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20 Prozent mehr Opfer von Straftaten seit 2001 – Hamburg hat nicht tausende Opfer weniger, sondern tausende mehr

Mittwoch, 06.06.2007

Die Zahl der Straftaten in Hamburg ist erfreulicher Weise in den letzten Jahren zurückgegangen. Auch die Polizeiliche Kriminalstatistik 2006 (PKS 2006) kann gegenüber dem Vorjahr 2005 einen Rückgang von – 3,4 % verzeichnen. Senator Udo Nagel hat bei der Vorstellung der PKS am 01. März 2007 daraus den Schluss gezogen, dass durch den Rückgang der Straftaten auch die Zahl der Opfer gesunken ist. Dem stehen jedoch die tatsächlich in der PKS erfassten Opferzahlen entgegen. Seit 2001 ist die Zahl der Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind, kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2001 sind rund 29.000 Menschen Opfer einer Straftat geworden, im Jahr 2006 wurden 34.320 Opfer registriert. Das bedeutet einen Anstieg der Opferzahlen um gut 20 % seit 2001. Dieser Anstieg ist alarmierend.

Zwar ist ein Teil des Anstiegs auch auf die gestiegene Anzeigebereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zurückzuführen, aber gleichwohl ist die steigende Opferzahl auch Dokument der zunehmenden Brutalisierung in unserer Stadt. So sind Rohheitsdelikte seit 2002 um 24 % gestiegen, Körperverletzungen sogar um fast 40 %. Zurückgegangen sind dagegen Delikte, bei denen Menschen nicht in ihrer persönlichen und körperlichen Integrität zu Schaden kommen (Diebstähle z.B.).

 

Gemäß den PKS-Richtlinien sind Opfer „natürliche Personen, gegen die sich die mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar richtete.“

 

Um einen präziseren Überblick über die Opferzahlen und zentrale Indikatoren des Opferschutzes zu erhalten, fragen wir den Senat:

 

A) Opferstatistik

 

1. Wie hat sich die Zahl der Opfer von Straftaten (im Sinne der Opfer-Definition der PKS) seit 2001 bis heute entwickelt (bitte für jedes Jahr einzeln in absoluten Zahlen sowie prozentuale und absolute Gesamtveränderung 2006 gegenüber 2001 ausweisen)?

 

a) insgesamt?

 

b) nach Geschlecht?

 

c) nach Altersgruppen (Kinder, Jugendlichen, Heranwachsende, 21 bis unter 60 J., 60 J. und älter) insgesamt?

 

d) nach Altersgruppen (Kinder, Jugendlichen, Heranwachsende, 21 bis unter 60 J., 60 J. und älter) in den einzelnen Straftaten- und Deliktsgruppen (Darstellung wie in der PKS 2006, Seite 33-35, aufgegliedert nach den Jahren)?

 

e) In den Hamburger Bezirken und Stadtteilen?

 

2. Wie hat sich die Opfer-Tatverdächtigten-Beziehung seit 2001 in den verschiedenen Deliktsbereichen bis heute entwickelt (bitte für jedes Jahr einzeln in absoluten Zahlen sowie prozentuale und absolute Gesamtveränderung 2006 gegenüber 2001 ausweisen und wie in der PKS 2006, Seite 36, darstellen)?

 

3. Wie beurteilt der Senat bzw. die zuständige Behörde die Entwicklung der Opferzahlen der letzten fünf Jahre?

 

B.) Umsetzung der gesetzlichen Schutzmöglichkeiten für Opfer in Hamburg

 

1. Durch das Zeugenschutzgesetz 1998 (ZSchG) wurde die Möglichkeit der sog. Videovernehmung erheblich erweitert (vgl. §§ 58 a, 168 e, 247 a, 255 a StPO). Neben der Sicherung von Beweismitteln ist ihr erklärter Zweck primär der (Opfer) Zeugenschutz insbesondere durch Vermeidung von Mehrfachvernehmungen.

 

a) Wie viele Videovernehmungen in Straf- und Ermittlungsverfahren gab es seit In-Kraft-Treten des § 58 a Absatz 1 Satz 2 StPO jeweils jährlich in Hamburg?

 

b) Welchen Deliktsbereichen lassen sich diese Verfahren im Wesentlichen zuordnen? Wie stellt sich die Entwicklung dar? (Bitte jährlich in konkreten Zahlen aufzeigen.)

 

c) Wie viele Videovernehmungen von Kindern und unter 16-jährigen werden seit In-Kraft-Treten des § 58 a Absatz 1 Satz 2 StPO jährlich in Hamburg durchgeführt? Welchen Deliktsbereichen lassen sich diese Verfahren im Wesentlichen zuordnen? Wie stellt sich die Entwicklung dar?

 

d) Wie viele Videovernehmungen von Erwachsenen werden seit In-Kraft-Treten des § 58 a Absatz 1 Satz 2 StPO jährlich in Hamburg durchgeführt? Welchen Deliktsbereichen lassen sich diese Verfahren im Wesentlichen zuordnen? Wie stellt sich die Entwicklung dar?

 

e) In wie vielen Fällen wurde nach § 406 f Absatz 3 StPO im fraglichen Zeitraum einer Vertrauensperson der/des Verletzen die Teilnahme an der Vernehmung jährlich gestattet? Wie stellt sich die Entwicklung dar? Wie hoch ist der Anteil der Kinder und unter 16-jährigen Verletzten, die durch eine Vertrauensperson unterstützt werden? (Bitte prozentual und als Zahl angeben.)

 

f) Gab es seit In-Kraft-Treten des § 58 a Absatz 1 Satz 2 StPO Fälle, in denen eine Videovernehmung von in Betracht kommenden Kindern und Jugendlichen in Hamburg nicht oder nur verzögert durchgeführt werden konnte? Wenn ja, welche, wann und wie kam es dazu? Wenn nein, konnte dem § 58 a StPO in allen in Betracht kommenden Fällen umgehend entsprochen werden?

 

g) Im November 2005 standen laut Senatsauskunft (Drs. 18/3261) beim Landgericht Hamburg drei Sitzungssäle zur Verfügung, die auch die Aufnahme von Zeugenvernehmungen nach § 58 a StPO zulassen. Zudem verfügte die Polizei über einen Videovernehmungsraum beim Landeskriminalamt 42. Haben sich die Kapazitäten seit dem geändert? Wenn ja, inwiefern? Hat sich an der Ausstattung dieser Vernehmungsräume etwas geändert? Wenn ja, welche Änderungen wurden vorgenommen und was war der Grund für die Veränderung?

 

h) Plant der Senat eine Kapazitätsausweitung bei den Möglichkeiten der Videovernehmung? Wenn ja, wann wie und warum? Wenn nein, warum nicht?

 

2. Durch das Opferrechtsreformgesetz (OpferRRG) vom 1. September 2004 wurde unter anderem die Nebenklage als Grundmodell der Opferbeteiligung ausgebaut. Für Nebenkläger/Nebenklägerinnen, die Opfer besonders schwerer Delikte sind, kann – einkommensunabhängig – ein sog. Opferanwalt nach § 397 a StPO auf Staatskosten bestellt werden. Zudem können durch die eingefügten §§ 273 Absatz 2, 323 Absatz 2 StPO Vernehmungen von Opferzeugen auf Tonträgern aufgezeichnet werden, um wiederholte persönliche Vernehmungen zu vermeiden.

 

a) Wie oft wurde in Hamburg seit Einführung des § 397 a StPO der sog. Opferanwalt nach Absatz 1 beantragt?

 

b) Wie oft wurde den Anträgen nach § 397 a Absatz 1 StPO entsprochen und der Opferanwalt bestellt? In wie vielen Fällen wurde aus welchen Gründen dem Antrag nicht nachgekommen? (Bitte jährlich darlegen).

 

c) In wie vielen Fällen jährlich handelte es sich bei den Nebenklägern um Kinder und Jugendliche?

 

d) Wie hoch waren die Kosten pro Jahr, die durch die Bestellung von Opferanwälten bisher durchschnittlich entstanden sind? (Bitte pro Jahr auflisten.)

 

e) Wie beurteilt der Senat bzw. die zuständige Behörde die Möglichkeit der Aufzeichnung von Opfervernehmungen auf Tonträgern zur Vermeidung von Mehrfachvernehmungen nach den §§ 273 Absatz 2, 323 Absatz 2 StPO? Hat sich diese Regelung aus Sicht des Senates bzw. der zuständigen Behörde bewährt?

 

f) Welche Deliktsbereiche lagen den Verfahren zugrunde, in denen von der Möglichkeit der Tonaufzeichnung nach den §§ 273 Absatz 2, 323 Absatz 2 StPO Gebrauch gemacht wurde?

 

g) Wie oft wurde nach Einführung der §§ 273 Absatz 2, 323 Absatz 2 StPO von der Tonbandaufzeichnung Gebrauch gemacht?

 

3. Erklärtes Ziel des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG), das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, ist die Bekämpfung der Gewalt im Allgemeinen und der häuslichen Gewalt im Besonderen. § 1 GewSchG ermöglicht es dem Gericht, auf Antrag bestimmte Maßnahmen gegen eine Person zu erlassen, die vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit der antragstellenden Person widerrechtlich verletzt hat. Nach § 2 GewSchG kann das Gericht auch anordnen, dass der Täter/die Täterin eine mit der verletzten Person gemeinsam genutzte Wohnung zunächst der verletzten Person für eine bestimmte Zeit überlassen muss. Seit Juni 2005 werden die Vorschriften des GewSchG zudem auf Landesebene durch § 12 b HmbSOG flankiert. Danach hat das Zivilgericht die Polizei über die Beantragungen von Schutzanordnungen nach §§ 1 und 2 GewSchG und die in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

a) Wie hat sich die Zahl der Wegweisungen/Betretungsverbote nach § 12 b HmbSOG von 2001 bis heute entwickelt (bitte jahreweise angeben)?

 

b) In wie vielen Fällen kam es seit Einführung des § 12 b HambSOG zu Mehrfacheinsätzen bei Tätern bzw. bei Opfern? In wie vielen Fällen wurden seit Einführung des Gewaltschutzgesetzes bzw. des § 12 b SOG Mehrfach-Täter erfasst (bitte jahreweise angeben)?

 

c) In wie vielen Fällen hatten Kinder und/oder Jugendliche ihren Lebensmittelpunkt in der betroffenen Wohnung (bitte jahreweise angeben)? Wie viele Kinder und Jugendliche waren von Gewalthandlungen unmittelbar betroffen (bitte jahreweise angeben)?

 

d) Wie viele Verfahren nach §§ 1 und 2 GewSchG wurden seit Einführung des Gesetzes bei den Familiengerichten in Hamburg erfasst bzw. in wie vielen Fällen wurde die Polizei durch die Zivilgerichte über Schutzanordnungen nach §§ 1 und 2 GewSchG in Kenntnis gesetzt (bitte jahreweise angeben)?

 

e) In wie vielen Fällen und mit welchem Ergebnis wurde die Polizei im Anschluss daran zur Durchsetzung der Schutzanordnung tätig? In wie vielen Fällen haben die Strafverfolgungsbehörden aufgrund der erlangten Kenntnisse gemäß § 163 StPO von Amts wegen strafrechtliche Ermittlungen einleiten müssen? Welche Delikte lagen diesen Ermittlungen zugrunde? Sind Fälle bekannt, in denen es bei Mehrfach-Tätern letztlich zu Tötungsdelikten gekommen ist? Wenn ja, in wie vielen Fällen (bitte jahreweise angeben)?

 

f) Hat es im 2. Halbjahr 2006 sowie im 1. Quartal 2007 im Hinblick auf die Anwendung von § 12 b Absatz 1 SOG Beschwerden, Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren gegeben? Wenn ja, wann, wie oft, welchen Inhalts und mit welchem Ergebnis?

 

g) In wie vielen Fällen war der Täter / die Täterin dem Opfer bzw. den Opfern bekannt? Wie viele sog. Stalkingfälle wurden erfasst? In wie vielen Fällen handelte es sich um eine Beziehungstat?

 

h) Wie viele Ermittlungsverfahren nach § 4 GewSchG hat es seit Einführung des Gesetzes in Hamburg gegeben? (Bitte jahreweise angeben.)

 

4. Zum Ausgleich der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Gewalttat hat das Opfer Anspruch auf Leistungen nach dem OEG (in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)), wenn der Entschädigungsanspruch gegen den Täter auf zivilrechtlichem Wege unmöglich ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Täter nicht ergriffen oder wegen fehlender Leistungsfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden kann.

 

a) Wie viele Anträge auf Entschädigung nach dem OEG wurden im Jahr 2006 und dem 1. Quartal 2007 gestellt?

 

b) In wie vielen Fällen wurden im fraglichen Zeitraum Entschädigungen bewilligt? (Bitte auflisten in Bewilligungen mit und ohne Rente.)

 

c) Wie hoch ist die Summe der Zahlungen, die das Land Hamburg im Jahr 2006 und dem 1. Quartal 2007 aufgrund des OEG gezahlt hat?

 

5. Ein weiteres wichtiges Ziel des Opferschutzes ist es, den Opfern die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen gegen den Täter zu erleichtern. Diesem Zweck dient insbesondere das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 StPO. Im Adhäsionsverfahren kann der/ die Verletzte einen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren mit geltend machen. Dieses beschleunigt zum Einen die gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Opfer, zudem erleichtert dieses Verfahren auch die Durchsetzung für das Opfer erheblich. Denn ihm bleibt das streitige Verfahren vor den Zivilgerichten erspart, im Adhäsionsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des Strafverfahrens. Durch das OpferRRG wurde die Durchsetzung des Adhäsionsverfahrens für den/ die Verletzte noch vereinfacht.

 

a) Wie viele Entscheidungen im Adhäsionsverfahren sind an den Hamburger Gerichten in den Jahren 2005 und 2006 ergangen? (Bitte pro Gericht angeben.)

 

b) Wie viele Adhäsionsverfahren sind im 1. Quartal 2007 an den Gerichten in Hamburg anhängig gewesen?

 

6. Zur Abschöpfung von Verbrechensgewinnen

 

a) Im Haushaltsjahr 2005 sind der Staatskasse Mittel in Höhe von 1.220.760,30€ im Wege der Vermögensabschöpfung zugeflossen. Wie hoch war die Summe der abgeschöpften Verbrechensgewinne im Haushaltsjahr 2006?

 

b) Im Jahr 2005 sind Vermögenswerte in Höhe von 3.142.496,10 € zum Zweck der Vermögensabschöpfung beschlagnahmt worden. In welcher Höhe sind im Jahr 2006 Vermögenswerte zum Zweck der Vermögensabschöpfung beschlagnahmt worden?

 

c) Im Jahr 2005 sind Vermögenswerte in Höhe von 7.137.247,83 € zur Rückgewinnungshilfe beschlagnahmt worden. In welcher Höhe sind 2006 Vermögenswerte zur Rückgewinnungshilfe beschlagnahmt worden?

 

d) Über welchen Betrag der IM Jahr 2006 vorläufig gesicherten Vermögenswerte ist bereits entschieden worden und hinsichtlich welchen Betrages steht eine rechtskräftige Entscheidung noch aus?

 

e) In welcher Höhe wurden 2006 der Staatskasse Mittel zugesprochen, in welcher Höhe ist eine Rückgewinnung zugunsten der Opfer erfolgt und in welcher Höhe ist die Einziehung beschlagnahmter Vermögenswerte letztlich im Ergebnis nicht erfolgt?