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Den medizinischen Kinderschutz in Hamburg weiter stärken: Interkollegialer Austausch zwischen Ärzt*innen im Kinderschutzfall

Mittwoch, 10.04.2024

Hamburg ist im Bereich des medizinischen Kinderschutzes bereits sehr gut aufgestellt. Wie gelingend die Kooperation zwischen den Systemen Medizin und Jugendhilfe funktionieren kann, sieht man beispielsweise an der interdisziplinären Zusammenarbeit im Childhood-Haus Hamburg. Dieses ist seit Dezember 2021 eine ambulante Anlaufstelle für Kinder, die Opfer von Gewalt, Sexualdelikten oder Vernachlässigung geworden sind. Neben der Arbeit mit den Kindern und ihren Familien, gehören auch Netzwerkarbeit und das Angebot von Fortbildungen zu den Tätigkeiten des Childhood-Hauses.

Durch den § 4 Absatz 6 im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) aus dem Jahr 2021 wird eine landesrechtliche Regelung des interkollegialen Austausches zwischen Ärzt*Innen im Kinderschutzfall ermöglicht. Von dieser Möglichkeit hat Hamburg im März 2023 Gebrauch gemacht. Durch die Änderung des § 28 des Hamburgischen Kammergesetz für die Heilberufe (HmbKGH) wird Ärzt*innen ermöglicht, sich im Verdachtsfall einer Kindeswohlgefährdung untereinander auszutauschen, ohne dabei ihre Schweigepflicht zu verletzen. Dies schafft Rechts- und Handlungssicherheit, insbesondere auch in Fällen, in denen Eltern nicht zur Kooperation bereit sind. Selbstverständlich müssen Ärzt*innen weiterhin die Erforderlichkeit eines Austauschs im Einzelfall abwägen. Die Regelung ermöglicht dabei den interkollegialen Austausch im Vorstadium zu weiteren Maßnahmen nach § 4 KKG, wie z. B. die anonyme Fachberatung durch das Jugendamt. Die Information an das Jugendamt bei Kindeswohlgefährdung bleibt ein eigenständiger Akt. Der interkollegiale Austausch stellt folglich keine Aushebelung der jugendamtlichen Befugnisse dar und die Letztentscheidungsbefugnis verbleibt beim Jugendamt.

Diese Gesetzesänderung wurde im Rahmen einer Sachverständigenanhörung im Kinder-, Jugend- und Familienausschuss am 11. April 2023 diskutiert. Dabei haben die Sachverständigen, bestehend aus Vertreter*innen des Gesundheitswesens sowie der Jugendhilfe, wertvolle Expertise der Auswirkungen der Neuregelung in der Praxis gegeben sowie Empfehlungen zur praktischen Ausgestaltung und Begleitung der Gesetzesänderung ausgesprochen. Zu den Empfehlungen gehört die umfassende Evaluation des § 28 HambKG, welche sich bereits in Planung befindet und unter Einbezug einer Expert*innen-Runde konzipiert werden soll.

Weitergehend wurde darauf hingewiesen, dass die neue rechtliche Regelung umfassend unter den Anwender*innen bekannt gemacht werden sollte. Grundsätzlich fehle es teilweise an Wissen zum medizinischen Kinderschutz in der Ärzt*innenschaft. Dazu gehört auch die Möglichkeit der anonymisierten Fachberatung durch das Jugendamt nach § 4 KKG. Eine breit angelegte Informationskampagne, die wichtige Informationen zur Zusammenarbeit zwischen Medizin und Jugendhilfe sowie die neue gesetzliche Regelung thematisiert und sich vor allem auch an niedergelassene Ärzt*innen wendet, wäre ein wichtiger Schritt für den medizinischen Kinderschutz in Hamburg. Auch das Angebot von Fortbildungen für Ärzt*innen gemeinsam mit der Ärztekammer sowie gemeinsame Fortbildungen von Medizin und Jugendhilfe im Austausch mit dem Sozialpädagogischen Fortbildungszentrum Hamburg (SPFZ) sollen geprüft und ggf. ausgebaut werden.

Als weiterer wichtiger Punkt zur Unterstützung der Ärzt*innenschaft wurde eine verbindliche Anschlusskommunikation der Jugendämter bei eingegangenen Kindeswohlgefährdungen benannt. Das bedeutet, dass meldende Ärzt*innen eine verbindliche und qualifizierte Rückmeldung der Jugendämter erhalten und ggf. in weitere Verfahren der Gefährdungseinschätzung miteinbezogen werden. Außerdem dient es der Reflexion der eigenen Einschätzung und kann damit Sicherheit für folgende Fälle bieten sowie der näheren Kooperation beider Systeme. Die Umsetzung dazu kann in Hamburg bereits seit Februar 2022 über die Fachanwendung JUS-IT erfolgen. Inwieweit das Verfahren durch die Fachkräfte auf beiden Seiten genutzt wird, soll geprüft werden.

Einrichtungen des Gesundheitswesens sind verpflichtet, sich mit der Prävention von und Intervention bei sexualisierter, körperlicher und seelischer Gewalt zu befassen. Derzeit erarbeitet die sektorenübergreifende Landeskonferenz zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung ein Rahmenkonzept zur Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen bei der Erarbeitung von einrichtungsspezifischen Schutzkonzepten. Die Sozialbehörde koordiniert und sichert den Prozess. Die Sozialbehörde soll darüber hinaus prüfen, inwieweit eine gesetzliche Verpflichtung von Kinderschutzkoordinatoren in den Hamburger Kliniken und Schutzkonzepten in Gesundheitseinrichtungen auf Landesebene möglich ist und diese ggf. umsetzen.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. zusammen mit der Ärztekammer die Änderung von § 28 des Hamburgischen Kammergesetzes durch Informationen und Fortbildungen unter Ärzt*innen bekannter zu machen sowie

2. das Angebot von Fortbildungen für Ärzt*innen bzw. gemeinsame Fortbildungen von Medizin und Jugendhilfe im Austausch mit dem Sozialpädagogischen Fortbildungszentrum Hamburg im Bereich (medizinischer) Kinderschutz zu prüfen und ggf. auszubauen,

3. darauf hinzuwirken, dass medizinische Einrichtungen die Fortbildung für „Insoweit erfahrene Fachkräfte“ für ihre Beschäftigten – auch in Kooperation mit den Kinderschutzzentren – in Anspruch nehmen können, um ihre Kompetenzen im Bereich des Kinderschutzes zu erhöhen,

4. das Verfahren zur Rückmeldung der Jugendämter an meldende Ärzt*innen zu prüfen, ggf. weiterentwickeln und den meldenden Ärzt*innen den Erfahrungsaustausch hierüber anzubieten,

5. die Selbstverwaltungsgremien zu bitten, dass im Rahmen der bestehenden Schutzkonzepte für Kinder und Jugendliche in medizinischen Einrichtungen, namentlich der Qualitätsmanagement-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA, Kinderschutzkoordinator*innen in allen Hamburger Kliniken, in denen Kinder behandelt werden, verankert werden,

6. der Bürgerschaft bis zum 31.12.2024 zu berichten.

 

sowie
  • Britta Herrmann
  • Filiz Demirel
  • Mareike Engels
  • Linus Görg
  • Michael Gwosdz
  • Dr. Adrian Hector
  • Christa Möller-Metzger
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion