Zum Hauptinhalt springen

Initiative der Koalition zu den Verträgen mit den muslimischen Religionsgemeinschaften – Tjarks und Dressel: "Kritik Ja – Kündigung Nein"

Dienstag, 31.01.2017

Mit einem 6-Punkte-Antrag für die morgige Bürgerschaftssitzung wollen die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen einen Weg aufzeigen, um an den Verträgen der Stadt mit den muslimischen Religionsgemeinschaften festzuhalten. Den mehr oder minder deutlichen Forderungen von CDU, FDP und AfD nach einer Vertragskündigung erteilt die Koalition damit eine klare Absage. Gleichzeitig äußert die Koalition deutliche Sorgen und Kritik an bestimmten Vorgängen in den muslimischen Gemeinschaften – eine Kündigung der Verträge bewirke aber das Gegenteil, so der Tenor der Koalition. Damit folgen die Regierungsfraktionen den gestrigen Mahnungen des Interreligiösen Forums Hamburg, in dem praktisch alle großen Hamburger Religionsgemeinschaften vertreten sind. Es hatte sich deutlich für den Erhalt der Verträge ausgesprochen.

 

Konkret äußern die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag die deutliche Erwartung insbesondere an DITIB Nord, den eingeschlagenen Weg von Aufarbeitung und Distanzierung von bestimmten problematischen Vorgängen "konsequent und im Geiste des mit der Stadt geschlossenen Vertrages weiterzugehen". Ferner wird der Senat gebeten, "Konsultationsgespräche gemäß Artikel 13 Absatz 2 des Vertrages insbesondere mit den Vertragspartnern […] zu führen beziehungsweise zu intensivieren, an deren Haltung zu den in den Verträgen niedergelegten Wertegrundlagen aktuell Zweifel geäußert werden. Ziel ist es, auch anhand der geäußerten Vorwurfslagen das gemeinsame Verständnis der in diesen Verträgen niedergelegten gemeinsamen Wertegrundlagen zu klären und die bislang gute Zusammenarbeit auch in Zukunft fortführen zu können." Nach dem Motto "Kritik Ja, Kündigung Nein" soll es gerade mit den Verträgen gelingen, die verschiedenen Problempunkte zu klären. Über die Fortschritte zu den Gesprächen soll der Senat in den Ausschüssen berichten.

 

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel erneuerte in diesem Kontext seine Kritik an CDU, FDP und AfD, die mit Anträgen zur morgigen Bürgerschaft eine mindestens teilweise Aufkündigung der Verträge mit den muslimischen Gemeinden in Hamburg fordern: "Wir kritisieren deutlich verwerfliche Bestrebungen ausländischer Regierungen, über Religionsgemeinschaften in Hamburg Einfluss zu nehmen. Wir kritisieren deutlich verfassungsfeindliche oder auch antisemitische Tendenzen, dort wo es sie gibt. Und wir kritisieren einen in manchen Ecken einen inakzeptablen, respektlosen Umgang mit christlichen Traditionen. Diesen Vorgängen begegnen wir klar und deutlich, auch mit den Mitteln eines demokratischen Rechtsstaats und mit vielen durchaus deutlichen Gespräche – genau wie es in den Verträgen angelegt ist. Das alles erwarten wir selbstverständlich auch von unseren Vertragspartnern, dass sie immer wieder klare Grenzen ziehen, sich distanzieren, mit Wort und Tat – und sich zu den Werten des Grundgesetzes bekennen, genauso wie es in den Verträgen steht. Aber gerade, weil die Verträge eine zentrale Grundlage sind, um bei solchen Problemen gemeinsam für Lösungen zu arbeiten, wäre es die falsche Konsequenz, gerade jetzt die geschlossenen Verträge zu kündigen, gerade jetzt den Dialog zu stoppen oder Brücken abzubrechen. Das hätte fatale Folgen für das Zusammenleben in unserer Stadt – vom gemeinsamen Religionsunterricht bis zur Salafismusbekämpfung. Gerade jetzt sind die Verträge mit ihrem glasklaren Bekenntnis zum Grundgesetz, zu den Werten unserer Verfassung ein hohes Gut, das wir hüten und verteidigen sollten. Wir wollen den Weg des interreligiösen Dialogs, des friedlichen Zusammenlebens in unserer Stadt gerade dann weitergehen, wenn die Lage schwierig ist, wenn die Zeiten stürmisch sind! Der Blick in die USA zeigt doch, dass wir auf Zusammenhalt statt auf Spaltung setzen müssen! Gerade die CDU ist aufgefordert, auf den von ihr selbst eingeschlagenen Pfad zurückzukehren."

 

Anjes Tjarks, Fraktionsvorsitzender der Grünen Bürgerschaftsfraktion: "Die CDU hat die Vertragsverhandlungen mit den muslimischen Religionsgemeinschaften begonnen, um eine dauerhafte Grundlage für den Dialog zu schaffen. Die Verträge zollen Respekt vor der Ausübung der Religion und verpflichten gleichzeitig auf unser Gemeinwesen. Sie sind die Basis für den gut funktionierenden interreligiösen Dialog in unserer Stadt. Dieser ist aktuell wichtiger denn je. Deswegen werden wir ihn nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wir leben aktuell in Zeiten, in denen es zunehmend Politikerinnen und Politiker gibt, die Mauern bauen wollen und Menschen aufgrund ihrer Herkunft unter Generalverdacht stellen. Wir leben in einer Zeit, in der die Ausgrenzung von Menschen unsere Kultur, unsere Werte und unsere Gesellschaft in Frage stellt. Diese Tendenzen haben auch Hamburg erreicht. Für uns steht fest: Man kann durch Ausgrenzung von Menschen sehr schnell Vertrauen kaputt machen, das man hinterher kaum wieder reparieren werden kann. Wir werden in Hamburg deswegen den gemeinsame Dialog verteidigen. Die Staatsverträge mit den muslimischen Gemeinden haben wir nicht geschlossen, weil die Stadt oder wir Grüne sich deren politische Auffassungen oder religiöse Bekenntnisse zu eigen gemacht haben. Wir sehen die Schwierigkeiten und wir werden diese deutlich ansprechen. Es ist deswegen richtig und überfällig, dass sich DITIB von den geschmacklosen Zeichnungen distanziert hat. Die Verträge mit religiösen Gemeinschaften, die 'eine dauerhafte Grundlage' für den Dialog schaffen sollen, schießt man nicht für die guten, sondern für die schwierigen Zeiten. Und gerade, wenn dieser Dialog kontrovers wird, hilft uns der Staatsvertrag. Mit ihm haben wir ein gemeinsames Papier, auf das wir uns beziehen können und das eine bereits geeinte Grundlage ist. Eine Grundlage auf der man im auch normenverdeutlichend reden kann. Wenn die Opposition fordert, den Staatsvertrag aufzukündigen, bleibt sie die Antwort schuldig, wie wir weiter mit religiösen Gruppen sprechen und verhandeln sollen – gerade bei unterschiedlichen Auffassungen. Gleichzeitig geben sich die Oppositionsfraktionen einer gefährlichen Empörungsdebatte hin. Den Staatsvertrag aufzulösen, würde Fronten verhärten und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft deutlich schwieriger machen. Für seriöse Parteien sollte der Staatsvertrag daher kein Thema von parteipolitischen Spielchen sein."

 

Ekkehard Wysocki, religionspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: "Die von CDU, FDP und AfD ins Spiel gebrachte Forderung nach einer Aufhebung der Verträge bleibt bisher jede Rechenschaft darüber schuldig, welche Wirkungen man sich davon erhofft beziehungsweise erwartet. Diejenigen, die eine Aufkündigung der Verträge fordern, sagen nicht, wie das Zusammenleben der Religionen in Hamburg weitergehen soll. An die Stelle der Analyse und Bewertung von Vor- und Nachteilen einer Fortdauer oder Beendigung der vertraglichen Beziehungen tritt allein die Empörung darüber, dass man 'mit so jemandem' keine Verträge unterhalten könne. Tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten muslimischer Akteure wird den Vertragspartnern jeweils insgesamt angelastet. Eine solche Empörungsdebatte löst keine Probleme."

 

Stefanie von Berg, religionspolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion: "Der interreligiöse Dialog hat in Hamburg eine lange Tradition und ist heute wichtiger denn je. Ich betrachte ihn als einen Schatz, von dem alle Bürgerinnen und Bürger profitieren. Dazu gehören auch die Hamburger Staatsverträge. Sie beinhalten ein Bekenntnis der Vertragspartner zu unserer gesellschaftlichen Ordnung und zu unserem Grundgesetz. Die Staatsverträge binden die Partner an unser gesellschaftliches Fundament der Toleranz und des Friedens. Auf Basis der Staatsverträge sprechen wir gemeinsam darüber, wie wir Salafismus bekämpfen können oder den gemeinsamen Religionsunterricht sind weiterentwickeln. Das sind zwei Beispiel die zeigen, wo die Staatsverträge konkret zu einem friedlichen Miteinander beitragen. Gleichzeitig bieten die Verträge die Pflicht zum Dialog und – wenn nötig – zur Auseinandersetzung. Eine Kündigung dieser Verträge löst kein einziges Problem, sondern beendet die für das friedliche Zusammenleben in Hamburg maßgebliche Voraussetzung."