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Aktenvorlage zum LBK-Verkauf (2)

Dienstag, 16.01.2007

Senat und Bürgerschaft haben den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) mit der absoluten Mehrheit der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft beschlossen. Zum 1. Januar 2005 hat die Asklepios GmbH 49,9 % der Anteile des LBK sowie die unternehmerische Führung übernommen. Zum 1. Januar 2007 sollen dann weitere 25 % durch Asklepios erworben werden.

 

Die am 5. Januar 2005 beantragte Aktenvorlage gemäß Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung hat ergeben:

 

- Der Kaufpreis hält den Ankündigungen des Senats nicht Stand.

 

- Unentgeltliche Erbbaurechte relativieren nahezu jeden Kaufpreis.

 

- Die Rolle des Verhandlungsführers auf Seiten der Stadt bleibt ungeklärt.

 

- Die unternehmerischen Risiken liegen trotz Verkaufs im Wesentlichen bei der Stadt.

 

- Ein Großteil des Insolvenzrisikos liegt bei der Stadt.

 

- Das Ziel der Privatisierung – eine Lösung der Altlastenproblematik – wurde nicht durch den Verkauf, sondern durch die Gründung des Hamburgischen Versorgungsfonds mit Hilfe von Haushaltsmitteln erreicht.

 

Im Einzelnen konnte durch Einsicht in die Akten festgestellt werden:

 

a. Verhandlungsstrategie:

 

Die Rolle des Finanzsenators bleibt aufgrund nicht vorhandener Akten hinsichtlich seines Agierens unklar. Zu allen im Folgenden aufgelisteten Kritikpunkten gab es Bedenken, Einwände, Vorschläge der Verwaltung. Diese blieben jedoch nach Aktenlage ohne jede Reaktion des Verhandlungsführers.

 

b. Kaufpreis:

 

Der Senat hat der Bürgerschaft einen politischen Kaufpreis mit erheblichen flexiblen und unsicheren Bestandteilen genannt.

 

c. Kaufpreisreduzierung:

 

Der vereinbarte flexible Bestandteil des Kaufpreises in Höhe von 75 Mio. Euro wird von der Beteiligungsverwaltung in der Finanzbehörde als nicht realisierbar eingeschätzt. Diese Einschätzung wurde dem Parlament und der Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Zustimmung zum LBK-Verkauf vorenthalten.

 

d. Andere Angebote:

 

Das Angebot von Asklepios war nur hinsichtlich des Brutto-Kaufpreises das günstigere. Materiell gab es ein mindestens ebenso gutes bzw. schlechtes Angebot, das jedoch nicht zu Ende verhandelt wurde.

 

e. Asklepios:

 

Asklepios ist nicht – wie vom Finanzsenator stets behauptet – der potenteste und kreditwürdigste Interessent gewesen.

 

f. Erbbaurechte (Kreditwürdigkeit):

 

Durch die unentgeltlich überlassenen Erbbaurechte macht die Stadt Asklepios bzw. seine den Kaufpreis im Wesentlichen tragende zukünftige Tochter LBK Neu erst kreditwürdig.

 

g. Erbbaurechte (Wert):

 

Im Schatten des LBK-Verkaufs fand einer der größten „Immobilen-Deals“ der Hamburger Nachkriegsgeschichte statt. Der Bodenwert der unentgeltlich überlassenen über 80 Hektar Erbbaugrundstücke beträgt laut Aktenlage rund 300 Mio. Euro.

 

h. Erbbaurechte (Zins):

 

Ein Erbbauzins von 10 bis 20 Mio. Euro wäre laut Akten angemessen gewesen. Es ist nicht auszuschließen, dass letztlich der Finanzsenator den Verzicht auf einen Erbbauzins verhandelt hat.

 

i. Erbbaurechte (Nutzung):

 

Der Erbbaurechtsvertrag ermöglicht es Asklepios, neben der Krankenhausnutzung auf den Gratis-Grundstücken andere kommerzielle Nutzungen mit einem Umsatz von ca. 60 bis 80 Mio. Euro durchzuführen.

 

j. Erbbaurechte (Insolvenzrisiko):

 

Die unentgeltlich überlassenen Erbbaurechte sind durch die Asklepios-Tochter LBK Neu beleihbar. Im Insolvenzfall fallen die Grundstücke samt darauf lastenden Krediten – bis zu 300 Mio. Euro - an die Stadt zurück.

 

k. Nachschuss-Risiko 2005:

 

Obwohl der Finanzsenator den Verkauf auch ordnungspolitisch begründet, trägt die Stadt einen wesentlichen Teil des unternehmerischen Risikos. Im November 2005 musste von Seiten der städtischen LBK Immobilien nach Abschluss des Geschäftsjahres 2004 ein Nachschuss zum Eigenkapital in Höhe von 19,5 Mio. Euro an den LBK Neu gezahlt werden.

 

l. Nachschuss-Risiko 2006 bis 2009:

 

Darüber hinaus ist die Stadt verpflichtet, weitere Darlehen in Höhe von bis zu 75 Mio. Euro nachzuschießen, wenn die Ertragslage des Unternehmens hinter den vereinbarten EBITDA zurückbleibt. Die Rückzahlung dieser Darlehen ist an einen Börsengang bzw. die Zustimmung der Asklepios Gläubigerbanken gebunden und daher unwahrscheinlich.

 

m. Altlasten:

 

Das Hauptargument für den Verkauf war stets die Lösung der Altlastenproblematik. Die nach dem Verkauf verbleibenden Altlasten in Höhe von über 400 Mio. Euro sind der städtischen Anstalt LBK Immobilien (jetzt Hamburgischer Versorgungsfonds) aufgebürdet, so auch die jährlich über 30 Mio. Euro an Pensionszahlungen. Die Erträge aus dem Kaufpreis, der verbliebenen LBK-Beteiligung, aus Mieten, Erbbau-rechten und der Verwertung von für den LBK-Betrieb entbehrlichen Grundstücken tragen aufgrund ihrer geringen Höhe nicht wesentlich zu Bedienung dieser Lasten bei. Erst die Gründung des Hamburgischen Versorgungsfonds zum 1.1.2007 schafft mit Hilfe von Haushaltsmitteln und der Übertragung von städtischen Vermögenswerten eine ausreichende wirtschaftliche Basis zur Absicherung der Altlasten. Diese Lösung wäre auch ohne den Verkauf des LBK möglich gewesen.

 

Inzwischen sind erneut Fragen im Zusammenhang mit dem Verkauf des LBK entstanden, die der Senat in Antworten auf Schriftliche Kleine Anfragen nicht aufgeklärt hat:

 

1. Welche Vereinbarungen wurden seit Vertragschluss mit dem LBK und der Käuferseite geschlossen?

 

2. Wie sehen die selbstschuldnerischen Verpflichtungen seitens des Käufers und die in der Verkaufdrucksache erwähnte selbstschuldnerische Bankbürgschaft aus?

 

3. Welche Informationen über die Umstrukturierungen innerhalb der Asklepios Gruppe seit dem Sommer 2004 gab es und welche Relevanz haben sie für die Stadt als Vertragspartner?

 

4. Welche Überlegungen zu einer Information über diese Umstrukturierungen an Bürgerschaft oder Öffentlichkeit bzw. zu einem Verzicht auf eine solche Information gab es?

 

5. Welche Einschätzungen über Auswirkungen von Umstrukturierungen, z.B. auf die Werthaltigkeit der Garantien und Verpflichtungen des LBK-Käufers, lagen vor?

 

6. Wie kam es zur Verzögerung der Zahlung der ersten Kaufpreistranche?

 

7. Wie kam es zur Berufung der Geschäftsführung und von Aufsichtsräten des LBK Neu?

 

8. Welche Überlegungen gab es, im Zusammenhang mit dem LBK-Verkauf eine Beihilfe bei der EU-Kommission anzumelden (Notifizierungsverfahren)?

 

9. Wie kam es zur Abschluss-Bilanz des LBK Alt 2004 und den Eröffnungsbilanzen des LBK Neu und der LBK Immobilien 2005?

 

10. Wie kam es zur Berechnung des NUV-Nachzuschusses im Zusammenhang mit der Abschluss-Bilanz des LBK Alt 2004 und den Eröffnungsbilanzen des LBK Neu und der LBK Immobilien 2005, insbesondere in Hinblick auf die Begutachtung von Schadenersatzrückstellungen, Forderungsverzichten gegenüber Krankenkassen und Abfindungen für Mitarbeiter?

 

11. Wie kam es zu den Abschlussbilanzen des LBK Neu und der LBK Immobilien 2005?

 

12. Wie kam es zur Berechnung des NUV-Darlehens für 2005 in 2006?

 

13. Welche Kenntnisse gibt es über bevorstehende betriebsbedingte Kündigungen beim LBK sowie die Entwicklung des EBITDA im Vergleich zu den im Zusammenhang mit dem LBK-Verkauf vereinbarten Planzahlen?

 

14. Welche Kenntnisse gibt es über bevorstehende Inanspruchnahmen von Rückkehrrechten durch Beschäftigte der LBK Hamburg GmbH und ihrer Tochterunternehmen?

 

15. Welche Änderungen der Ausgestaltung dieser Rückkehrrechte gab es im Zusammenhang mit dem LBK-Verkauf und in der Zeit seit der Beteiligung der Asklepios Gruppe am LBK und wie kam es zu diesen Änderungen?

 

16. Wie ist die Einlage der Asklepios-Kliniken in Rissen und Bad Schwartau in den LBK erfolgt?

 

17. Welche Überlegungen, Abwägungen und Kenntnisse im Zusammenhang mit der Förderung des Asklepios Westklinikums Hamburg aus städtischen Mitteln seit dem Jahr 2002 gab es, insbesondere im Landesausschuss für Krankenhaus- und Investitionsplanung?

 

18. Wie kam es zu der Förderung des Asklepios Westklinikums Hamburg in Höhe von rund 30 Mio. Euro aus Krankenhausinvestitionsmitteln (Investitionsprogramm 2003 laut Senatsmitteilung in Drucksachen 17/2958)?

 

19. Welche Überlegungen, Abwägungen und Kenntnisse gab es zu den Darstellungen in den Senatsmitteilungen an die Bürgerschaft in

 

a. Drucksache 18/3136 (Umsetzung der Verträge zur Teilprivatisierung des LBK Hamburg – hier: Westklinikum gGmbH),

 

b. Drucksache 18/2813 (Bereitstellung einer modifizierten Ausfallbürgschaft zugunsten der Objektgesellschaft Molita Vermietungsgesellschaft mbH & Co Objekt Klinikum Barmbek KG),

 

c. Drucksache 18/4930 (Hamburgischer Versorgungsfonds - HVF - und Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des LBK-Immobilien Gesetzes)?

 

20. Wie kam es zu der vom Rechnungshof in einem Gutachten (Drs. 18/5543) kritisierten Anweisung der Verwaltung an die LBK Immobilien AöR, eine Bürgschaft zugunsten der LBK Hamburg GmbH zu übernehmen?

 

21. Welche Überlegungen gab es im Zusammenhang mit der in der Haushaltsausschusssitzung am 13. 9. 2005 vorgetragenen und im Gutachten des Rechungshof enthaltenen Kritik an der Bürgschaft der LBK Immobilien AöR zugunsten der LBK Hamburg GmbH?

 

22. Welche Überlegungen und Kenntnisse gab es zu

 

a. der Kooperation der LBK Hamburg GmbH bzw. der Asklepios Klinik Harburg mit dem Krankenhaus Mariahilf in Harburg,

 

b. den Bemühungen der LBK Hamburg GmbH, das Krankenhaus Mariahilf zu übernehmen,

 

c. dem damit verbunden kartellrechtlichen Problemen und Verfahrensfragen?

 

23. Welche Überlegungen und Kenntnisse gab es im Zusammenhang mit

 

a. der kartellrechtlichen Auflage, ein Krankenhaus aus dem LBK-Verbund zu veräußern,

 

b. der Herauslösung bzw. dem Verkauf des AK Eilbek, dem damit verbundenen Verkaufsverfahrens und dem erzielten Ergebnis?

 

Es wird gemäß Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung beantragt:

 

„Der Senat legt der Bürgerschaft unverzüglich sämtliche Akten, Vorgänge und sonstige Unterlagen aller Behörden, Dienststellen und Gremien sowie der für die Stadt und die Besitzanstalt LBK Immobilien tätigen Berater und Wirtschaftsprüfer vor, die die in Ziffer 1. bis 23. genannten Fragen berühren. Zudem werden der Bürgerschaft erneut die mit Unternehmen der Asklepios-Gruppe geschlossenen Verträge (Gesellschaftervertrag, Beteiligungsvertrag, Erbbaurechtsverträge) sowie die Ausschreibung für die Interessenbekundung zum Kauf von LBK-Anteilen und die an Interessenten versandten Unterlagen vorgelegt.“