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Einigung mit Volksinitiativen: Vereinbarungen stärken sozialen Wohnungsbau und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik

Mittwoch, 02.11.2022

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben sich mit den beiden Volksinitiativen „Boden & Wohnraum behalten – Hamburg sozial gestalten!“ und „Neubaumieten auf städtischem Grund – für immer günstig!“, die sich unter dem Slogan „Keine Profite mit Boden & Miete“ gründeten, verständigt. Damit endet ein seit Februar 2021 laufender Verhandlungsprozess. Eine gemeinsame Verhandlungsgruppe unter Leitung der Fraktionsvorsitzenden Dirk Kienscherf (SPD) und Dominik Lorenzen (Grüne) hat unter Beteiligung der Fachsprechenden Martina Koeppen (SPD) und Olaf Duge (Grüne) zwei umfassende Kompromisse zum bezahlbaren Wohnen und für eine nachhaltige Bodenpolitik vereinbart. Die Einigung ermöglicht 100-jährige Bindungen im sozialen Wohnungsbau und stärkt umfassend die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik. Beide Einigungen wurden Dienstagabend von den Regierungsfraktionen bestätigt und sollen am 16. November in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht werden. Die Volksinitiativen haben im Gegenzug zugesagt, das Volksabstimmungsverfahren zu beenden.

Dazu Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg: „Die nach langen und äußerst intensiven Beratungen erzielte Einigung mit den Volksinitiativen ist Herausforderung und Chance zugleich. Vor allem aber ist sie im Sinne einer sozial verantwortungsvollen Wohnungspolitik für Hamburg. Ich danke den Initiativen für die vertraulichen und ehrlichen Beratungen sowie allen weiteren Beteiligten für ihre große Unterstützung. Die wichtigsten Grundpfeiler einer sozialen und nachhaltigen Hamburger Wohnungspolitik werden nun langfristig abgesichert. Die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik wird fest in der Verfassung verankert. Ein Ausverkauf städtischer Flächen ist langfristig ausgeschlossen. Nur in begründeten Einzelfällen – etwa in größeren Stadtentwicklungsgebieten – kann hiervon durch Beschluss der Bürgerschaft abgewichen werden. Die Vereinbarungen schaffen zudem langlaufende Mietpreisbindungen von in Deutschland bisher nicht gekannter Dauer. Auf städtischen Flächen sollen pro Jahr mindestens 1.000 öffentlich geförderte Wohnungen mit einer Mietpreisbindung von 100 Jahren errichtet werden. Die besondere Verantwortung der Stadt für eine angemessene Wohnraumversorgung wird ebenfalls Gegenstand der Hamburgischen Verfassung. Unabhängig von der heute vorgelegten Einigung muss allen bewusst sein, dass vor dem Hintergrund der höheren Finanzierungskosten, der Ressourcenknappheit und rasanten Kostensteigerungen der Wohnungsneubau in Hamburg und Deutschland insgesamt vor enormen Herausforderungen steht. Daher muss es jetzt unsere Aufgabe sein, die Rahmenbedingungen mit allen Beteiligten so weiterzuentwickeln, dass der dringend benötigte, bezahlbare Wohnraum auch wirklich gebaut werden kann.“

Dazu Dominik Lorenzen, Vorsitzender der Grünen Fraktion Hamburg: „Am Ende intensiver Verhandlungen und vertrauensvoller Gespräche stehen zwei historische Ergebnisse für eine Stärkung der sozialen Stadt- und Quartiersentwicklung in Hamburg. Einerseits verankern wir die gemeinwohlorientierte Bodenpolitik in unserer Verfassung und stellen so sicher, dass das Eigentum des Grund und Bodens in die Hand der Gemeinde gehört. Das gibt uns die größtmögliche Gestaltungshoheit und unterbindet Fehlentwicklungen und Spekulationsvorhaben. Andererseits beschreiten wir in Hamburg fortan einen bundesweit einmaligen und neuen Pfad. Wir garantieren für mindestens 1.000 neue Wohnungen pro Jahr eine hundertjährige Sozialbindung, in Kombination mit einer an Inflation und Lohnniveau gebundenen Mietpreisentwicklung. Die aktuelle Lage zeigt uns schließlich sehr deutlich, wie wichtig nachhaltiges und soziales Handeln in diesem Bereich ist. Ein Dach über dem Kopf darf vor allem für Einkommensschwächere nicht zu einem unmöglichen Ziel werden. Zugleich setzen wir damit auch ein bundespolitisches Zeichen, um die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbarte neue Wohnungsgemeinnützigkeit voranzubringen.“

Dazu Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg: „Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten, ist seit vielen Jahren das gemeinsame Ziel des Senats im Bündnis für das Wohnen mit der Hamburger Wohnungswirtschaft. Damit haben wir uns klar abgesetzt von dem Jahrzehnt der Stagnation im Wohnungsbau des CDU-Vorgängersenats. Die Bedeutung dieses Zieles ist auch in den Verhandlungen der Regierungsfraktionen mit den Volksinitiativen deutlich geworden. Es gab unterschiedliche Vorstellungen, auf welchem Wege dauerhaft ein bezahlbares Wohnen für alle Hamburgerinnen und Hamburger erreicht werden kann. In den zahlreichen, nicht unkomplizierten Gesprächen ist ein Kompromiss gefunden worden. Die neuen Zielsetzungen, die ab September 2024 gelten sollen, werden wir nun mit unseren Partnern im Bündnis für das Wohnen in Hamburg und mit den Bezirken intensiv erörtern und für die gemeinsame Umsetzung werben. Wir halten an unserem Ziel fest, in jedem Jahr 10.000 neue Wohnungen auf den Weg zu bringen. Neu ist, dass durchschnittlich 1.000 neue öffentlich geförderte Mietwohnungen mit hundertjährigen Mietpreisbindungen pro Jahr auf den städtischen Flächen entstehen sollen. In unserer Verantwortung wird es weiterhin liegen, für eine gute soziale Durchmischung und stabile Nachbarschaften zu sorgen. Wichtig ist, dass wir auf Grundlage der jetzt vorliegenden Vereinbarungen für alle Beteiligten eine Verlässlichkeit und langfristige Planungssicherheit schaffen. Ich bin sicher, dass dies von allen Verhandlungspartnern der vergangenen Monate unterstützt wird.“

Dazu Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg: „Am Ausverkauf von städtischen Immobilien aus CDU-Regierungszeiten leiden wir noch heute. Insofern ist es eine richtige und wichtige Fortschreibung unserer neuen sozialen Bodenpolitik, dass wir dem Verkauf von städtischem Grund und Boden gemeinsam mit der Volksinitiative in der Verfassung in großen Teilen einen Riegel vorschieben. Mit dieser neuen Leitlinie können wir erreichen, dass die Flächen von Stadt und Konzern Hamburg in Zukunft insgesamt stetig wachsen sollen. Die Stadt verpflichtet sich durch diese Einigung zukünftig zu einer positiven Flächenbilanz. Dazu haben wir uns schon seit einigen Jahren erfolgreich auf den Weg gemacht, wir kaufen mehr an als zu verkaufen. Aber wir brauchen in Einzelfällen weiter Spielräume für die Stadtentwicklung – das konnte in den schwierigen Gesprächen mit der finalen Einigung noch gewahrt werden. Wir werden bei der Umsetzung der Einigung auch unsere öffentlichen Unternehmen in die Pflicht nehmen: Unsere Konzernunternehmen müssen mit einer Andienungspflicht zukünftig Flächen, die sie selbst nicht mehr brauchen, der Stadt oder anderen Tochtergesellschaften der Stadt anbieten. So bleibt Grund und Boden verlässlich in städtischer Hand. Gleichzeitig sind wir als Stadt in der Pflicht, Erbbaurechte auch in wohnungspolitisch schwierigen Zeiten attraktiv zu halten. Da hilft meine Zusage, dass wir trotz Zinswende den Erbbauzins weiter günstig halten wollen. Hamburg hat bundesweit die attraktivsten Erbbaurechtskondiditionen – das soll und muss so bleiben!“

Wohnungsbau in Hamburg

Hamburg und seine Metropolregion sind für viele Menschen durch vielfältige Angebote – u.a. in den Bereichen Bildung, Arbeit, Kultur und Soziales – ein attraktiver Wohnort. In den letzten 20 Jahren ist die Bevölkerungszahl in der Hansestadt um rund 140.000 Menschen angestiegen. Neben dem regulären Zuzug aus Deutschland haben auch die großen Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre dafür gesorgt, dass Wohnraum knapp ist. Rund 45.000 Menschen in Hamburg leben derzeit in öffentlichen Unterkünften. Vor dem Hintergrund der wachsenden Wohnungsbedarfe kommt dem Bau neuer Wohnungen und dem Schutz bezahlbaren Wohnraums eine besondere Bedeutung zu. Durch eine konsequente Wohnungspolitik ist es SPD und Grünen zwischen 2011 und 2021 gelungen, für über 116.000 Wohnungen Baugenehmigungen zu erteilen, so dass über 84.000 Wohnungen fertiggestellt werden konnten.

Neubaumieten auf städtischem Grund

Mit Auftreten der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine haben sich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in ganz Deutschland fundamental verändert. Die zwischen SPD und Grünen sowie der Volksinitiative „Neubaumieten auf städtischem Grund – für immer günstig!“ geschlossene Vereinbarung ist trotz Preissteigerungen und Lieferengpässen eine geeignete Basis, um den bisherigen sozialen Wohnungsbau in Hamburg sinnvoll zu ergänzen. Diese sieht vor, dass auf 33 Prozent der für den Wohnungsbau vorgesehenen städtischen Flächen 20 Prozent der Wohnungen, die im 1. Förderweg errichtet werden, für vordringlich Wohnungssuchende reserviert werden. Die Vergabe der Grundstücke erfolgt im Erbbaurecht mit 100-jähriger Laufzeit, die Wohnungen werden 50 Jahre gefördert. Nach Ablauf der 50-jährigen Förderzeit gelten Mietpreisbindungen mit im Erbbaurechtsvertrag festgelegten Steigerungen. In 5-Jahres-Zeiträumen sollen pro Jahr mindestens 1.000 Wohnungen mit 100-jähriger Mietpreisbindung im ersten Förderweg errichtet werden. Die Maßnahmen sollen bis zum 31. Dezember 2029 evaluiert werden.

Sozial gerechte Bodenpolitik

Eine sozial gerechte und am Gemeinwohl orientierte Flächenpolitik ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft Hamburgs. Die Einigung von Rot-Grün mit der Volksinitiative „Boden & Wohnraum behalten – Hamburg sozial gestalten!“ sieht deshalb vor, den Verkauf von städtischen Wohnungen und Wohngrundstücken grundsätzlich auszuschließen. Lediglich in Ausnahmefällen soll die Bürgerschaft einen abweichenden Beschluss fassen können. Grundstücke im Stadtgebiet, die nicht für den Wohnungsbau vorgesehen sind, können in begründeten Ausnahmefällen weiterverkauft werden. Für entbehrliche Grundstücke im Konzern FHH soll eine Melde- und Andienungspflicht eingeführt werden, um Flächen für städtische Nutzungen zu sichern. Nur im Ausnahmefall sollen diese Grundstücke im Erbbaurecht vergeben werden können. Die rot-grünen Fraktionen ersuchen den Senat darüber hinaus, darauf hinzuwirken, dass die Flächenbilanz der Freien und Hansestadt Hamburg im mehrjährigen Vergleich positiv ausfällt, also mehr Grundstücke eigengenutzt als veräußert werden. Darüber hinaus soll unter anderem die Attraktivität des Erbbaurechts in Hamburg etwa durch einen abgesenkten Steuersatz für Erbbaurechte bei der Grunderwerbssteuer, den Erbbauzins, Laufzeiten und Beleihbarkeit weiter gesteigert werden. Durch zielgruppenspezifische Kampagnen soll auch die Akzeptanz des Erbbaurechts etwa bei Wohnungs- und Finanzwirtschaft weiter gesteigert werden. Darüber hinaus soll sich der Senat weiterhin im Bund für das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen im Rahmen sogenannter Share Deals und ein wirksames Vorkaufsrecht stark machen. Der verantwortungsvolle Umgang mit Grund und Boden durch die Stadt Hamburg wird darüber hinaus in der Hamburgischen Verfassung ergänzt.