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Hinsehen und Handeln: Grenzüberschreitende pädagogische Konzepte ausschließen

Dienstag, 17.12.2019

Für Kindertagesstätten bzw. für die dort betreuten Kinder gibt es eine Vielzahl von pädagogischen Konzepten und Angeboten. Es kommen regelmäßig neue Konzepte hinzu und es werden auch pädagogische Ansätze wieder aus dem Programm der Anbieter genommen. Zudem sind Konzepte mit ähnlichem oder gleichem Namen oder Titel nicht immer inhaltlich oder methodisch ähnlich oder gleich.

Das Konzept des „Original Play“ ist äußerst umstritten. Dabei sollen Kinder mit fremden Erwachsenen herumbalgen und ohne Wettkampforientierung miteinander interagieren. Verbunden ist dies mit viel körperlicher Nähe der fremden Erwachsenen zu den Kindern. Expertinnen und Experten sehen das Konzept kritisch. Die große körperliche Nähe begünstige möglicherweise Grenzüberschreitungen in Kitas, die Methode sei wissenschaftlich und entwicklungsbiologisch nicht fundiert und laufe Grundbedürfnissen von Kindern zuwider. Die Psychologin und Leiterin des bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik, Fabienne Becker-Stoll, geht sogar noch weiter und führte aus, dass gesund entwickelte Kinder keinen Kontakt mit fremden Erwachsenen suchen würden. Es sei klar, dass die Dominanz von den Erwachsenen ausgehe. Entsprechend sei das Konzept „in fachlicher Hinsicht grober Unfug und entbehrt wirklich jeder wissenschaftlichen Grundlage“. Vielmehr sei es eine „Einladung für Pädophile“.

In der Drs. 21/18807 hat der Senat dargelegt, dass die für die Kindertagesbetreuung zuständige Behörde erstmals im Sommer 2017 durch eine Elternbeschwerde auf die Anwendung von „Original Play“ in einer Einrichtung aufmerksam wurde. Weiter heißt es: „In einem umgehenden Gespräch mit dem Träger wurde die kritische Haltung der Kita-Aufsicht der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde in Bezug auf das „Original Play“-Angebot kommuniziert und durch den Träger geteilt. Es wurde die sofortige Beendigung des Angebots veranlasst. Im Anschluss daran veranstaltete die Kita einen Elternabend um die betroffenen Familien zu informieren. Die Kita-Aufsicht hat daraufhin ein Rundschreiben veröffentlicht und dieses an alle Verbände, Träger und Einrichtungen versandt: www.hamburg.de/contentblob/9896718/data/rahmenvereinbarung-kinderschutz-hinweis.pdf. In diesem Rundschreiben wird auf die Vertragspartner und Vertragspartnerinnen des Landesrahmenvertrages Kindertagesbetreuung verpflichtende „Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gemäß §§ 8a Absatz 4 und 72a Absatz 2 und 4 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom 7. September 2006“ hingewiesen. Es wird deutlich gemacht, dass den Trägern auch von neben- und ehrenamtlichen Beschäftigten ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden muss. Zudem empfiehlt das Rundschreiben, dass sich die Träger von Kitas von Personen, die die Voraussetzungen für die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses eigentlich nicht erfüllen, ebenfalls im Einzelfall ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen lassen sollen, wenn beispielsweise einmalige Kontakte zu Kindern erfolgen, die geplant und mit engem Körperkontakt verbunden sind. Zudem wird auf das Beratungsangebot der Kita-Aufsicht bei Unsicherheiten zum Schutzauftrag der Einrichtungen hingewiesen.“

Der Senat hat zudem in der Drs. 21/18831 erklärt, dass die Kita-Aufsicht der für Kindertagesbetreuung zuständigen Behörde den Eltern in Fragen der Sicherstellung des Kindeswohls in der Kita zur Verfügung steht: www.hamburg.de/kita-aufsicht-hamburg/

Und grundsätzlich: „Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde wird überall da, wo Erkenntnisse vorliegen, dass das Konzept „Original Play“ in Kitas angeboten wird, mit den verantwortlichen Trägern Kontakt aufnehmen. Grundsätzlich rät die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde unter dem Aspekt der Gewährleistung des Kindeswohles allen Kitas ausdrücklich davon ab, das Konzept „Original Play“ anzubieten. Träger erhalten hierzu im Rahmen des § 8b SGB VIII fachliche Beratung und Unterstützung durch die Kita-Aufsicht.“ (Drs. 21/18807)

Diese richtige Auffassung muss der Senat durchsetzen und sich dem Konzept des „Original Play“ und anderen fragwürdigen Konzepten entschieden entgegenstellen.

Die städtische „Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH“ hat erklärt, dass keine Kitas des Trägers das Programm „Original Play“ einkaufen oder anbieten dürfen (Drs. 21/18807).

Mit Stand 28.10.2019 waren in Hamburg vier Kitas bekannt geworden, die das Konzept „Original Play“ angeboten haben (Drs. 21/18807). Hamburg hat aktuell rund 1.130 Kitas. Klar ist: Unsere Kinder müssen in allen Hamburger Kindertageseinrichtungen eine angstfreie Betreuung ohne Grenzüberschreitungen erleben.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. die Einrichtungen und Träger der Kindertagesbetreuung in geeigneter Weise – und abermals – auf die Einhaltung der Kriterien, Standards und Vereinbarungen zu verpflichten, die sich aus Beitritt bzw. Unterzeichnung des Landesrahmenvertrages (Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen) sowie der Hamburger Bildungsempfehlungen und vor allem der landes- wie bundesgesetzlichen Bestimmungen zum Wohl und Schutz der Kinder ergeben.

2. zu prüfen, ob und ggf. wie die Hamburger Bildungsempfehlungen in Hinblick auf die Schwelle zu Grenzverletzungen in pädagogischen Konzepten präzisiert werden können.

3. sofern es noch Hinweise auf angewandte pädagogische Konzepte geben sollte, die möglicherweise ebenfalls im Verdacht stehen, Grenzverletzungen Vorschub zu leisten, im direkten Gespräch bzw. Austausch mit Trägern oder Einrichtungen eine Klärung und schnellstmögliche Abhilfe zu schaffen – das gilt ausdrücklich auch für „Original Play“.

4. den fachlichen Austausch mit den (Aufsichts-)Behörden bzw. Ministerien anderer Bundeländer bzgl. grenzüberschreitender pädagogischer Konzepte zu suchen bzw. zu intensivieren.

5. zu prüfen, ob als Resultat der Ziffern 1 bis 3 Träger oder Einrichtungen – sofern Abhilfe anders nicht möglich – aus dem Kita-Gutscheinsystem sowie generell von Förderungen und Zuwendungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgeschlossen werden können bzw. auszuschließen sind und eine Betriebserlaubnis untersagt werden kann.

6. der Bürgerschaft über die Ergebnisse der Bemühung und Umsetzung zu berichten.

 

sowie
  • der Abgeordneten Anna Gallina
  • Martin Bill
  • Christiane Blömeke
  • Mareike Engels
  • Dominik Lorenzen (GRÜNE) und Fraktion und der Abgeordneten Daniel Oetzel
  • Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein
  • Michael Kruse
  • Dr. Kurt Duwe
  • Jens P. Meyer (FDP) und Fraktion