HAMBURG WÄHLT DEMOKRATISCH Auch in den Wahlergebnissen spiegelt sich die konsequente Haltung der Hansestadt wider. Bei den Europawahlen stach Hamburg deutschlandweit als positives Beispiel heraus. Im Juni gab es für die AfD in der Hansestadt mit einem Ergebnis von acht Prozent nur leichte Zuwächse. Trotz zahlreicher Skandale und menschenverachtender Positionen erzielte die Partei als parlamentarischer Arm der rechtsextremen Strömungen in Deutschland bundesweit dagegen mit 15,9 Prozent das zweitbeste Ergebnis aller Parteien. In den ostdeutschen Bundesländern ist die rechtsextreme Partei noch deutlich stärker, wie die erschreckenden Landtagswahlergebnisse in Sachsen und Thüringen zeigen. Dabei spielen ihr auch die vielen aktuellen Herausforderungen in die Hände. „Rechtsextreme versuchen Ängste und Unsicherheiten auszunutzen, um daraus politisches Kapital zu schlagen“, mahnt Juliane Timmermann, SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Die notwendige Transformation der Wirtschaft, die Bewältigung der Inflation oder die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum – demokratische Parteien ringen miteinander um die besten Antworten für die komplexen Aufgaben unserer Zeit. Dabei ist der Ton mitunter rau, aber in der Regel konstruktiv. Wo rechte Stammtischparolen die Debatte bestimmen, fehlt dagegen oft der Wille, die Probleme auch wirklich anzugehen. „Wer einfache Antworten gibt, versucht darüber hinwegzutäuschen, dass er keine Lösungen hat“, so Timmermann. DIE GRENZEN DES SAGBAREN Auch wenn sich Hamburg positiv vom Rest der Republik abhebt, spürt man selbst hier eine Veränderung des politischen Klimas. Durch permanente Zuspitzung, Falschnachrichten und Tabubrüche vom rechten Rand haben sich die Grenzen des Sagbaren in Deutschland längst verschoben. Rechtsextreme und ihre politischen Vertreter nutzen dazu häufig rassistische oder frauenfeindliche Ressentiments und sprechen demokratischen Institutionen die Legitimation ab. Dabei werden die Positionen, allen voran der AfD, Schritt für Schritt radikaler. Selbst in Hamburg, wo sich die AfD im Gegensatz zu den ostdeutschen Landesverbänden lange um einen konservativen Anstrich bemüht hat, finden sich systematische Verbindungen zum Rechtsextremismus. So hat der Hamburger Parteivorsitzende im Rathauskeller mit bekannten Neonazis zusammengesessen. Der stellvertretende Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion hat ein Liederbuch mit rechtsextremen Inhalten herausgegeben und Mitarbeitende der AfD haben in der Vergangenheit an Nazi-Aufmärschen teilgenommen. Auch Danial Ilkhanipour, Experte für Rechtsextremismus der SPD-Fraktion Hamburg, beobachtet eine zunehmende Radikalisierung am rechten politischen Rand. „Die AfD arbeitet an der Abschaffung von Rechtsstaat und Demokratie und nutzt dafür alle Mittel“, fasst er die Lage zusammen. Sprachbilder aus dem Nationalsozialismus wie „Lügenpresse“ schüren Hass auf die Politik und die freien Medien. Mit konkreten Folgen: Beleidigungen und Übergriffe auf Politiker:innen und Wahlkämpfende haben zugenommen. Genau 88 Straftaten gegen politisch Aktive wurden 2023 allein in Hamburg registriert. WÄHLERTÄUSCHUNG MIT METHODE Die AfD versucht ganz gezielt die Glaubwürdigkeit etablierter Medien, die sich journalistischer Sorgfalt verpflichtet haben, zu untergraben. Sie verweist ihre Anhängerschaft stattdessen auf „alternative“ Medien, die ohne Qualitätskontrolle weitestgehend Falschnachrichten verbreiten. Dabei nutzt die Partei auf ihren Kanälen auch sogenannte Social Bots – Programme, die in sozialen Medien im Sinne der Rechten kommentieren. Unlängst präsentierte die Partei unter dem Titel „Gesicht zeigen“ Bilder von vermeintlichen Parteimitgliedern. Journalisten deckten auf, dass es diese Mitglieder in Wahrheit gar nicht gab – nicht einmal die Bilder waren echt, sondern mittels künstlicher Intelligenz erzeugt. „Rechtsextreme und ihre Parlamentarier brechen in der politischen Auseinandersetzung mit allen demokratischen Regeln für Anstand und Fairness und führen die Menschen damit ganz bewusst in die Irre. Das ist Wählertäuschung mit Methode“, fasst Ilkhanipour die Strategie der Rechtsaußenpartei zusammen. EIN BÜNDNIS DER GESELLSCHAFTLICHEN MITTE Die demokratischen Parteien, allen voran die SPD mit ihrer langen antifaschistischen Geschichte, stehen dieser Herausforderung gemeinsam gegenüber. Dort, wo rechtsextremes Gedankengut am besten verfängt, beherrschen häufig Zukunftsängste und finanzielle Nöte das Leben der Menschen. „Wir müssen gerade in dieser Zeit Zusammenhalt gegen Spaltung, Vielfalt und Toleranz gegen Hass und Hetze, verantwortungsvolle Politik gegen leere Versprechungen setzen“, erklärt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Schauspielerin und Intendantin Isabella Vértes-Schütter. „Als mit Abstand stärkste politische Kraft in Hamburg sind wir gefordert, unser Handeln immer wieder zu erklären, gerade auch dort, wo sich ein Gefühl von Unsicherheit breitgemacht hat.“ Beschäftigung und gute Löhne, bezahlbarer Wohnraum, Klimagerechtigkeit und gute Bildung für alle seien nur unter den Bedingungen der Demokratie zu haben, während Rassismus und Ausgrenzung die Gesellschaft nicht weiterbringen. Für die SPD-Politikerin ist daher ein ehrlicher und authentischer Umgang mit den Sorgen und Nöten unumgänglich. Gerade Politiker:innen müssten Probleme und ihre Lösungsvorschläge offen darlegen – ohne Fake News, KI oder Social Bots. Dies sei nicht nur die Aufgabe einer einzelnen Person oder Partei. Trotz der großen politischen Herausforderungen blickt Sozialdemokratin Vértes-Schütter zuversichtlich in die Zukunft: „Wir haben in Hamburg ein breites und starkes Bündnis der gesellschaftlichen Mitte. Es braucht weiterhin unser aller Engagement – in den Parlamenten aber auch in der Zivilgesellschaft –, um diesen bösen Geist zurück in die Flasche zu bekommen. Ich bin sicher, dass uns das gemeinsam gelingt.“ Topthema Abbildung: Shutterstock.com/klauscook Abbildung: Matthias Menden 07 PAULA Die Zeitung der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft No 5 kamen im Januar 2024 auf dem Jungfernstieg zusammen, um gemeinsam gegen rechte Netzwerke zu demonstrieren. Aufgrund der Menschenmassen musste die Demonstration schließlich abgebrochen werden. Der HVV stellte sogar den U-Bahn-Betrieb in der Innenstadt ein. 180.000 Menschen
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