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Beitragsfreies letztes Kita-Jahr – aber nicht für alle: die schwarz-grüne „Kann-Kinder“-Regelung

Freitag, 08.01.2010

 

Die Bürgerschaft hat am 11. Juni 2009 mit dem „Gesetz zur Einführung des beitragsfreien Vorschuljah¬res“ und dem „Gesetz zur Änderung des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes“ be¬schlossen, die vorschulische Bildung eines erheblichen Teils der Hamburger Kinder im letzten Jahr vor Beginn des Schulbesuchs von Gebühren zu befreien.

 

Abweichend von den entsprechenden Regelungen zum Beispiel in Niedersachsen und Schleswig-Holstein gilt die Befreiung in Hamburg allerdings nicht für Kinder, die eine Kita besuchen, erst nach dem 30. Juni eines Jahres ihr sechstes Lebensjahr vollenden und dennoch im August eingeschult werden (sog. „Kann-Kinder“). Die El¬tern dieser etwa 2.000 Hamburger Kinder müssen auch im letzten Jahr vor Beginn des Schulbesuchs voll für die Bildung und Betreuung ihrer Kinder in der Kita zahlen.

 

Im Koalitionsvertrag von CDU und GAL heißt es demgegenüber: „Im Zusammenhang mit der Einführung eines kostenlosen vorschulischen Jahres wird vereinbart, dass auch die entsprechende Basisversorgung im letzten Kita-Jahr von den Gebühren befreit ist, (...).“

 

In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 05.05.2009 haben Sozialsenator Wer¬sich und Schulsenatorin Goetsch dies unter der Überschrift „Letztes Kita-Jahr und Vorschule ab September beitragsfrei“ bekräftigt. Im Haushaltsplan 2009/2010 sind die Mittel für jeweils einen kompletten beitragsfreien Jahrgang eingestellt.

Auch im Text der Senatsmitteilung an die Bürgerschaft (19/2993) findet sich kein Hinweis auf Einschränkungen der Beitragsfreiheit. Hier wird Bezug genommen auf § 38 des Hamburgischen Schulgesetzes, der ausdrücklich sowohl die Kinder, die vor dem 1. Juli das sechste Lebensjahr vollenden (Absatz 1), als auch die Kinder, die danach sechs Jahre alt werden (Absatz 2) benennt.

 

Erstmals im der Senatsmitteilung anliegenden Gesetzentwurf erfolgte die überra¬schende Ausgrenzung der in § 38 (2) genannten Kinder – die so genannten „Kann-Kinder“. Diese Regelung ist ungerecht und nicht zu rechtfertigen. Ein Kind, das zum Beispiel am 2. Juli Geburtstag hat und im August eingeschult wird, war genau so lange in der Kita wie ein Kind, das am 1. Juli Geburtstag hat. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum die Eltern des einen Kindes für die Betreuung zahlen sol¬len, die anderen aber nicht.

 

Die Ungleichbehandlung von Kita- und Vorschulkindern untergräbt zudem die Wahl¬freiheit der Eltern zwischen Kita und Vorschule, in pädagogischer Hinsicht als auch hinsichtlich des Erfordernisses von ganztägiger Betreuung.

 

Auch das Argument, man könne bei Kann-Kindern ja nicht wissen, ob sie letztlich tatsächlich als solche eingeschult würden oder nicht, ist nicht stichhaltig. Die Nach¬barländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein lösen dieses Problem, indem sie gezahlte Gebühren zurückerstatten, wenn die Kinder tatsächlich eingeschult werden. Das könnte die Hamburgische Verwaltung auch.

 

 

Wir fragen den Senat:

 

 

I. Kita-Kinder, die nicht beitragsbefreit sind und ihre Eltern-Beiträge

 

1. Wie viele Kann-Kinder, die nach dem Ergebnis ihrer 4 ½-jährigen-Untersu¬chung voraussichtlich vorgezogen im August 2010 eingeschult werden, besu¬chen derzeit eine Kita und sind dementsprechend nicht (anteilig) beitragsbe¬freit?

 

2. Bei wie vielen dieser Kinder hat die 4 ½-jährigen-Untersuchung im Untersu¬chungsturnus 2008/2009 stattgefunden, bei wie vielen erst im laufenden bzw. gerade abgeschlossenen Untersuchungsturnus?

 

3. In welcher Höhe entrichten die Eltern dieser Kann-Kinder, die in der Kita sind, und für die eine Einschulung 2010/2011 stattfinden soll, insgesamt monatlich lt. Gutschein Kita-Beiträge und Essensgeld?

 

4. In welcher Höhe hat die FHH in den Jahren 2007, 2008, 2009 Eltern-Beiträge (einschl. Essensgeld) für Kinder im letzten Kita-Jahr eingenommen?

 

5. Wie viele Kita-Gutscheine „mit Gebühren“ sind seit April 2009 für Kann-Kinder ausge¬geben worden?

 

 

II. Widersprüche, Klagen und weiteres Verfahren

 

6. In wie vielen Fällen in welchem Zeitraum wurden ggf. Bescheide für Kann-Kin¬der „ohne Gebühren“ in Bescheide „mit Gebühren“ geändert?

 

7. In wie vielen Fällen wurde Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Eltern-Beiträgen bei Kann-Kindern eingelegt? Bitte nach Bezirken und Monaten (Eingangsdatum) gliedern.

 

8. Wie viele dieser Widersprüche wurden bisher in welchen Bezirken mit welchen Begründungen wie beschieden?

 

9. Sofern keine Bescheidung erfolgte, weshalb nicht?

 

10. Welche Unterschiede zeigen sich hierbei ggf. zwischen den einzelnen Bezir¬ken?

 

11. Wie viele Klagen in Bezug auf die Kann-Kinder-Regelung sind daraufhin erho¬ben worden, wie ist der Stand der Verfahren?

 

 

III. „…können ja die Vorschule besuchen.“

 

12. Wie viele Anmeldeversuche von Kann-Kindern auf Vorschulen hat es für das laufende Vorschuljahr seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Einführung des bei¬tragsfreien Vorschuljahres“ und des „Gesetzes zur Änderung des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes“ gegeben?

 

13. Wie viele dieser Anmeldeversuche waren erfolgreich und wie viele wurden ab¬gelehnt? An welchen Schulen sind - jeweils wie viele - Kinder noch in eine Vorschulklasse nachgerückt?

 

14. Anteil der Kann-Kinder an den Vorschülerinnen und Vorschülern

14.1. Wie viele Kann-Kinder haben insgesamt die Hamburger Vorschulklas¬sen der Schuljahre 2007/2008 und 2008/2009 besucht, wie viele Kann-Kinder besuchen die Vorschulklassen 2009/2010?

14.2. Wie hoch war bzw. ist der jeweilige prozentuale Anteil an allen Vorschü¬lerinnen und Vorschülern gemäß 14.1.?

14.3. Wie viele Anmeldungen von Kann-Kindern gibt es für die Vorschulklas¬sen 2010/2011?

14.4. Wie hoch ist der prozentuale Anteil an allen Vorschülerinnen und Vor¬schülern?

 

15. Künftige Beitragsfreiheit

15.1. Gibt es Überlegungen seitens des Senats, die Beitragsfreiheit des letz¬ten Kita- / Vorschuljahres zurückzunehmen?

15.2. Wann wird ggf. die Entscheidung darüber fallen?

15.3. Wann läuft die Anmeldefrist für das Vorschuljahr 2010/2011 ab?