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Für einen attraktiven öffentlichen Personenfernverkehr: Arbeits- und Sozialstandards im Fernbusverkehr einhalten, Wettbewerbsverzerrungen zwischen Bus und Bahn beenden, Fahrgastrechte stärken

Mittwoch, 26.11.2014

Die Liberalisierung des Fernbusverkehrs mit Beginn des Jahres 2013 hat den öffentlichen Personenfernverkehr (ÖPFV) um ein Segment erweitert, das bis dahin ein Nischendasein im grenzüberschreitenden Verkehr und im Verkehr von und nach Berlin fristete. Zahlreiche Anbieter konkurrieren seitdem mit Kampfpreisen um Fahrgäste. Die günstigen Preise haben Teilen der Bevölkerung Mobilität möglich gemacht, die sie sich ansonsten nicht hätten leisten können. Auf diesen Wettbewerb reagiert auch die Bahn - auf vielen Strecken selbst im Fernbusverkehr aktiv - im Schienenpersonenfernverkehr mit günstigen Angeboten. Gleichzeitig setzt unter den Fernbusunternehmen aber auch bereits eine Marktbereinigung ein.

Dank des 2003 neu eröffneten Zentral-Omnibus-Bahnhofs (ZOB) an der Adenauerallee verfügt Hamburg im Vergleich zu anderen Städten über eine komfortable Infrastruktur für die Abfertigung von Fernbussen. Die Lage im Zentrum der Stadt, zudem in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und zu allen U- und S-Bahn-Linien, ist ein klarer Vorteil, was die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel angeht, aber auch mit Blick auf das Umsteigen zwischen verschiedenen Fernbuslinien. Es bleibt abzuwarten, ob die Kapazitäten des ZOB mittel- bis langfristig ausreichen werden. Fernbusse halten in Hamburg aber nicht nur am ZOB, sondern vereinzelt auch in Bergedorf, in Harburg und am Flughafen. Während für die Nutzung des ZOB ein Entgelt zu zahlen ist, gilt dies für die übrigen Hamburger Haltestellen, unter denen die Fernbusunternehmen beliebig auswählen können, nicht.

Kritisch zu betrachten ist allerdings die Einhaltung der Arbeits- und Sozialstandards für die Busfahrerinnen und Busfahrer: Das Amt für Arbeitsschutz hat bei sechs Kontrollen von Fernbussen am Hamburger ZOB 44 Busse und 78 Fahrer kontrolliert. In rund 10 Prozent der circa 6.000 kontrollierten Arbeitstage wurden dabei Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten und gegen die Bedienungs- und Aufzeichnungsverpflichtungen festgestellt (Drs. 20/11987). Die Verstöße waren zwar überwiegend geringfügig, bei der hohen Anzahl kommt jedoch der hohe Preisdruck unter den Fernbusunternehmen, die vielfach Subunternehmer einsetzen, zum Ausdruck. Um niedrige Preise anbieten zu können, muss an den Kosten gespart werden, insbesondere an den Personalkosten. In letzter Konsequenz gehen derartige Verstöße zu Lasten der Sicherheit der Fahrgäste und sind daher keine Bagatelle.

Die günstigen Preise der Fernbusse im Vergleich zur Bahn sind auch in der unfairen Wettbewerbssituation zwischen Fernbussen und der Bahn begründet: Während die Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Nutzung der Gleise und der Stationen Entgelte an die Betreiber der Infrastruktur zahlen müssen, ist dies bei Fernbussen nicht der Fall: Fernbusse können Autobahnen ohne Maut und auch die meisten Haltestellen kostenlos nutzen. Ein entsprechender Gesetzesantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag (Drs. 17/7046) konnte sich 2012 im interfraktionellen Kompromiss zur Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) nicht durchsetzen, mittlerweile kündigte Bundesverkehrsminister Dobrindt jedoch an, dies nun prüfen zu wollen.

Auch was die Fahrgastrechte angeht, stehen Fernbuskunden deutlich schlechter da als Bahnkunden, was für Fernbusunternehmen zu Kostenvorteilen gegenüber der Bahn führt: Zum einen werden Fahrgäste, die weniger als 250 Kilometer mit dem Bus zurücklegen, von den Rechten bei Ausfall und Verspätung einer Fahrt ganz ausgenommen, während bei der Bahn Fahrgastrechte uneingeschränkt auch auf Kurzstrecken gelten. Zum anderen bestehen die wichtigsten Rechte nur, wenn die Fahrt ganz gestrichen wird oder sich die Abfahrt um mehr als zwei Stunden verzögert. Verspätungen, die nach der Abfahrt oder durch Anschlussverluste entstehen, sind ebenso ausgenommen. Eisenbahnen müssen dagegen Entschädigung zahlen, wenn der Fahrgast eine Stunde zu spät ankommt - auch bei verpassten Anschlüssen.

 

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. weiterhin verstärkte und nachhaltige Kontrollen hinsichtlich der Lenk- und Ruhezeiten und der Bedienungs- und Aufzeichnungsverpflichtungen durchzuführen,

2. im Verfahren zur Erteilung der Liniengenehmigung zu prüfen, ob Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Fernbusunternehmens auf Grund von Verstößen gegen arbeits- und sozialrechtliche Pflichten vorliegen,

3. im Falle eines notwendigen Ausbaus der Haltestelleninfrastruktur für Fernbusse die Fernbusunternehmen angemessen an den Kosten zu beteiligen,

4. eine mögliche Ausweitung der Bundesfernstraßenmaut auf Fernbusse (ausgenommen Kraftomnibusse, die im Öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 8 Absatz 1 PBefG eingesetzt sind) zu unterstützen,

5. sich auf Bundesebene für eine Angleichung der Fahrgastrechte für Bus- und Bahnfahrgäste einzusetzen.