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Hamburg Klausur von SPD-Landesvorstand und SPD-Fraktion

Sonntag, 06.04.2014

Sieben Wochen vor der Bezirkswahl und knapp ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl hat die Hamburger SPD ihre traditionelle Hamburg Klausur in Boltenhagen für eine umfassende politische Kursbestimmung genutzt. Unter Leitung des Landesvorsitzenden Olaf Scholz und Fraktionschef Andreas Dressel haben rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, unter anderem Landesvorstand, Bürgerschaftsfraktion, Senatsmitglieder, Bundestagsabgeordnete, Bezirksamtsleiter und Bezirksfraktionschefs, am Wochenende breites Einvernehmen über aktuelle Themen der Stadt erzielt.

 

In der Diskussion zum Stand der Integrations- und Flüchtlingspolitik wurde auf Basis von Inputs der Senatoren Michael Neumann und Detlef Scheele deutlich, dass die Flüchtlingszahlen und damit die konkreten Herausforderungen auch für Hamburg weiter zunehmen. Die Plätze in der Erstaufnahme (für die ersten drei Monate des Aufenthalts, von der Innenbehörde verantwortet) werden auf 2000 anwachsen, bei den Folgeunterbringung (Unterkunft nach der Erstaufnahme, von der Sozialbehörde verantwortet) besteht in diesem Jahr ein zusätzlicher Bedarf von mehr als 2000 Plätzen. Dieses werde in diesem Jahr eine weitere Haushaltsnachforderung erforderlich machen, erklärten die beiden Senatoren. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel: „Die Mittel, die nötig sind, werden selbstverständlich bereitgestellt. Hamburg nimmt die humanitären Herausforderungen weiter mit großem Engagement an, stellt die erforderlichen Unterkünfte bereit und schafft Integrationsperspektiven. Unsere Flüchtlingspolitik ist und bleibt humanitär und rechtsstaatlich.“ SPD-Landesvize Inka Damerau: „Die Hamburger SPD dankt allen Haupt- und Ehrenamtlichen, die in Behörden, bei Trägern und runden Tischen vor Ort mithelfen, dass Hamburg diese Herausforderung meistern kann.“

 

Beim Tagesordnungspunkt Herausforderungen für eine wachsende Metropole lobte die Bundesbauministerin Barbara Hendricks in ihrem Vortrag die bundesweit vorbildlichen Hamburger Anstrengungen im Bereich Wohnungsbau, Mieterschutz und Stadtentwicklung. So solle es nach Hamburger Vorbild nun auch bundesweit ein Bündnis für das Wohnen geben, erklärte die Ministerin, die zudem erläuterte, welche Bundesmittel für die Städte im Bereich Städtebauförderung dank der SPD-Regierungsbeteiligung nun aufgestockt werden; zurzeit laufen zwischen Bund, Ländern und Kommunen die ersten Gespräche über die Vergabemodalitäten. Einigkeit bestand in der Hamburg Klausur, dass auch Hamburg von diesen zusätzlichen Mitteln, deren Umfang für den Haushalt der Stadt noch nicht konkret abschätzbar ist, profitieren soll. Dressel: „Hierbei ist wichtig, dieses Verfahren nicht zu bürokratisch auszugestalten und die Anforderungen an die Kofinanzierung durch Land und Kommunen nicht zu hoch zu schrauben, damit das Geld des Bundes auch da ankommt, wo es gebraucht wird.“ Weiterer Schwerpunkt der Debatte war, wie das auch für Länder und Kommunen verbindliche Baurecht des Bundes (Baugesetzbuch und Baunutzungsverordnung) – das noch sehr von der notwendigen Trennung von Wohnen und Arbeiten geprägt ist – wesentlich stärker auf moderne großstädtische Anforderungen ausgerichtet werden kann. Dressel: „Hier brauchen wir im Sinne einer Stadt der kurzen Wege Öffnungsklauseln und mehr Flexibilität, damit große Städte wie Hamburg den heutigen Anforderungen an Wohnen und Arbeiten nachkommen können. Die jüngsten Hamburger Initiativen zu den Themen Sportlärm, zu WM-Fanfesten oder seinerzeit zum Thema Kinderlärm zeigen die Richtung an. Wir müssen Nutzungskonflikte in dicht besiedelten Großstädten toleranter und damit metropolentauglicher regeln.“

 

Beim Thema Perspektiven der Finanzpolitik wurden auf Basis eines Inputs von Finanzsenator Peter Tschentscher und Finanzexperte Jan Quast insbesondere die aktuellen Risiken und Herausforderungen bei HSH Nordbank und Hapag Lloyd angesprochen. Unterstützung gab es für das Zusammengehen von Hapag Lloyd mit der chilenischen Containerrederei CSAV, die Hapag Lloyd auf Platz vier der weltweiten Containerredereien bringen und damit konkurrenzfähiger machen soll. In dem schwierigen Marktumfeld wurden die jährlichen Synergiepotentiale von rund 300 Millionen US-Dollar als große Chance für die Wettbewerbsfähigkeit der Reederei gesehen. Bekräftigt hat die Hamburg Klausur beim Thema Netzrückkauf, den Volksentscheid vollumfänglich Punkt für Punkt auch in der nächsten Wahlperiode weiter umzusetzen. Dressel: „Es wird da von uns kein Wackeln geben. Die mit Vattenfall vereinbarte Kaufoption für die Fernwärme wird ausgeübt. Auch für das Gasnetz wäre ein einvernehmlicher Zuerwerb der fehlenden 74,9 Prozent vorzugswürdig, die Gespräche mit der E.ON-Hanse dauern hierzu an. Die aktuelle Grünen-Kritik, wonach der Senat mit seinem Teileinstieg bei den Netzen jetzt dafür verantwortlich sei, dass der Rückkauf schwerer zu realisieren wäre, ist an Absurdität und Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Auch ein unmittelbarer Erwerb von 100 Prozent hätte dazu geführt, dass steuerliche Folgen durch Herauslösung aus den Muttergesellschaften eintreten, die man nicht der Verkäuferseite in Rechnung stellen kann. Zudem hat der Teileinstieg faktisch auch eine Basis geschaffen, um überhaupt so schnell eine Einigung über den Zuerwerb hinzubekommen. Mit der Strategie der Grünen hätte Hamburg dagegen komplett leer ausgehen können.“

 

Beim Thema Perspektiven des ÖPNV wurde breites Einvernehmen für eine langfristig ausgerichtete Ausbaustrategie für U- und S-Bahnen erzielt, die die Bürgerschaftsfraktion mit ihrem Bürgerschaftsantrag bereits skizziert hatte. Auf Basis von Vorträgen von Verkehrssenator Frank Horch und Hochbahn-Chef Günter Elste wurde Konsens darüber erzielt, die kurz- und mittelfristigen Maßnahmen S4, S21, U4, das Busbeschleunigungsprogramm sowie den barrierefreien Ausbau der Haltestellen weiter mit Hochdruck anzugehen. Daneben müsse es Kapazitätsausweitungen bei U- und S-Bahn geben. Positiv wurde deshalb aufgenommen, dass die U-Bahn ab Anfang der 2020er Jahre im Innenstadtbereich einen 90-Sekunden-Takt anbieten wolle. Dressel: „Diese Maßnahmen sind alle unverzichtbar und sie sind ganz konkret in Arbeit. Jeder, der jetzt die Prioritäten ändern und kurzfristig ein neues Verkehrsmittel einführen will, muss sagen, was er von den schon in Detailplanung und Umsetzung befindlichen Maßnahmen streichen will.“ Angesichts der langen Planungs- und Genehmigungszeiten müsse man aber schon heute über die Perspektiven ab Mitte der 2020er Jahren nachdenken – hier gehe es konkret um den weiteren U-Bahn-Ausbau unter Berücksichtigung strategischer Stadtentwicklungspotenziale. Hier legten Horch und Elste einen Zwischenstand erster Überlegungen dar, an dem weiter gearbeitet werde soll. Dressel: „Eine Stadtbahn mitten durch den verdichteten Straßenraum unserer Stadt zu bauen, ist angesichts zu erwartender Proteste und Klagen von Anliegern kaum durchsetzbar. Das zeigen der Widerstand in Winterhude bei der letzten schwarz-grünen Planung und die aktuellen Einwände gegen die Busbeschleunigung, die viel weniger Eingriffe in den Straßenraum bedeuten als der komplette Neubau eines dritten oberirdisch geführten Schienensystems mitten durch die Quartiere. Ein solches Vorhaben wäre beim Protestpotential in verdichteten Stadtteilen in Wahrheit eine Busbeschleunigung hoch zehn. Ein – zweifellos teurerer – U-Bahn-Ausbau im Schildvortrieb bedeutet dagegen nur minimale Beeinträchtigungen während der Bauzeit, die U-Bahn ist in Sachen Kapazität und Schnelligkeit der Stadtbahn deutlich überlegen, was angesichts der steigenden Fahrgastzahlen ebenfalls bedacht werden muss. Eine U-Bahn wäre auch noch in 50 oder 100 Jahren das schnellste und leistungsstärkste innerstädtische Verkehrsmittel – so weitsichtig haben auch schon unsere Stadtväter zu Beginn des 20. Jahrhunderts gedacht. Wir wollen unsere Überlegungen nun konkretisieren und diskutieren. Finale Entscheidungen kann es erst in der kommenden Wahlperiode geben. Klar ist, der Bau einer neuen U-Bahn-Linie kann nur langfristig ab Mitte der 2020er Jahre angegangen werden – und es geht nur mit Unterstützung vom Bund. Trotz verkehrspolitischer Differenzen sollten wir uns deshalb parteiübergreifend beim Bund dafür einsetzen, die Infrastrukturmittel des Bundes für Hamburg auf einem Niveau von mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr in dieser und der nächsten Dekade zu sichern. Dafür müssen wir alle in Berlin sorgen!“

 

Die Klausurtagung, die am Freitag mit einem Grußwort von Ministerpräsident Erwin Sellering begann, endete am Sonnabend mit einem Bericht aus den Bezirken und zum Stand beim Bezirkswahlkampf, den auch die Landesorganisation zentral unterstützen wird. SPD-Landesvize Inka Damerau: „Wir werden einen engagierten Bezirkswahlkampf führen, aus allen Stadtteilen Forderungen und Ziele formulieren und die lokale Kompetenz und Verankerung der SPD herausstellen. Mit den sieben Bezirkswahlprogrammen sowie unseren Bezirkskandidatinnen und -kandidaten sind wir in allen sieben Bezirken gut aufgestellt, unsere Mehrheiten zu verteidigen – damit unsere Bezirksamtsleiter ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen können.“