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Wahrheit und Klarheit bei der Polizeilichen Kriminalstatistik (II)

Mittwoch, 13.09.2006

Jede Straftat weniger in Hamburg ist gut für die Menschen in unserer Stadt. Bessere Zahlen bei der Kriminalstatistik – insbesondere bei der Aufklärungsquote – liefern auch einen Beleg für die motivierte und erfolgreiche Arbeit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten: Trotz immer schlechter werdender sozialer Rahmenbedingungen unter diesem CDU-Senat, trotz Überstundenberg leisten diese einen hervorragenden Dienst für die Sicherheit unserer Stadt, für den ihnen Dank und Anerkennung gebühren.

Und trotzdem hat die jüngste Polizeiliche Kriminalstatistik für 2005 vielfachen Anlass zur Nachfrage gegeben. So hat die Senatsantwort auf eine parlamentarische Anfrage zur Entwicklung der gefährlichen und schweren Körperverletzungen im öffentlichen Raum (Drs. 18/4312) ergeben, dass ein Teil des alarmierenden Fallzuwachses von 172,4 % (2005 gegenüber 2004) darauf zurückzuführen ist, dass – so der Senat – „eine erhebliche Anzahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen auf Straßen, Wegen und Plätzen nicht richtlinienkonform mit dem Straftatenschlüssel 2221, sondern in der Obergruppe 2220 erfasst wurde. Diese Ungenauigkeit in der Klassifizierung wurde während des Jahres 2005 korrigiert.“ Damit entsprach die Erfassung eines wichtigen Teils der Straßengewaltkriminalität in der Kriminalstatistik offenbar nicht den vorgeschriebenen Erfassungsrichtlinien. Grund zur Besorgnis geben damit nicht nur die Fallzahlen der Straßengewaltkriminalität selbst, sondern auch der statistische Umgang mit diesen.

 

Nach der falschen Halbjahres-Kriminalstatistik 2003 hat der heutige Innensenator und frühere Polizeipräsident Udo Nagel damit offenbar nun mindestens eine weitere regelwidrige Kriminalstatistik politisch zu verantworten. Bei der damaligen PKS-Panne waren insgesamt 7220 Kriminalitätsfälle nicht in die Halbjahresbilanz 2003 eingeflossen, wie der damalige Polizeipräsident Udo Nagel einräumen musste. Nach einer korrigierten Fassung sank die Gesamtkriminalität in Hamburg – anders als vom früheren Innensenator Schill verkündet – damals nicht um 2,5 %, sondern stieg im Gegenteil gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,8 % an.

 

Im Rahmen einer weiteren Anfrage (Drs. 18/4400) hat sich herausgestellt, dass durch bundesweite Veränderungen der PKS-Erfassung mehrere Hamburger Großverfahren aus dem Betrugsbereich mit 13.600 Geschädigten als gerade mal sieben statistische Fälle (!) in die Kriminalstatistiken 2004 und 2005 eingeflossen sind. Statistisch gesehen macht damit die veränderte „Buchung“ der Großverfahren etwa die Hälfte des vom CDU-Senat als großen eigenen politischen Erfolg gefeierten Straftatenrückgangs von 26.586 Straftaten in den Jahren 2004 und 2005 aus. Lässt man mithin die rein statistische Veränderung in diesem Bereich außen vor, würde sich lediglich ein Straftatenrückgang von rund 13.000 Straftaten ergeben.

 

Dabei ist eines zu betonen: Es geht nicht darum, sinnvolle statistische Veränderungen bei der PKS zu verhindern oder zu kritisieren. Aber das Mindeste ist, dass die Öffentlichkeit im Rahmen der alljährlichen PKS-Vorstellung sachgerecht über derartige Änderungen informiert wird, damit diese und die sich daraus ergebenden statistischen Konsequenzen im Zahlenwerk transparent gemacht werden. Demgegenüber war der Senat bislang nicht einmal zu einer vollständigen Klärung der Frage von PKS-Veränderungen in der Vergangenheit in Beantwortung der Anfrage aus Drs. 18/4400 in der Lage. Gerade bei der PKS, die vom CDU-Senat immer wieder als angeblicher Erfolgsindikator der eigenen Innenpolitik zweckentfremdet wird, ist Klarheit und Wahrheit unerlässlich.

 

Die CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft hat die Chance verpasst, für Transparenz zu sorgen, und am 24. August den SPD-Antrag (Drs. 18/4858) abgelehnt, den Senat zu ersuchen,

 

- im Rahmen der jährlichen Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik und im jährlichen PKS-Jahrbuch des Landeskriminalamtes veränderte Erfassungskriterien, veränderte Schlüssel oder sonst für die Zahl der erfassten Straftaten relevante statistische Veränderungen bei der PKS gegenüber dem Vorjahr und deren statistische Konsequenzen für das Zahlenwerk detailliert darzustellen,

 

- und der Bürgerschaft bis zum 1. Oktober 2006 detailliert über veränderte Erfassungskriterien, veränderte Schlüssel oder sonst für die Zahl der erfassten Straftaten relevante statistische Veränderungen bei der PKS bezogen auf die Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005 sowie deren statistische Konsequenzen für die PKS insbesondere für die Zahl der jeweils erfassten Straftaten zu berichten.

 

Die Ablehnung dieses Berichtsersuchen macht einmal mehr misstrauisch. Nachdem sich der Senat außerdem im Rahmen der Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zu einer detaillierten Darstellung der PKS-Veränderungen nicht in der Lage sieht, fragen wir den Senat:

 

1. Inwiefern hat es im Rahmen der PKS 2002, PKS 2003, PKS 2004 bzw. PKS 2005 an irgendeiner Stelle veränderte Erfassungskriterien, veränderte Schlüssel oder sonst für die Zahl der jeweils erfassten Straftaten relevante statistische Veränderungen in der PKS gegeben (bitte nach Möglichkeit tabellarisch darstellen)?

 

a. Welche jeweils konkret (bitte deliktsspezifisch darstellen)?

 

b. Durch wen jeweils veranlasst?

 

c. Wann jeweils veranlasst? Für welches PKS-Erfassungsjahr?

 

d. Warum? Mit welcher konkreten Begründung?

 

e. Mit welchen statistischen Konsequenzen? D.h.: Inwiefern führten die Veränderungen zu einer veränderten Anzahl der jeweils erfassten Straftaten (bitte einzeln nachvollziehbar belegen)?

 

2. Inwiefern hat es im Rahmen der PKS 2002, PKS 2003, PKS 2004 bzw. PKS 2005 an irgendeiner Stelle inkorrekte bzw. „nicht richtlinienkonforme“ Erfassungen gegeben (bitte nach Möglichkeit tabellarisch darstellen)?

 

a. Welche jeweils konkret (bitte deliktsspezifisch darstellen)?

 

b. Warum ist es jeweils zu den inkorrekten bzw. „nicht richtlinienkonformen“ Erfassungen gekommen?

 

c. Wann wurden diese Erfassungen von wem und warum festgestellt?

 

d. Welches PKS-Erfassungsjahr betrafen diese Erfassungen?

 

e. Welche statistischen Konsequenzen hatten diese Erfassungen? D.h.: Inwiefern führten diese zu einer veränderten Anzahl der jeweils erfassten Straftaten (bitte einzeln nachvollziehbar belegen)?

 

f. Welche Konsequenzen wurden daraus jeweils wann, warum und von wem sowie mit welchen statistischen Folgen gezogen?