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NSU-Komplex und rechte Netzwerke in Hamburg – Verbindungen von Hamburg zum NSU

Donnerstag, 04.05.2023

Einleitung für die Fragen:

 

Die Geschichte des rechten Terrors zieht eine blutige Spur auch durch die Vergangenheit der Stadt Hamburg, deren Wahrnehmung von Weltoffenheit und Vielfältigkeit geprägt ist. Aber eben auch hier führten neonazistische Angriffe

zu schweren körperlichen und seelischen Verletzungen. So wurde am 27. Juni 2001 der Gemüsehändler Süleyman Ta?köprü in seinem Laden in Hamburg erschossen. Erst zehn Jahre später stellte sich heraus, dass eine rechtsextreme Terrorgruppe, der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) den 31-Jährigen ermordet hat. Netzwerke und Strukturen, aus denen heraus Angriffe und Morde wie dieser ideologisch unterfüttert, organisiert und durchgeführt wurden, aufzuzeigen, ist eine bestehende Herausforderung, um auf diese Gefährlichkeit von Rechtsextremismus aufmerksam zu machen.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

 

Frage 1: Welche Erkenntnisse haben der Hamburger Senat und die Sicherheits- und Justizbehörden über eine Rechtsschulung, die Gisa P. am 31. Oktober 1997 in der Gaststätte Heilsberg, dem Treffpunkt des Thüringer Heimatschutz in Thüringen abhielt. Welche neonazistischen Strukturen und Kader waren dort anwesend? Nahmen dort auch Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle teil? Wie bewerteten die Sicherheits- und Justizbehörden dieses Ereignis?

Frage 2: Welche Erkenntnisse haben der Hamburger Senat und die Sicherheits- und Justizbehörden über eine Rechtsschulung, die Jürgen Rieger 1997 in Hetendorf abhielt. Welche neonazistischen Strukturen und Kader waren dort anwesend? Nahmen dort auch Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle teil? Welche Rolle für die Radikalisierung rechter Kräfte spielten diese Veranstaltungen?

Frage 3: Vom 14. bis 22.06.1997 fand die 7. Hetendorfer Tagungswoche statt. Nahmen Beate Zschäpe und André Kapke teil? Nahm Tobias T. teil? Welche Hamburger Neonazis haben sich an der Organisation des Treffens beteiligt? Was ist über den Verlauf des Treffens bekannt? Wie bewerteten die Sicherheits- und Justizbehörden dieses Ereignis?

Frage 4: Liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde Foto(s) vor, die Thomas Wulff zusammen mit Uwe Mundlos zeigen, und zwar auf einer von Wulff organisierten Rudolf-Heß-Gedenkdemonstration im August 1996, an der neben Mundlos auch Zschäpe teilnahm? Wenn nein, warum nicht?

Frage 5: Liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde darüber hinaus weitere Fotos vor, die zumindest Kontakte zwischen Personen aus der Hamburger Neonaziszene und Personen des NSU beziehungsweise seines nächsten Umfeldes belegen? Wenn ja, mit welchen Personenkonstellationen?

Frage 6: Inwiefern und zu welchem Zeitpunkt seit 1994 hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde eigene und originäre Erkenntnisse über Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe sowie die weiteren Angeklagten des Münchner Prozesses André Eminger, Holger Gerlach, Carsten Schultze und Ralf Wohlleben gewonnen?

Frage 7: Wann und wie erhielten die Hamburger Behörden Kenntnis von der sogenannten „Akte Drilling“ des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) in der Erwähnung fand, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe im nördlichen Bereich der Bundesrepublik untergekommen sein sollen?

 

Hamburger Propagandaschriften als ideologische Grundlage des NSU

Frage 8: Welche Erkenntnisse haben der Hamburger Senat und die Sicherheits- und Justizbehörden über das Propagandablatt „Bramfelder Sturm“, das von Torben K. und Thorsten B. nach dem Verbot der Nationalen Liste gegründet wurde? Welche Erkenntnisse haben der Hamburger Senat und die Sicherheits- und Justizbehörden über das Propagandablatt „Hamburger Sturm“? Welche Rolle spielte es für die rechtsextreme Szene? Welche Bezüge sind zum NSU und anderen rechtsterroristischen Gruppen erkennbar? Welche Rolle kommt den Neonazis Torben K. und Thorsten B. zu? Welche Verbindungen gibt es zwischen ihnen und Nazikadern anderer Bundesländer? Liegen Erkenntnisse über Verbindungen oder Kennkontakte zum NSU oder anderen rechtsterroristischen Gruppen vor?

Frage 9: Wie, wann und durch wen erfuhren die Hamburger Sicherheits- und Justizbehörden, dass das Hamburger Rechtsterrorkonzept mit dem Titel „Eine Bewegung in Waffen“ aus dem Hamburger Fanzine „Hamburger Sturm“ 1998 in der Garage der Zwickauer Zelle des NSU gefunden wurde? Welche Schlüsse wurden daraus gezogen?

Frage 10: Wie beurteilten der Senat und die Sicherheits- und Justizbehörden damals und heute ein Interview „aus dem Untergrund“ in der Mai-Ausgabe 1999 des Hamburger Sturm, in dem es hieß: „Wir sind eine Gruppe von mehreren Personen, die in der NPD politisch tätig sind, aber mit dem NPD-Führungsstil unzufrieden sind. Unser Weg ist der aus dem Untergrund handelnde Aktivist. Also der der Freien Nationalisten, der National-Revolutionären Zellen.“

Frage 11: Welche Verbindungen bestanden zwischen dem V-Mann Carsten Szczepansky, der eine Führungsfigur der National-Revolutionären Zellen war und Hamburger Neonazis?

Frage 12: Welche Erkenntnisse gewannen die Sicherheits- und Justizbehörden bei den Durchsuchungen die Mitte Januar 2000 von der Hamburger Staatsanwaltschaft und Polizei bei Postfächern und Wohnungen von Hamburger Kadern durchgeführt wurden? Liegen den Hamburger Sicherheits- und Justizbehörden Asservate vor, die auf Verbindungen zum Thüringer Heimatschutz, der Zwickauer Zelle oder anderen Terrorzellen hindeuten?

 

Rechtsrock, B&H, Hammerskins

Frage 13: Welche Erkenntnisse liegen dem Senat sowie den Sicherheits- und Justizbehörden über ein Neonazi-Konzert vor, das im Februar 2001 in Hamburg stattfand, vor? Welche Strukturen nahmen daran teil? Wurde das Konzert von dem rechtsextremen Netzwerk „Blood-and-Honour“ organisiert?

Frage 14: Welche Konzerte wurden von „Blood-and-Honour“ in Hamburg organisiert?

Frage 15: Welche von Hammerskin-Strukturen organisierten Konzerte fanden in Hamburg und Umgebung im Untersuchungszeitraum statt unter aktiver Beteiligung welcher Hamburger Neonazis?

Frage 16: Welche Vertriebsstrukturen für Rechtsrock, insbesondere der Hammerskins, existierten im Untersuchungszeitraum in Hamburg?

Frage 17: Wie bewerteten der Senat und die Hamburger Sicherheits- und Justizbehörden den mehrseitigen Internetaufruf von „Blood-and-Honour“, in dem es hieß: „Unsere revolutionäre Bewegung sollte sich auf die Rekrutierung politischer Soldaten konzentrieren, die bereit zur Schlacht sind. Die Zeit des Redens ist vorbei. Wir haben eine Ebene erreicht, wo jede Art von Aktion keiner Aktion vorzuziehen ist.“

Frage 18: Welche Rolle spielt/e der „Blood-and-Honour“-Kader Thorsten Heise, der Mitglied in der pennalen Burschenschaft Chattia zu Friedberg in Hamburg ist, für die Szene in Hamburg?

 

NSU Kerntrio und Hamburg

Frage 19: Welche Kontakte des NSU-Kerntrios und ihrer Unterstützer*innen können nach Hamburg nachgewiesen werden?

Gibt es Hinweise, dass sich Hamburger Neonazis auf der Telefonliste des NSU befanden?

Frage 20: Warum dauerte es zwei Monate, bis das BKA die Zugehörigkeit des Mordes an Süleyman Ta?köprü zur „?eská“-Mordserie bestätigte, wenngleich der darauffolgende Mord in München bereits nach einer Woche als Teil der „?eská“-Mordserie als solcher festgestellt wurde?

Frage 21: Hatten die Ermittlungsgruppe 61 und/oder das Hamburger LfV Kenntnis vom sogenannten NSU-Brief, in dem für „Taten statt Worte“ geworben wird, und davon, dass er an das „Deutsche Rechtsbüro“ der Gisa P. und an die „Nordische Zeitung“ des Jürgen Rieger geschickt wurde? Falls ja, wie wurde der „NSU-Brief“ bewertet und wie die Tat-sache, dass er an zwei Hamburger Neonazis geschickt wurde? Falls nein, wann und wie haben Hamburger Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden davon erfahren?

Frage 22: Warum sind weder beim Deutschen Rechtsbüro noch bei der „Nordischen Zeitung“ noch bei der „Artgemeinschaft e.V.“ Durchsuchungen durchgeführt worden, obwohl ein handschriftlicher Zettel nahelegte, dass auch diese drei Organisationen/Projekte einen der NSU-Briefe erhalten hatten?

Frage 23: Ist den Behörden bekannt, ob Gisa P. oder das Deutsche Rechtsbüro eine Spende der Zwickauer Terrorzelle erhalten haben?

Frage 24: Welche Erkenntnisse gibt es zur Rolle des Anti-Antifa-Konzeptes von Christian Worch und Thomas Wulff für den Aufbau des Thüringer Heimatschutzes und die „Anti-Antifa-Ostthüringen“? Welche Beziehungen hat Worch in diesem Zusammenhang zu welchen führenden Personen des THS geknüpft?

Frage 25: Hat es bei den Ermittlungen zur Aufklärung des Mordes an Süleyman Ta?köprü eine Funkzellenabfrage gegeben? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Frage 26: Welche Liegenschaften haben in Hamburg agierende Neonazis in anderen Bundesländern zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln direkt oder über Stiftungen, Kapitalgesellschaften, Vereine etc. erworben, gepachtet und/oder besessen? Wie und durch wen wurden sie im Untersuchungszeitraum genutzt? Welche Kontakte ergaben sich dadurch zwischen ihnen, Angeklagten im Münchner NSU-Prozess, weiteren Personen, gegen die in diesem Zusammenhang ermittelt wird, und bekannten Unterstützer*innen und anderen Kontaktpersonen des NSU Komplex-(Kerntrios), einschließlich der enttarnten V-Leute?

Frage 27: Wann hat der V-Mann des LfV die CD mit NSU-Bezug vom V-Mann Thomas R. (Deckname „Corelli“) erhalten? Wann hat das LfV Hamburg Kenntnis von der Existenz einer solchen CD/DVD mit NSU-Bezug erhalten? Wann wurde die CD/DVD zum ersten Mal gesichtet? Haben der V-Mann und der V-Mann-Führer des LfV inzwischen eine Aussage gegenüber der Generalbundesanwaltschaft getätigt (vgl. Drucksache 20/12717)? Welche Ergebnisse haben die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft bezüglich der Urheberschaft des Datenträgers NSDAP/NSU im Zusammenhang mit der sog. NSDAP/AO (NSDAP-Aufbauorganisation) zutage gefördert? (Drucksache 20/13553)

Frage 28: Wie viele der sogenannten NSDAP/NSU-CDs wurden bei Wohnungsdurchsuchungen oder gegebenenfalls Durchsuchungen anderer Räumlichkeiten von Angehörigen der extremen Rechten gefunden?

Frage 29: Vor dem NSU-PUA des Bundestages der 17. Wahlperiode äußerte Kriminaloberrat F. Sch. des LKA Hamburg bereits, dass die Hamburger Polizei durch Hinweisgeber „wohl massiv verarscht“ worden sei. Sind diese Vorgänge aufgearbeitet worden? Wenn ja, wie?

Frage 30: Inwiefern hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Erkenntnisse, dass die Untergetauchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zu Personen in Hamburg Verbindungen hatten?

Frage 31: Inwiefern liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde Erkenntnisse über Hamburger Neonazis mit Verbindungen nach Altona in die Schützenstraße vor, und zwar konkret für die Jahre 2000 und 2001?

Frage 32: Welche Erkenntnisse hatte die Staatschutzabteilung der Hamburger Polizei ab 2001 über die militante und rechte Szene in Hamburg und ggf. bundesweit? War dem Staatsschutz das Abtauchen des Kerntrios bekannt?

Frage 33: Inwiefern trifft die vor dem bayrischen Untersuchungsausschuss von einem Polizeizeugen geäußerte Äußerung zu, die Hamburger Mordkommission sei im Spätsommer 2001 infolge der Terroranschläge in den USA völlig unterbesetzt gewesen? Welche Auswirkungen hatte das gegebenenfalls auf die Ermittlungen im Mordfall Ta?köprü?

Frage 34: Warum wurden ab 2005 die Ermittlungsersuchen der „BAO Bosporus“ fast ausschließlich von der für Organisierte Kriminalität zuständigen Abteilung des LKA bearbeitet und welche Verengung des Blickfeldes resultierte womöglich daraus?

Frage 35: Warum favorisierten die Hamburger Ermittler*innen die OK-Theorie, nach der es sich beim Mordfall Ta?köprü um Organisierte Kriminalität handelte, und kritisierten den Ansatz des bayerischen Profilers Horn, der 2006 erstmals in einer Operativen Fallanalyse vermutete, dass ein oder wenige Täter, die aus Fremdenhass handelten, für die Mordserie des NSU verantwortlich seien?

Frage 36: Wie beurteilten der Senat und die Sicherheits- und Justizbehörden, dass eine Bekenner-DVD des NSU (von Zschäpe abgeschickt) die „Ali-Pasa-Moschee Wandsbek Türkisch-Islamischer Kulturverein e. V.“ in Hamburg erreichte? Welche Erkenntnisse haben der Hamburger Senat sowie die Sicherheits- und Justizbehörden darüber, warum die „Ali-Pasa-Moschee Wandsbek Türkisch-Islamischer Kulturverein e. V.“ ausgewählt wurde? Was wurde für den Schutz der „Ali-Pasa-Moschee Wandsbek Türkisch-Islamischer Kulturverein e. V.“ in Hamburg“ getan?

Frage 37: Hatten die Ermittlungsgruppe 61 und/oder das Hamburger LfV Kenntnis von einem Beitrag im Neonazi-Blatt „Der Weisse Wolf“ Nummer 1/2002, in dem unter anderem der Satz zu finden ist: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen … der Kampf geht weiter …“, und falls ja, wie wurde dieser Artikel bewertet. Falls nein, wann und wie haben Hamburger Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden davon erfahren?

 

Der NSU war nicht zu dritt – Netzwerk und Komplex NSU

Frage 38: Welche Bedeutung hatte der Laden „East Coast Corner“/ „Dickkoepp“ der in Rostock vom Hamburger Neonazi Thorsten d. V. betrieben wurde für die Vernetzung der rechtsextremen Szene in Norddeutschland?

Frage 39: Welche Bedeutung hatten im Untersuchungszeitraum Blood & Honour, Combat 18, Hammerskins, KuKluxKlan und ähnliche Strukturen in Hamburg und für Hamburger Neonazis? Waren Hamburger Neonazis in den genannten Strukturen organisiert?

Frage 40: Welche Rolle spielten zu welchem Zeitpunkt führende Hamburger Neonazis in bundesweiten Zusammenhängen und bei bundesweiten Aktionen, die unter anderem der länderübergreifenden Vernetzung dienten (wie Rudolf-Heß-Märsche, Demonstrationen gegen die Wehrmachtausstellung u. ä.)?

Frage 41: Bei welchen Veranstaltungen traten Hamburger Neonazis im Zusammenhang des Thüringer Heimatschutzes sowie von Kameradschaften in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern im Untersuchungszeitraum auf?

Frage 42: Bei welchen Veranstaltungen in Hamburg traten Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes, von Kameradschaften in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern im Untersuchungszeitraum auf?

Frage 43: Hat der Kontakt von Hamburger Neonazis und dem Thüringer Heimatschutz über Kai Dalek oder andere Dritte stattgefunden?

Frage 44: Welche Kenntnis hatte und hat das Hamburger LfV über Aktivitäten von V-Leuten anderer Landesämter beziehungsweise des Bundesamts für Verfassungsschutz, die Kontakt zur „Zwickauer Zelle“ und ihrem nahen Umfeld hatten, auf Hamburger Gebiet und im Wirkungskreis Hamburger Neonazis im norddeutschen Raum?

 

sowie
  • Sina Aylin Koriath
  • Eva Botzenhart
  • Alske Freter
  • Michael Gwosdz
  • Sina Imhof
  • Jennifer Jasberg
  • Lisa Kern
  • Sonja Lattwesen
  • Lisa Maria Otte
  • Lena Zagst (GRÜNE) und Fraktion