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Wir brauchen ein breites Bündnis aller Demokrat:innen

Von Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg

Als die Sonne am 19. Januar 2024 das erste Mal durch die Wolken brach, schien ihr Licht auf 180.000 Menschen, die sich zu einer der größten Demonstrationen der letzten Jahrzehnte auf dem Jungfernstieg versammelt hatten. Viele weitere Hamburger:innen konnten die Innenstadt zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr erreichen, weil Busse und Bahnen heillos überfüllt waren. Was die Menschen auf die Straße trieb, war ihr Entsetzen über rechtsextreme Hetze in unserem Land. Die Präsenz der 180.000 war ein Lichtblick für unsere Demokratie und eine Auszeichnung für unsere Stadt.

Mit zunehmender Sorge haben wir in den letzten Jahren den langsamen Schwund unseres demokratischen und zivilisierten Miteinanders beobachten müssen. Kleinere und größere Entgleisungen, Skandälchen und Fake-News haben die Grenzen des Sagbaren längst nach rechts verschoben. Das schleichende Gift, das rechtsextreme Kräfte und ihr parlamentarischer Arm, die AfD, in unsere Gesellschaft tragen, schwächt unsere Demokratie langsam aber stetig. Mit der Correctiv-Veröffentlichung zum Geheimtreffen von Potsdam wurden das Ausmaß dieser Entwicklung und seine möglichen Konsequenzen plötzlich sehr real und greifbar. Dass Rechtsextreme und AfD-Funktionäre über die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland sprechen, zeigt, wie tief der Rechtsextremismus mittlerweile in der AfD verwurzelt ist.

Dennoch sitzen Abgeordnete der AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft und in den Bezirksversammlungen, die sich öffentlich mit dem Rechtsradikalen und Gastredner des Potsdamer Treffens, Martin Sellner, solidarisieren. Dass der AfD-Fraktionsvorsitzende sich mit Neonazis im Rathauskeller zusammensetzt, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende eine abgeänderte Version des Hitlerjugend-Liedes herausgegeben und der Pressesprecher der AfD-Fraktion in der Vergangenheit an mindestens einem rechtsextremen Aufmarsch teilgenommen hat – all das sind Belege dafür, dass auch die Hamburger AfD, die sich gerne gemäßigt gibt, ganz im Geist ihrer Bundespartei agiert. Und dieser Geist, das muss jetzt allen klar sein, steht für Hass, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit.

„Als SPD treten wir seit jeher entschieden gegen rechte und nationalsozialistische Ideen ein. Lasst uns 2024 gemeinsam zum Jahr der wehrhaften Demokratie machen."

Dirk Kienscherf, Fraktionsvorsitzender

Wir Demokrat:innen müssen die AfD inhaltlich stellen – mit guten Argumenten und Lösungsangeboten für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Zugleich müssen wir alle rechtlichen Möglichkeiten in Betracht ziehen, die uns das Grundgesetz bietet, um unsere Demokratie vor ihren Feinden zu schützen. Doch die Hürden – etwa für ein Parteienverbot – sind hoch und erfordern Sorgfalt, denn ein Scheitern nutzt letztlich den Falschen. Gerade deshalb kommt es heute auf Menschen wie die 180.000 vom Jungfernstieg an. Es braucht eine große, laute und sichtbare Mehrheit, die aufsteht und Widerspruch erhebt. Ich bin unglaublich stolz auf Hamburg und seine Menschen, denn zu den Kundgebungen der letzten Wochen kamen Hamburger: innen aus allen Bereichen der Gesellschaft, alte wie junge, Familien und Demokrat:innen jeglicher Couleur. Das Gefühl, jetzt für unsere Demokratie einstehen zu müssen, treibt uns alle an. Diese enorme Kraft der Zivilgesellschaft müssen wir uns bewahren. Wir brauchen weiterhin ein breites Bündnis der gesellschaftlichen Mitte, das Zusammenhalt gegen Spaltung, Vielfalt und Toleranz gegen Hass und Hetze, verantwortungsvolle Politik gegen leere Versprechungen setzt. Die Geschichte hat uns gelehrt: Wenn die Freiheit bedroht ist, dürfen Demokrat:innen niemals schweigen. Als SPD treten wir seit jeher entschieden gegen rechte und nationalsozialistische Ideen ein. Lasst uns 2024 gemeinsam zum Jahr der wehrhaften Demokratie machen.