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Gewalt an Hamburgs Schulen - worüber die Schulsenatorin nicht so gern spricht

Dienstag, 28.04.2009

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat der Schulbehörde vorgeworfen, das Ausmaß von Gewalt an Hamburger Schulen zu verharmlosen. Hintergrund: Obwohl die Schulen in den ersten drei Monaten dieses Jahres so viele schwerwiegende Straftaten gemeldet haben, wie nie zuvor, spricht der Senat von einem „relativ konstanten Verlauf“ der Fallzahlen. Das geht aus der Antwort einer Anfrage der SPD-Experten für Schul-, Jugend- und Innenpolitik hervor. Die Schulbehörde weigert sich zudem, Angaben über die Aufarbeitung der Gewaltvorfälle in den Schulen zu machen und konkrete Daten zur Kriminalitätsbelastung einzelner Stadtteile zu nennen. Die Begründung der Schulbehörde, man wolle „eine Stigmatisierung einzelner Schulen vermeiden“, bezeichnete SPD-Innenexperte Dressel als unglaubwürdig. „Senatorin Goetsch mauert. Mit dem gleichen Argument könnte sich der Innensenator weigern, Auskunft über Verbrechen in einzelnen Stadtteilen zu geben.“ Vergleichbare Zahlen aus Berlin ließen gleichzeitig Zweifel an der Belastbarkeit der für Hamburg vorgestellten Zahlen aufkommen.

 

Neuesten Angaben des Senats zufolge gab es in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich einmal täglich einen meldepflichtigen Gewaltvorfall an Hamburger Schulen. Ein Jahr nach Verschärfung der Meldepflicht für Gewaltvorfälle an Schulen hat die Schulbehörde zwischen April 2008 und März 2009 insgesamt 359 meldepflichtige Gewaltvorfälle registriert. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der SPD-Abgeordneten Andreas Dressel, Carola Veit und Ties Rabe hervor. Die endgültige Zahl könne – so der Senat in seiner Antwort - noch steigen, da „vereinzelte Nachmeldungen von Schulen zeitversetzt in die Statistik integriert werden“. Das sei für die Monate Februar und März 2009 noch nicht geschehen.

 

Die Schulbehörde hat im ersten Jahr der verschärften Meldepflicht bisher 125 schwerere Gewalttaten der so genannten Kategorie I registriert, bei denen die Schulleitung die Polizei informieren muss. Dabei handelt es sich unter anderem um Sexual- und Raubstraftaten, gefährliche Körperverletzungen, Waffen- und Drogendelikte. Im ersten Quartal 2009 hat es mit 47 schwerwiegenden Straftaten die bislang höchste Zahl gemeldeter Kategorie I-Delikte gegeben (Zum Vergleich: Im ersten Quartal der verschärften Meldepflicht , im Zeitraum April-Juni 2008, waren 36 schwere Gewalttaten gemeldet worden, während der drei Sommermonate 2008 insgesamt 18 und von Oktober bis Dezember 2008 24 Delikte der Kategorie I.) Gleichzeitig erfasste die Behörde ersten Angaben zufolge seit April 2008 234 Taten der weniger schweren Kategorie II – zu der unter anderem Sachbeschädigung, Beleidigung und einfache Körperverletzung gehören. Bei diesen Delikten ist der Schulleitung lediglich dringend empfohlen, die Polizei zu informieren.

 

Dressel stellte – mit Blick auf vergleichbare Zahlen aus Berlin – die Aussagekraft der Hamburger Zahlen in Frage. Berlin – in Sachen Meldepflicht bei Gewaltvorfällen an Schulen seit 1992 Vorreiter – habe in der letzten Statistik für das Schuljahr 2006/2007 insgesamt 1735 Gewaltvorfälle registriert. „Berlin ist größer, und in Hamburger Schulen mag es friedlicher zugehen: Die Hamburger Zahlen sind aber zu niedrig, um wahr zu sein. Wir befürchten, dass die Meldepflicht gerade im Bereich der schwereren Fälle von Gewalt nur unzureichend befolgt wird.“ Die SPD-Jugendexpertin Veit sagte, es sei bei Einführung der Meldepflicht erklärtes Senatsziel gewesen, dass „Wegsehen nicht mehr stattfinden“ solle. „Das Gegenteil scheint aber oft weiter der Fall zu sein.“ Der Senat bleibe den Nachweis schuldig, dass die Einhaltung der Meldepflicht tatsächlich kontrolliert und durchgesetzt wird.

 

Die SPD-Abgeordneten warfen der Schulbehörde vor, an einer offenen Diskussion über das Thema Gewalt an Schulen nicht interessiert zu sein. „Jede Kriminalstatistik weist Stadtteildaten aus. Über die Gewalt an Schulen will Senatorin Goetsch aber den Mantel des Schweigens hüllen – Offenheit und Transparenz haben offensichtlich keine Konjunktur“, kritisierte Rabe. Dressel ergänzte, erfolgreiche Gewaltbekämpfung und vorausschauende Gewaltprävention an Schulen müsse mit Transparenz beginnen.

 

Unklar geblieben ist nach den Antworten des Senats auch, wie die Abarbeitung der 362 gemeldeten Fälle stattfindet. Eine „statistische Auswertung dieser Informationen findet nicht statt, da Aufwand und Ertrag in keinem sinnvollen Verhältnis zueinander stünden“, so der Senat.