Zum Hauptinhalt springen

Gewalttätige Auseinandersetzungen am 1. Mai 2008

Donnerstag, 24.07.2008

Im Zuge demonstrativer Aktivitäten ist es am 1. Mai 2008 zu erheblichen Ausschreitungen gekommen. Im Anschluss haben Polizeiführung und Leitung der Innenbehörde mitgeteilt, die Lage habe nicht ausreichend kontrolliert werden können, weil nicht genug Polizeikräfte zur Verfügung standen und ein Gericht sehr kurzfristig entschieden hatte, dass eine Demonstration von Rechtsextremisten – wenn auch zeitversetzt – teilweise auf der selben Route verlaufen sollte wie eine Gegendemonstration. Mit dieser Entscheidung seien die polizeilichen Planungen vom Gericht überraschend unterlaufen und der Polizeieinsatz erschwert worden.

In seinem Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht (vgl. Drs. 19/221) unverblümt die Auffassung vertreten, die Versammlungsbehörde habe die im Vorfeld der Demonstrationen nötigen Entscheidungen nicht zügig genug getroffen, sondern „in einer Weise verzögert, die einer Verweigerung des gebotenen Rechtsschutzes“ gleichkomme. Weil die Polizei die Entscheidung über Auflagen der Gegendemonstration später als machbar getroffen habe, sei für die Gerichte nicht ausreichend Zeit geblieben, die Argumente mit angemessener Sorgfalt zu prüfen.

Im Ergebnis hat es in Hamburg-Barmbek am 1. Mai 2008 die seit vielen Jahren intensiv-sten gewalttätigen Ausschreitungen gegeben. Das Eigentum zahlreicher Hamburgerinnen und Hamburger wurde mutwillig zerstört. Straftaten wurden nicht verfolgt; in Gewahrsam genommene Störer wurden freigelassen, ohne dass ihre Identität festgestellt worden war. 39 Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben den Kopf auch für die Versäumnisse der Polizeiführung und der Leitung der BfI hinhalten müssen.

Trotz einer ganzen Reihe parlamentarischer Anfragen und einer Beratung im Innenausschuss am 1. Juli 2008 hat es bis dahin keine umfassende Schwachstellenanalyse in der Leitung von Polizei und Behörde gegeben. Eine ehrliche Aufarbeitung der Geschehnisse ist aber nötig, will man aus Fehlern lernen, vergleichbare Auseinandersetzungen bei künftigen Demonstrationen unterbinden und vermeiden, dass Bevölkerung und Polizeibeamte erneut derart belastet werden.

Nicht zuletzt, um diese Schwachstellenanalyse voranzutreiben, fragen wir den Senat:

 

1. Vorbereitung des Einsatzes: Zahl der Polizeikräfte

An dem Einsatz am 1. Mai 2008 waren 2.435 Polizeibeamtinnen und –beamte beteiligt, darunter 1.641 Beamte der Polizei Hamburg. Die Polizeiführung hat im Nachhinein erläutert, es hätte weiterer Polizeikräfte bedurft, um die Lage zu kontrollieren. Der heutige Innensenator hat auf mehrmalige Nachfrage im Innenausschuss eingeräumt, dass er – damals noch in seiner Funktion als Innenstaatsrat – nicht einmal den Versuch unternommen hat, zusätzliche Kräfte zu gewinnen, indem er seine Kollegen in anderen Ländern in persönlichen Gesprächen von der Notwendigkeit der Unterstützung der Hamburger Polizei überzeugt.

 

1.1. Bei der Räumung des Bauwagenplatzes ´Wendebecken´ im September 2004 waren mehr als 1.400 Polizeibeamte eingesetzt gewesen, bei der Demonstration zum sog. ASEM-Gipfel am 28. Mai 2007 knapp 1.300 und bei dem Aufzug am 15. Dezember 2007 rund 2.500 Polizistinnen und Polizisten (Drs. 18/887, 18/6342 und 18/7622).

Wie viele weitere Polizistinnen und Polizisten wären am 1. Mai 2008 zusätzlich notwendig gewesen, um die Lage kontrollieren und den Einsatz adäquat bewältigen zu können?

a) Trifft es zu, dass nach Einschätzung der Polizei etwa 1.000 zusätzliche Beamte (zu den 2.435 anwesenden Kräften) nötig gewesen wären, um den Einsatz angemessen abwickeln zu können?

b) Welche Einschätzungen zum Kräftebedarf hat die Polizei zu welchen Zeitpunkten im Vorfeld der Versammlungen getroffen?

 

1.2. Der Senat hat mitgeteilt (Drs. 19/246), man habe nach Unterstützungsersuchen gegenüber den anderen Polizeien vom 27. März und 21. April 2008 keine weiteren Kräfte angefordert: „Eine aus der fortschreibenden Lagebeurteilung erforderlich werdende Erhöhung des Kräftebedarfs“ habe die Polizei „aufgrund mangelnder tatsächlicher Realisierungsmöglichkeit nicht mehr formuliert“.

a) Hat es „aus der fortschreibenden Lagebeurteilung“ die Erforderlichkeit einer „Erhöhung des Kräftebedarfs“ gegeben? Wäre eine Erhöhung der Kräfte erforderlich gewesen?

b) Gegenüber wem wurde eine Erhöhung des Kräftebedarfs „nicht mehr formuliert“, wem gegenüber wurde sie ggf. formuliert? (Behördenleitung? IMK? Andere Länder?)

c) Zu welchen Zeitpunkten und aufgrund welcher Erkenntnisse ist die zuständige Behörde jeweils zu der Feststellung gelangt, es bestehe „keine Realisierungsmöglichkeit“, die Kräfte zu erhöhen?

 

1.3. Laut Senatsauskunft (Drs. 19/232) hat die Bundespolizei am Morgen des 1. Mai 2008 kurzfristig zusätzliche Kräfte von Berlin nach Hamburg verlegt: Sie habe „ihren Kräfteeinsatz für Aufgaben in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich“ um eine weitere Einsatzhundertschaft erhöht.

a) Aus welchem Anlass erfolgte die Verlegung? Gab es eine eigene Lagebeurteilung der Bundespolizei? Von wem wurden die Einsatzkräfte angefordert?

b) Welche Auswirkungen hatte die kurzfristige Erhöhung der Kräfte – oder eine ihr zugrundeliegende, eventuell geänderte Lagebeurteilung – der Bundespolizei auf den Gesamteinsatz?

c) Für welche Aufgaben wurden die kurzfristig herbei geholten Bediensteten der Bundespolizei nach Kenntnis der zuständigen Behörden eingesetzt? Handelt es sich ausschließlich um originäre Aufgaben der Bundespolizei oder auch um solche, die von Landespolizeien wahrgenommen werden?

d) Welche Aufgaben hat die Bundespolizei im Übrigen wahrgenommen? Welche Aufgaben haben diejenigen Kräfte der Bundespolizei wahrgenommen, die der Landespolizei Hamburg unterstellt waren?

 

1.4. Die Polizeiführung hat betont, die Einsatzplanung sei durch die kurzfristige Entscheidung des OVG am Abend des 30. April 2008 unterlaufen worden.

a) Warum hat es auch nach der Gerichtsentscheidung keine Bemühungen um weitere Polizeikräfte gegeben?

b) Die Bundespolizei hat kurzfristig entschieden, ihre Kräfte würden in Berlin weniger dringend gebraucht und eine Hundertschaft nach Hamburg verlagert. Warum ist nach Ansicht der zuständigen Behörde ausgeschlossen, dass nicht auch andere Bundesländer ihre Einschätzung ändern und auf Anfrage kurzfristig hätten umdisponieren können?

 

1.5. In der Sitzung des Innenausschusses am 1. Juli 2008 haben die Senatsvertreter erläutert, Hamburg habe für den Einsatz am 1. Mai 2008 acht Hundertschaften anderer Länder zur Unterstützung angefordert (zwei weitere für einen Einsatz am 30. April 2008). Parallel habe Bayern um 13 und Berlin letztendlich um 16 Hundertschaften ersucht. Im Ergebnis habe es in Hamburg eine tatsächliche Unterdeckung von vier Hundertschaften gegeben.

a) Wie viele auswärtige Hundertschaften haben am 1. Mai 2008 letztlich Bayern, wie viele Berlin, wie viele Hamburg und wie viele welche anderen Bundesländer unterstützt?

b) Gab es auch in Bayern und Berlin „Unterdeckungen“ und wenn ja, in welchem Ausmaß (gezählt in Hundertschaften und in Beamten)?

 

1.6. Wie ist das übliche Vorgehen, wenn sich abzeichnet, dass eine Landespolizei nicht ausreichend Unterstützung aus anderen Ländern erhalten wird, um einen bevorstehenden Einsatz zu bewältigen?

a) Wer entscheidet, welche Landespolizei welche andere Polizei in welchem Ausmaß unterstützt?

b) Trifft es zu, dass es üblich ist, dass die Staatssekretäre sich persönlich mit der Bitte um Unterstützung an ihre Kollegen anderer Länder wenden, wenn die Vereinbarungen auf Arbeitsebene nicht ausreichen?

c) Wie häufig ist es seit Beginn der vergangenen Wahlperiode in etwa vorgekommen, dass Hamburg sich – zum Beispiel auf Staatssekretärsebene – mit der Bitte um die Entsendung von Polizeikräften direkt an die Innenministerien anderer Länder gewandt hat?

d) Ist es seit Beginn der vergangenen Wahlperiode vorgekommen, dass Hamburg nach einer Intervention auf Staatssekretärsebene Einheiten zur Unterstützung einer anderen Polizei entsandt hat, nachdem dies auf Arbeitsebene abgelehnt worden war? Wann?

 

1.7. Gegenüber dem Innenausschuss haben die Senatsvertreter erklärt, andere Bundesländer hätten „ein Interesse an der Abgabe“ ihrer Polizeikräfte, da sie dafür ja auch Geld erhalten würden.

a) Nach welchen Vorgaben erfolgt die Erstattung der Kosten für auswärtige Polizeikräfte unter den Ländern und welchen Inhalt haben diese? Handelt es sich um eine Erstattung von Aufwendungen oder um eine Vergütung?

b) Spielt Geld eine Rolle bei Entscheidungen, ob und in welcher Zahl Hamburg eigene Kräfte zur Unterstützung anderer Länderpolizeien entsendet oder spielen ausschließlich einsatztaktische Erwägungen eine Rolle?

 

2. Vorbereitung des Einsatzes: Verzögerung des Gerichtsverfahrens

Das OVG hat der Versammlungsbehörde vorgeworfen, das Verfahren absichtlich verzögert zu haben. Nach Einschätzung des Gerichts hätte die Anmeldebestätigung, die die Auflagen für die Gegendemonstration festlegt, sofort nach Vorliegen der Lageeinschätzung am Freitag, 25. April 2008, erstellt werden müssen. Stattdessen wurde der Bescheid dem Anmelder der Versammlung erst am Vormittag des Dienstag, 29. April übermittelt.

 

2.1. In seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage (Drs. 19/246) hatte der Senat auf das dazwischen liegende Wochenende verwiesen; man habe (nur) an den Werktagen an den Unterlagen gearbeitet. Angesichts der absehbaren Größe der Versammlung, der sich abzeichnenden Gefahren und der Bedeutung des Ereignisses hätte es nahe gelegen, auch am Wochenende an dem Bescheid zu arbeiten. In der Sitzung des Innenausschusses haben Senatsvertreter zunächst auf Nachfrage behauptet, die Polizei habe auch am Wochenende an Verfügungen für die Demonstrationen am 30. April und am 1. Mai 2008 gearbeitet und mit Anmeldern kommuniziert. Im Ergebnis konnten die Senatsvertreter jedoch auf mehrmalige Nachfrage „nicht sagen, ob in der Versammlungsbehörde am Wochenende gearbeitet wurde“.

a) Wie stellt sich der Sachverhalt tatsächlich dar? Ist in der Versammlungsbehörde am Wochenende des 26./27. April 2008 im Zusammenhang mit den für 30. April und 1. Mai 2008 angemeldeten Demonstrationen gearbeitet worden?

b) Ist insbesondere in Vorbereitung der für den 1. Mai 2008 angemeldeten Gegendemonstration gearbeitet worden oder waren die Bediensteten der Versammlungsbehörde nur mit der für den 30. April 2008 vorgesehenen Demonstration beschäftigt?

c) Ist am Wochenende 26./27. April 2008 an der Anmeldebestätigung gearbeitet worden, welche den Anmeldern der Gegendemonstration am Vormittag des 29. April 2008 übermittelt wurde?

d) Hat es an jenem Wochenende Rücksprachen oder eine anderweitige Kommunikation mit Anmeldern der Gegendemonstration (oder ihrer anwaltlichen Vertretung) gegeben? Wann genau und worum ging es?

e) Wer entscheidet, ob zur Vorbereitung von Anmeldebestätigungen oder anderen Verfügungen im Vorfeld von Demonstrationen Wochenendarbeit bzw. Überstunden geleistet werden?

f) Wer hat entschieden, ob am Wochenende vor den Demonstrationen am 1. Mai 2008 an der Anmeldebestätigung für die Gegendemonstration gearbeitet wird?

 

2.2. Gegenüber dem Innenausschuss verwies Innensenator Ahlhaus als Senatsvertreter wiederholt darauf, dass es nicht zuletzt Sache der Veranstalter sei, eine Versammlung möglichst frühzeitig anzumelden, damit das Verfahren rechtzeitig in Gang komme und genug Zeit für etwaige gerichtliche Auseinandersetzungen bleibe. Das Versammlungsgesetz setzt den Anmeldern einer Demonstration lediglich eine Frist von wenigen Tagen (§ 14). Die in Rede stehende Gegendemonstration wurde am 16. März 2008 angemeldet, also mehr als sechs Wochen vor dem Termin am 1. Mai; die Bestätigung der Anmeldung durch die Versammlungsbehörde erfolgte am 29. April 2008.

a) Teilt der Senat die Einschätzung der Polizei, dass eine Lageeinschätzung, aufgrund derer etwaige Auflagen erst formuliert werden, präziser und belastbarer ist, je näher das Ereignis rückt?

b) Ist nach den Erfahrungen davon auszugehen, dass eine frühere Anmeldung der Versammlung – etwa bereits im Februar – auch zu einer früheren Formulierung von Lageeinschätzung und Anmeldebestätigung samt Auflagen geführt hätte?

 

2.3. Welche Position nimmt der Senat bzw. die zuständige Behörde gegenüber den Vorwürfen des Oberverwaltungsgerichts ein?

a) Wird die Feststellung des Gerichts, die Versammlungsbehörde habe dem Anmelder der Gegendemonstration die Anmeldebestätigung mit den Auflagen später als tatsächlich möglich übermittelt, für zutreffend gehalten?

b) Wird der Vorwurf, die Versammlungsbehörde habe das Verfahren verzögert, für gerechtfertigt gehalten?

c) Wird die Rüge des Oberverwaltungsgerichts, die Polizei habe die im Vorfeld der Demonstrationen nötigen Entscheidungen „in einer Weise verzögert, die einer Verweigerung des gebotenen Rechtsschutzes gleichkommt“, Auswirkungen auf die künftige Arbeit der Versammlungsbehörde haben? Wenn nein, weshalb nicht? Wenn ja, wie wird auf die Kritik reagiert?

 

2.4. Der Präses der Innenbehörde hat auf mehrfache Nachfrage im Innenausschuss zum Ausdruck gebracht, er habe keinen Anlass zur Kritik am Handeln der Polizei, insbesondere nicht im Hinblick auf die Geschwindigkeit ihrer Arbeit im Zusammenhang mit der Anmeldebestätigung für die Gegendemonstration. Entspricht diese Beurteilung der Auffassung des Senats?

 

3. Vorbereitung des Einsatzes: Kein Plan B bei negativem Gerichtsentscheid

Die Senatsvertreter haben gegenüber dem Innenausschuss eingeräumt, man sei von der Gerichtsentscheidung, welche die Vorgabe der räumlichen Trennung von Versammlung und Gegendemonstration teilweise aufhob, überrascht worden. Eine vorsorgliche Alternativplanung mit einer anderen Einsatzkonzeption war nicht ausgearbeitet worden.

3.1. Werden bei ähnlichen Sachverhaltskonstellationen auf Seiten der Versammlungsbehörde üblicherweise Überlegungen für den Fall angestellt, dass verfügte Auflagen gerichtlich nicht bestätigt werden?

3.2. Wird es künftig bei vergleichbaren gerichtlichen Auseinandersetzungen Überlegungen für den Fall geben, dass die Justiz zentrale Auflagen nicht akzeptiert?

3.3. Ist es üblich, dass vor solchen Großereignissen bzw. bei ähnlichen Großlagen keine alternativen Einsatzkonzeptionen vorgehalten werden?

3.4. Wird es künftig Bemühungen geben, verfügte Auflagen gegenüber Anmeldern bzw. Gericht von vornherein ausführlicher zu begründen, um etwaige Risiken, das Gericht könne eine Auflage verwerfen, zu vermeiden?

 

4. Vorbereitung des Einsatzes: Polizeilicher Notstand

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es ausnahmsweise möglich, Demonstrationen einzuschränken oder vollständig zu verbieten, wenn „eine Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann, etwa weil die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe zu ergänzende Mittel und Kräfte verfügt, um die gefährdeten Rechtsgüter wirksam zu schützen“. Mit Blick auf das am 1. Mai 2008 zu erwartende Versammlungsgeschehen und die nicht ausreichende Zahl verfügbarer Polizeikräfte hätte es also nahegelegen, zumindest zu prüfen, ob eine Demonstration unter Berufung auf den so genannten polizeilichen Notstand auf eine stationäre Kundgebung (statt eines Aufzuges) beschränkt werden könnte.

 

4.1. In Drs. 19/246 hat der Senat die Frage, ob erwogen worden ist, sich auf das rechtliche Institut des polizeilichen Notstands zu berufen, ohne Einschränkung verneint. Ein Sprecher der Polizei soll dagegen betont haben, es sei durchaus geprüft worden, ob eine polizeiliche Notstandslage ausgerufen werde (Hamburger Abendblatt vom 4. Juli 2008).

a) Hält der Senat an seiner Darstellung fest, es sei zu keinem Zeitpunkt erwogen worden, sich auf den polizeilichen Notstand zu berufen?

b) Welche Prüfungen hat es ggf. wann gegeben und mit welchen Erwägungen wurde eine Überlegung, ob ein polizeilicher Notstand vorliegen und Einschränkungen der Versammlungen rechtfertigen könnte, verworfen?

 

4.2. Gegenüber dem Innenausschuss haben die Senatsvertreter erklärt, die Berufung auf einen polizeilichen Notstand wäre nicht hilfreich gewesen, da die Demonstrationsteilnehmer „trotzdem kommen“ würden und die Polizei in diesem Fall „die Verpflichtung gehabt hätte, die Versammlung sofort aufzulösen“.

a) Berücksichtigt diese Darstellung die Option, eine Versammlung unter Berufung auf das Institut des polizeilichen Notstands zwar in der Form eines Aufzugs zu untersagen, aber als stationäre Kundgebung zuzulassen?

b) Ist die Polizei auch dann verpflichtet, eine Versammlung umgehend aufzulösen, wenn sie aufgrund polizeilichen Notstands als Aufzug verboten, aber als Kundgebung zugelassen wurde? Wie ist die Rechtslage in solchen Fällen?

 

4.3. Die Senatsvertreter haben im Innenausschuss des Weiteren mitgeteilt, die Polizei habe „nicht die Mittel, das Instrument des Notstandes durchzusetzen“.

a) Wie ist diese Darstellung zu verstehen?

b) Welche Mittel fehlen der Polizei?

c) Wenn die Polizei nicht einmal über die Mittel verfügt, das Instrument des Notstands durchzusetzen, wie kann sie sich dann in einem schwierigen Demonstrationsgeschehen behaupten?

d) Bedeutet die Aussage der Senatsvertreter, dass die rechtlichen und / oder die tatsächlichen Möglichkeiten der Polizei in vergleichbaren Fällen nicht greifen, weil sich die Teilnehmer einer Demonstration im Zweifel nicht an Auflagen oder Verbote halten?

 

5. Vorbereitung des Einsatzes: Lagebeurteilung

Die Lagebeurteilung der Polizei im Vorfeld des Einsatzes ist offenbar zu widersprüchlichen Einschätzungen gelangt. So wurde einerseits von einem „störungsfreien Verlauf“ der rechten Demonstration ausgegangen, gleichzeitig aber auf die „niedrigere Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gegen den politischen Gegner“ bei den sog. Autonomen Nationalisten hingewiesen. Es sei nicht auszuschließen, dass „die vereinzelte Konfrontation mit dem politischen Gegner gesucht werden könnte“. Dennoch haben die Führung von Polizei und Innenbehörde in ihren Stellungnahmen im Anschluss an den Einsatz vom 1. Mai 2008 wiederholt betont, von Art und Umfang der rechten Gewalt – insbesondere durch die sog. Autonomen Nationalisten – überrascht worden zu sein.

 

5.1. Welche Vorkehrungen waren angesichts der von den sog. Autonomen Nationalisten ausgehenden Gefahren getroffen worden?

 

5.2. Warum hat sich die Polizeiführung im Nachhinein trotz der Feststellungen ihrer Lagebeurteilung gegenüber der Öffentlichkeit überrascht gezeigt über das Auftreten eines autonomen nationalistischen Blocks in Hamburg bzw. dessen Aggressivität und Gewaltbereitschaft?

 

6. Einsatzgeschehen: Raumschutz

Regelhaft wird bei gleichgelagerten Demonstrationsgeschehen durch die Polizei ein eigener Einsatzabschnitt „Raumschutz“ eingerichtet. Dabei wird ein Teil der Gesamtkräfte eingesetzt, um die Gegend um die Demonstrationsroute herum (Seitenstraßen etc.) zu sichern. Gegenüber dem Innenausschuss haben die Senatsvertreter eingeräumt, mangels ausreichender Kräfte am 1. Mai 2008 auf diesen Einsatzabschnitt verzichtet zu haben. Im Ergebnis mussten mehrfach Beamte vom eigentlichen Demonstrationsgeschehen abgezogen werden, um für „Lagebereinigungen“ im Umfeld zu sorgen, nachdem Störer wiederholt ungehindert in Seitenstraßen entweichen, sich mit Steinen bewaffnen und Gewalt ausüben konnten.

 

6.1. Welche Einsatzabschnitte werden bei größeren Versammlungen in der Regel gebildet?

a) Aus wie vielen Polizeibeamtinnen und –beamten sollten die verschiedenen Einsatzabschnitte jeweils mindestens bestehen und was sind ihre Aufgaben?

b) Gibt es Erfahrungswerte, welchen Anteil an den bei einem größeren Aufzug insgesamt einzusetzenden Polizeikräften der Einsatzabschnitt „Raumschutz“ in der Regel ausmachen sollte? Welche Faustregel gilt insoweit?

 

6.2. Welche Einsatzabschnitte wurden zur Bewältigung des Demonstrationsgeschehens am 1. Mai 2008 vorgehalten, welche nicht?

a) Aufgrund welcher Erwägungen wurde entschieden, bei dem Einsatz am 1. Mai 2008 auf die Einrichtung eines Abschnitts „Raumschutz“ zu verzichten?

b) Wurde bei dem Demonstrationsgeschehen am 1. Mai 2008 über den Einsatzabschnitt „Raumschutz“ hinaus auf die Einrichtung weiterer Einsatzabschnitte oder Kräftereserven verzichtet, welche üblicherweise vorgehalten werden? Um welche handelt es sich und aus welchen Gründen erschienen sie verzichtbar?

 

6.3. Wie wird die Entscheidung, am 1. Mai 2008 auf die Einrichtung des Einsatzabschnitts „Raumschutz" zu verzichten, im Nachhinein beurteilt?

 

6.4. Wann genau wurde der Großeinsatz (in Barmbek) offiziell für beendet erklärt und aus welchen Gründen? Wie wird diese Entscheidung im Nachhinein beurteilt, nicht zuletzt mit Blick auf die Auseinandersetzungen im Schanzenviertel in der Nacht zum 2. Mai 2008 und die Notwendigkeit, zuvor in die Hausbereitschaft entlassene Beamte zurückzuholen?

 

7. Einsatzgeschehen: Anreise der Rechtsextremisten

Der Senat hat eingeräumt, dass die Anreise der Rechtsextremisten – anders als bei vergleichbaren Demonstrationen in der Vergangenheit – in weiten Teilen unkontrolliert erfolgte (Drs. 19/246). Obwohl Anreise und Sammelpunkte in der Lageeinschätzung des LKA ausdrücklich als „Gefahrenmomente“ skizziert wurden, hat die Einsatzleitung die Gefahren offenbar unterschätzt. So wurden 50 Rechtsextremisten zwar von der Bundespolizei zum U-Bahnhof Habichtstraße gebracht, eine Folgebegleitung durch die Hamburger Polizei unterblieb jedoch, weil nicht ausreichend Kräfte verfügbar waren. Von Wellingsbüttel aus hat sich eine Gruppe von 300 Rechten zu Fuß auf den Weg zu ihrer Versammlung nach Barmbek gemacht, die zeitweise nur von zwei Streifenwagen begleitet werden konnte.

 

7.1. Gegenüber dem Innenausschuss haben die Senatsvertreter ausgeführt, die Polizei habe nicht gewusst, „aus welcher Richtung die Teilnehmer der rechtsextremen Demonstration kommen“ würden.

a) Trifft diese Darstellung zu?

b) Hat es in der Vergangenheit vergleichbare Situationen gegeben, in denen Sicherheitsbehörden die Informationen fehlten, die nötig sind, die Anreise von Versammlungsteilnehmern angemessen vorzubereiten, zu kontrollieren und zu steuern?

c) Aus welchen Quellen bezieht die Polizei in der Regel ihre Informationen über Zahl und Anreisewege von Demonstrationsteilnehmern (Verfassungsschutz aus Hamburg und anderen Ländern, andere Polizeien, verdeckte Maßnahmen?)?

d) Welche Defizite hat es im Vorfeld der Demonstrationen am 1. Mai 2008 im Hinblick auf die polizeilichen Erkenntnisse zu Zahl und Anreisewegen insbesondere der Rechtsextremisten gegeben?

e) Weshalb hat es diese Wissenslücken gegeben? Hat es Probleme beim Informationsaustausch zwischen Behörden gegeben?

f) Werden Vorkehrungen getroffen, um künftig bei vergleichbaren Lagen möglichst alle Erkenntnisse vorzuhalten, die nötig sind, um neben der Versammlung als solcher auch An- und Abreise angemessen kontrollieren zu können? Welche?

 

7.2. Die Anreise der Teilnehmer der rechtsextremistischen Demonstration wurde nicht zuletzt dadurch erschwert, dass der S-Bahn Betrieb im Bereich Barmbek zeitweise gestört war (als Folge von Ausschreitungen linker Störer). In diesem Zusammenhang hat es offenbar unterschiedliche Darstellungen gegeben, wie lange die S-Bahn tatsächlich nicht betriebsbereit war.

a) Von wann bis wann hat die technische Störung gedauert, die durch ein Kleinfeuer ausgelöst wurde und zur Sperrung des S-Bahnverkehrs zwischen den Bahnhöfen Ohlsdorf und Barmbek geführt hat?

b) Wie lange war der S-Bahnverkehr insgesamt gesperrt?

c) War der S-Bahnverkehr noch gesperrt, nachdem die technische Störung bereits behoben war? Wenn ja, weshalb, wer hat das veranlasst und/oder angeordnet?

d) Welchen Einfluss haben Landes- und Bundespolizei darauf, ob der Verkehr einer S-Bahn am Rande eines Demonstrationsgeschehens unterbunden wird?

e) Welche Kommunikation hat es während der Sperrung der S-Bahn von dem Bahnunternehmen und der Bundespolizei mit der Hamburger Polizei gegeben, wann genau und mit welchen Ergebnissen?

 

8. Einsatzgeschehen: Durchsetzung von Auflagen

Die Gegendemonstration hat sich am 1. Mai 2008 offenbar erst gegen 12.00 Uhr in Bewegung gesetzt, obwohl zahlreiche Teilnehmer mit einem Beginn um 10.00 Uhr gerechnet hatten. Auf die Frage nach den Gründen dieser Verzögerung verwiesen die Senatsvertreter gegenüber dem Innenausschuss zunächst auf „die Gestaltungsfreiheit des Versammlungsleiters“. Tatsächlich hatte die Polizei aber eine versammlungsrechtliche Auflage verfügt, nach der der Aufzug um 11.30 Uhr hätte beginnen sollen (im Anschluss an eine Auftaktkundgebung ab 10.00 Uhr, Senatsauskunft Drs. 19/221).

 

8.1. Verfügen Versammlungsleiter über eine Gestaltungsfreiheit dergestalt, dass sie ohne Rücksicht auf polizeilich verfügte Auflagen über Beginn, Ablauf und Ende von Versammlungen bzw. Aufzügen frei entscheiden und spontane Änderungen veranlassen können? Wie stellt sich die Rechtslage dar?

 

8.2. Da sich die räumliche Trennung der beiden Demonstrationen infolge des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts nicht verwirklichen ließ, kam der zeitlichen Trennung besondere Bedeutung zu. Das Aufeinandertreffen von Teilnehmern der beiden Versammlungen war also nicht zuletzt dadurch zu vermeiden, dass die Gegendemonstration entsprechend dem Zeitplan ablief. Im Innenausschuss haben die Senatsvertreter auf Nachfrage keine Aussage dazu getroffen, was dafür getan wurde, dass sich der Aufzug der Gegendemonstration pünktlich in Gang setzt, damit er bei Beginn des Aufzugs der Rechtsextremen beendet bzw. weit genug entfernt ist.

a) Was hat die Polizei in der konkreten Situation – am 1. Mai 2008 ab 11.30 Uhr – unternommen, um die Demonstration in Bewegung zu bringen?

b) Wen hat sie insbesondere zu welchem Zeitpunkt darauf angesprochen, dass die Anfangskundgebung um 11.30 Uhr zu enden und der Aufzug zu beginnen hat, um einen ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten?

 

8.3. Der Präses der Innenbehörde hat als Senatsvertreter im Innenausschuss erklärt, es stelle sich die Frage, wie die Polizei die Auflage des pünktlichen Beginns eines Aufzugs durchsetzen solle; manche Auflagen, so der Innensenator, seien nicht durchsetzbar.

a) Teilt der Senat die Auffassung, bestimmte Auflagen, welche die Versammlungsbehörde zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei einer Demonstration verfügt, seien durch die Polizei faktisch nicht durchsetzbar?

b) Um welche Arten von Auflagen handelt es sich?

c) Ist es richtig, dass Leiter von Versammlungen gehalten sind, sämtliche polizeilich verfügten Auflagen umzusetzen? Gilt dies auch für solche Auflagen, die von der Polizei nicht durchgesetzt werden können?

d) Teilt der Senat die Auffassung, dass erteilte Auflagen, die von vornherein als nicht durchsetzbar erscheinen, per se rechtswidrig sind?

 

9. Einsatzgeschehen: Freilassung von Störern

Gegenüber dem Innenausschuss haben die Senatsvertreter eingeräumt, dass 159 Personen, die von der Polizei „zur Gefahrenabwehr“ in Gewahrsam genommen worden waren, ohne Feststellung ihrer Identität freigelassen wurden, weil die Polizeikräfte an anderer Stelle gebraucht wurden (unter anderem wohl für „Lagebereinigungen im Umfeld“). Ein Teil dieser aus dem Gewahrsam entlassenen Personen bewegte sich offenbar in Richtung des Krankenhauses Barmbek, wo es zu Belästigungen von Patienten gekommen sein soll.

 

9.1. Auf welchen Rechtsgrundlagen und wegen welcher Gefahren sind die 159 Störer zunächst in Gewahrsam genommen worden?

 

9.2. Wie kam es zu der Entscheidung, die Ingewahrsamnahme zu beenden?

a) Wer hat entschieden, dass die 159 in Gewahrsam genommenen Personen ohne Feststellung ihrer Identität oder Verbringung in die Gefangenensammelstelle zu entlassen sind, damit die Polizeikräfte anderweitig eingesetzt werden können?

b) Wann genau erfolgte die Entlassung der 159 Störer, wie lange (circa) hatten sie sich im Zeitpunkt ihrer Entlassung in Gewahrsam befunden und wo hielten sie sich auf?

c) Wie viele Polizeibeamte waren zunächst durch die Ingewahrsamnahmen gebunden und wurden durch die Entlassung der 159 Störer aus dem Gewahrsam frei für neue Aufgaben? Wo wurden diese Beamtinnen und Beamten in der Folge eingesetzt?

d) Wie viele Personen befanden sich zum Zeitpunkt der Entlassung der 159 Störer insgesamt in polizeilichem Gewahrsam? Wie viele wurden später (also zeitlich nach der Entlassung der 159) noch in Gewahrsam genommen?

 

9.3. Laut Senatsauskunft (Drs. 19/232) lagen der Polizei Mitte Mai 2008 Personaldaten zu insgesamt 64 in Gewahrsam genommenen Personen vor. Wurden inzwischen weitere Personen in diesem Sinne identifiziert?

 

9.4. Welche Erkenntnisse gibt es mittlerweile über das Geschehen am Krankenhaus Barmbek?

a) In welchem Umfang ist es zu Störungen gekommen und welcher Art waren die Belästigungen?

b) Wurden Strafanzeigen gestellt und welchen Stand haben etwaige Ermittlungsverfahren?

 

10. Nachbereitung des Einsatzes: Aufarbeitung polizei- und behördenintern

10.1. Auf die Frage nach einer Aufarbeitung und Analyse des Einsatzgeschehens haben die Senatsvertreter am 1. Juli 2008 gegenüber dem Innenausschuss erläutert, auf Seiten der Polizei stünde die Formulierung einer endgültigen, zusammenfassenden Auswertung und Bewertung noch aus. Diese beinhalte auch eine Berichterstattung gegenüber der Innenbehörde. Zwar hätten die Leitungen der einzelnen Einsatzabschnitte Berichte vorgelegt, es stünden jedoch noch Stellungnahmen der anderen eingesetzten Polizeien aus. Für die 28. oder 29. Kalenderwoche sei ein Gedankenaustausch geplant; man wolle „alle an einen Tisch holen“.

a) Hat die Innenbehörde bzw. ihre Leitung mittlerweile eine abschließende Berichterstattung der Polizei zu Einsatz und Geschehnissen am 1. Mai 2008 erreicht? Wenn ja, wann ist die Stellungnahme eingegangen und welche zentralen Aussagen werden darin getroffen? Wenn nein, für wann wurde die Analyse in Aussicht gestellt?

b) Ist die Auswertung der Ereignisse auf Seiten der Polizei abgeschlossen? Wenn ja, wann wurde der entsprechende Bericht über den Einsatz fertig gestellt? Wenn nein, welchen Zeitplan gibt es insoweit?

c) Sind inzwischen alle für die Berichterstattung nötigen Stellungnahmen eingegangen? Welche anderen Länder haben im Einzelnen Berichte übermittelt, von welchen Ländern stehen sie ggf. noch aus und wann wurde dort nachgefragt?

d) Hat der von den Senatsvertretern gegenüber dem Innenausschuss angekündigte Gedankenaustausch zum Einsatzgeschehen vom 1. Mai 2008 tatsächlich stattgefunden? Wenn ja, wann genau, unter wessen Beteiligung und mit welchen Ergebnissen?

 

10.2. Laut Senatsauskunft (Drs. 19/232) hat die Feuerwehr am 1. Mai 2008 Einsatzleitung und Einsatzzentrale personell verstärkt, über die Personalstärke von 353 Personen hinaus wurden aber keine Kräftereserven vorgehalten. Hat es in Feuerwehrführung und auf Seiten der zuständigen Behörde eine Aufarbeitung des Einsatzes der Feuerwehr gegeben?

a) War die Feuerwehr Hamburg in ausreichendem Maße in die Vorbereitung des Einsatzgeschehens eingebunden? Welche Optimierungen sind ggf. denkbar?

b) Welche Feststellungen sind hinsichtlich der Zahl der eingesetzten und vorgehaltenen Feuerwehrkräfte zu treffen? Wurden ausreichend Feuerwehrleute eingesetzt, waren ausreichend Feuerwehrkräfte auf Anforderung verfügbar und einsatzbereit? Soweit nein, inwiefern nicht und welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen?

c) In welchen Fällen und in welcher personellen Stärke werden üblicherweise bei größeren Demonstrationen oder vergleichbaren Großereignissen Kräftereserven der Feuerwehr vorgehalten? Aus welchen Gründen geschah dies am 1. Mai 2008 nicht?

 

10.3. Darauf angesprochen, dass er – noch in seiner Funktion als Staatsrat – eine sorgfältige Analyse des Gerichtsbeschlusses angekündigt hatte, erklärte der Innensenator gegenüber dem Innenausschuss, er habe keinen Anlass zur Kritik am Handeln der Polizei, insbesondere nicht mit Hinblick auf die Geschwindigkeit ihrer Arbeit an der Anmeldebestätigung für die Gegendemonstration.

a) Hat der heutige Präses der Innenbehörde den Beschluss des OVG und das Vorgehen der Versammlungsbehörde tatsächlich sorgfältig analysiert bzw. sich eine Analyse vorlegen lassen und wenn ja, wann?

b) Zu welchen Schlussfolgerungen ist die Analyse gelangt?

 

10.4. Als bis dahin – im Zeitpunkt der Sitzung des Innenausschusses am 1. Juli 2008 –einzig zu ziehende Konsequenz aus den Geschehnissen am 1. Mai 2008 kündigte der Innensenator gegenüber dem Ausschuss an, er beabsichtige, die Kräfteverteilung bei prekären Einsatzlagen auf Ebene der Innenministerkonferenz anzusprechen.

a) Wurde die Frage, wie die Polizeikräfte bei enger Personalstärke im Einzelfall besser auf die Länder verteilt werden können, inzwischen auf Bundesebene angemeldet? Wem gegenüber wurde das Thema der Kräfteverteilung wann angesprochen?

b) Welche Ziele werden dabei verfolgt? Welche Lösungsvorschläge wurden insoweit unterbreitet?

c) Ist absehbar, ob und wann eine Optimierung der Unterstützung der Polizeien untereinander in der Innenministerkonferenz oder auf anderer Ebene beraten wird? Welchen Stand haben etwaige Erörterungen?

 

11. Bilanz der Ausschreitungen am 1. Mai 2008

11.1. Laut Senatsauskunft (Drs. 19/232) sind im Zuge der Auseinandersetzungen am 1. Mai 2008 insgesamt 39 Polizistinnen und Polizisten verletzt worden; fünf Bedienstete mussten ambulant im Krankenhaus behandelt werden.

a) Wie viele der verletzten Polizeibeamtinnen oder -beamten stammten aus Hamburg und inwieweit hat es infolge der Verletzungen Krankschreibungen gegeben?

b) Um welche Art und Schwere von Verletzungen ging es bei den Behandlungen im Krankenhaus?

c) Inwieweit und mit welchem Ausgang hat es wegen der Verletzungen auf Seiten der Polizeibeamten Ermittlungsverfahren gegeben?

 

11.2. In welchem Ausmaß und in welcher Schadenshöhe ist es nach den bisherigen Erkenntnissen im Einzelnen zu Beschädigungen oder Zerstörungen gekommen insbesondere bei

a) Ausstattung der Polizei und der Feuerwehr (etwa von Einsatzwagen)?

b) Ausstattung und Einrichtungen des Öffentlichen Personennahverkehrs?

c) Häusern, Kraftfahrzeugen oder anderen Gütern privater Geschädigter?

 

11.3. Mit welchen Entschädigungen können insbesondere Private von welcher Seite rechnen, deren Eigentum im Zuge von Ausschreitungen beeinträchtigt wird?

a) Unter welchen Umständen können Versicherungen Schutz bieten, in welchen Fällen ist ein Aufwandsersatz von staatlicher Seite denkbar?

b) Im Zuge der Auseinandersetzungen am 1. Mai 2008 wurde unter anderem ein Reifenlager in der Habichtstraße in Brand gesetzt. Medien haben berichtet, der Reifenhändler sei nicht gegen derartige Schäden versichert gewesen; mit dem Brand sei seine wirtschaftliche Existenz vernichtet worden. Hat es von Senatsseite Bemühungen gegeben, den Unternehmer zu unterstützen? Wenn ja, wann genau und welche Hilfe wurde ihm angeboten?

c) Hat es weitere Fälle von Zerstörungen mit ähnlich schwerwiegenden Folgen für die Geschädigten gegeben? Worum handelt es sich und inwiefern hat sich die Stadt um die Betroffenen bemüht?

 

11.4. Welche Kosten sind der Stadt im Zuge der Demonstrationen und der Ausschreitungen um den 1. Mai 2008 entstanden, insbesondere im Hinblick auf

a) den Einsatz auswärtiger Polizeikräfte?

b) und die Reinigung und ggf. Reparatur öffentlicher Wege?

c) In welchem Ausmaß sind Überstunden angefallen und wie viel Mehrarbeit wurde insbesondere bei der Polizei geleistet?

 

11.5. Welche Strafverfahren gibt es im Nachgang zu den Auseinandersetzungen am 1. Mai 2008?

a) Gegen wie viele Beschuldigte wurde wegen Straftaten im Zuge der Auseinandersetzungen ermittelt und um welche Vorwürfe handelte es sich?

b) Wie ist der Stand der Ermittlungsverfahren, inwieweit konnten Verfahren bereits abgeschlossen werden und mit welchen Ergebnissen?

c) Inwieweit sind bei den Strafprozessen beschleunigte Verfahren angewandt worden?