierte Ziel zu erreichen, die Verweildauer in öffentlicher Unterbringung zu verkürzen und welche Zielzahlen sollen hier ggf. bis wann erreicht werden?

 

V. Kooperationsvertrag mit der Wohnungswirtschaft

 

Bereits am 14.11.2003 hat die damalige BSF per Pressemitteilung 600 zusätzliche Wohnungen auf Basis des Kooperationsvertrages mit der Wohnungswirtschaft angekündigt. Diese Ankündigung konnte seitdem nie erfüllt werden. Mit der Protokollerklärung der Senatsvertreter u.a. für den Sozialausschuss am 07.12.2006 hat der Senat erneut einräumen müssen, dass die Zielzahlen nicht einmal zur Hälfte erreicht werden. Von für 2006 laut Kooperationsvertrag zu versorgenden Haushalten 1174 waren bis Oktober 2006 gerade einmal 446 versorgt worden – bei sehr starken Ungleichgeweichten bei der Zielerreichung durch die beteiligten Wohnungsunternehmen. Besonders deutlich blieb auch die städtische SAGA – der Senat stellt hier den Aufsichtsratsvorsitz – unter der Zielmarke. Laut o.g. Protokollerklärung der Senatsvertreter werden mit den Wohnungsunternehmen „derzeit Gespräche geführt, um noch vorhandene Hindernisse zur vollständigen Umsetzung des Kooperationsvertrages zu beseitigen.“

 

V.1 Welche Hindernisse zur vollständigen Umsetzung des Kooperationsvertrages hat der Senat bzw. die zuständige Behörde identifizieren können?

 

V.2 Sind die Gespräche bereits abgeschlossen? Wenn ja, mit welchen konkreten Ergebnissen?

 

V.3 Die Fachstellen stufen die Obdach- bzw. Wohnungslosen in verschiedene Kategorien ein – u.a. in Abhängigkeit von Vermittlungshemmnissen.

 

V.3.1 Wie lautet die Zahl der 2006 vermittelten Wohnungen und wie verteilen sich die vermittelten Wohnungen auf Obdachlose der Kategorie I bis III?

 

V.3.2 Wie viele Obdachlose Kategorie III wurden in 2006 in Wohnungen für betreutes Wohnen vermittelt?

 

V.3.3 Wurden in den Vertrag auch Arbeitslosengeld-II-Empfänger aufgenommen, die von der ARGE Teamarbeit Hamburg zum Umzug aufgefordert wurden? Wenn ja, wie viele? Wenn nein, ist in Zukunft daran gedacht, diese von Wohnungsverlust bedrohte Gruppe aufzunehmen?

 

VI. Vermittlungsergebnisse in Wohnraum 2006

 

Mit der Protokollerklärung der Senatsvertreter u.a. für den Sozialausschuss am 07.12.2006 hat der Senat informiert, man habe – 2006 bis inkl. Oktober – „durch die Fachstellen 960 Haushalte aus öffentlicher Unterbringung in Wohnraum vermittelt.“ Weiter heißt es: „Die für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten zuständigen Sozialen Beratungsstellen hätten zusätzlich im Zeitraum Januar bis September 2006 150 zumeist obdachlose Haushalte in Wohnraum vermittelt.“ Hinzu kämen weitere Wohnungsvermittlungen durch das Auszugsmanagement von „f & w – fördern und wohnen“. Diese Zahl lasse sich aber „derzeit nicht exakt ermitteln, da es Überschneidungen mit der Dokumentation der Fachstellen gibt, die zum 1.1.2007 bereinigt werden.“

 

Wie lauten die Vermittlungszahlen für 2006 gegliedert nach

 

a. Fachstellen für Wohnungsnotfälle

 

b. Auszugsmanagement von „f & w“

 

c. Sozialen Beratungsstellen

 

unter Berücksichtigung der für Obdachlose von der BSG gebildeten Kategorien I bis III, der jeweiligen bezirklichen Verteilungen sowie des jeweiligen Anteils der Wohnungen nach dem Kooperationsvertrag mit der Wohnungswirtschaft hieran?