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Die EU-Dienstleistungsrichtlinie

Mittwoch, 09.12.2009

zu Drs. 19/4692

gemeinsamen Bericht des Wirtschafts- und des Haushaltsausschusses über die Drs. 19/4484

a) Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie und über weitere Rechtsanpassungen

b) Änderung des Haushaltsplans 2009/2010 – Senatsantrag

 

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie, die Ende 2006 in Kraft getreten ist, ist ein Kernstück des Europäischen Binnenmarktes, durch die die Freiheit von Dienstleistungen verwirklicht wird – bestehende Diskriminierungen ausländischer Dienstleistungserbringer sollen abgebaut werden. Sie muss von den Mitgliedsländern bis 27. Dezember 2009 umgesetzt werden. Wesentliche Maßnahme ist die Einrichtung eines „Einheitlichen Ansprechpartners“ als zentrale Anlauf- und Informationsstelle für alle europäischen Firmen, die Dienstleistungen in einem anderen europäischen Land anbieten. In Deutschland obliegt die Einrichtung des „Einheitlichen Ansprechpartners“ den einzelnen Bundesländern, dabei ist die Organisationsform nicht vorgegeben.

Viele Bundesländer haben sich für einen „Einheitlichen Ansprechpartner“ in staatlicher Trägerschaft, kommunal oder beim Land angesiedelt, entschieden. Fragen der Fach- und Rechtsaufsicht und die daraus resultierenden Haftungsfragen sind klar geregelt. Durch die enge Anbindung an die jeweilige Behördenstruktur können Synergieeffekte genutzt werden, durch die Internationalisierung der Fragestellungen entsteht ein Kompetenzgewinn bei den jeweiligen staatlichen Stellen.

Hamburg hat sich hingegen bereits Anfang 2008 im Rahmen der 2. Mittelstandsvereinbarung auf ein Kammermodell – die Ansiedlung des Einheitlichen Ansprechpartners bei der Handels- und Handwerkskammer – festgelegt. Die Hamburgische Bürgerschaft und ihre zuständigen Ausschüsse wurden bei der Entscheidungsfindung genauso wenig einbezogen wie andere Institutionen. Auch auf die Expertise der Bediensteten der Hamburger Verwaltung wurde verzichtet. Wie in der Sachverständigenanhörung im Haushalts- und Wirtschaftsausschuss am 1.12.2009 geschildert wurden in Berlin u.a. der Hauptpersonalrat der städtischen Verwaltung und die Gewerkschaften frühzeitig in den Entscheidungs- und Entwicklungsprozess einbezogen.

Alle Sachverständigen sprachen sich in der Anhörung gegen eine reine Kammerlösung aus. Zweifellos verfügen die Kammern über eine hohe Beratungskompetenz. Sie sind aber die Interessenvertretung ihrer Mitgliedsunternehmen und werden durch deren Beiträge finanziert. In der Funktion als „Einheitlicher Ansprechpartner“ würden sie der zukünftigen Konkurrenz der in Hamburg ansässigen Unternehmen den Weg ebnen. Eine Interessenkollision ist nicht auszuschließen. Die Kammern können nicht als neutrale Stelle fungieren.

Über die organisatorische Ansiedlung des Einheitlichen Ansprechpartners hinaus, äußerten die Sachverständigen eine Vielzahl von weiteren Kritikpunkten, u.a. eine unklare Finanzierung über Gebühren. Es wurde mehrheitlich befürwortet, dass nicht nur Auskunft über Genehmigungsverfahren gegeben werden, sondern darüber hinaus auch eine Beratung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen erfolgen soll. Das Informationsportal und die Beratungsleistungen der Stelle sollten zudem nicht nur den europäischen Unternehmen, die ihre Dienstleistungen in Hamburg erbringen wollen, sondern auch den von ihnen entsandten Beschäftigten offen stehen. Gerade die Beratung von Beschäftigten, z.B. zu tarifrechtlichen Fragen sollte in enger Kooperation mit anderen Institutionen, hier wären in erster Linie die Gewerkschaften zu nennen, erfolgen.

Der Hamburger Senat hatte drei Jahre Zeit, ein tragfähiges Konzept für die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu entwickeln und das Parlament einzubinden – was nicht geschehen ist. Der Ablauf der Umsetzungsfrist kann nicht als Argument dienen, ein schon im Grundsatz untaugliches Modell zu installieren mit dem Verweis, man könne dies ja nach Ablauf der Evaluation nach drei Jahren durch ein anderes ersetzen.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Vor diesem Hintergrund fordert die Bürgerschaft den Senat auf:

- für den „einheitlichen Ansprechpartner“ vom Kammermodell Abstand zu nehmen und stattdessen den „einheitlichen Ansprechpartner“ in staatlicher Trägerschaft, eventuell in Kooperation mit den Kammern, zu errichten,

- neben den europäischen Unternehmen sollen auch die von ihnen entsandten Beschäftigten ungehinderten Zugang zum Informationsportal und den weiteren Leistungen dieser Stelle haben,

- die Informationstätigkeit der Stelle nicht nur auf genehmigungsrechtliche Fragen, sondern auch auf eine Erstberatung über arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen zu beziehen,

- für eine weitergehende individuelle Beratung in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen soll an andere Institutionen, vor allem den Deutschen Gewerkschaftsbund verwiesen werden. Als Grundlage dieser Arbeit sollen entsprechende Kooperationsverträge geschlossen werden,

- im Rahmen der Evaluation sicher zu stellen, dass alle Abläufe und Verfahren sowohl beim „einheitlichen Ansprechpartner“, bei den Verwaltungsstellen, als auch bei den jeweiligen Schnittstellen mit erfasst sind.