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Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte ganzheitlich bekämpfen

Mittwoch, 05.05.2010

Die Entwicklung der Gewalttätigkeiten gegenüber Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Vollzugsbediensteten ist alarmierend. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist im Bereich des Deliktschlüssels „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ seit 1999 ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen um rund 31 Prozent zu erkennen. Zwar ist die PKS in diesem Deliktfeld aufgrund der Erfassungsmodalitäten bislang nur eingeschränkt aussagekräftig; nach ersten Auswertungen im Rahmen der Innenministerkonferenz kann jedoch davon ausgegangen werden, dass etwa 90 Prozent der Taten zum Nachteil von Polizistinnen und Polizisten und nur ein kleiner Teil gegen andere Vollzugsbeamte begangen wurden. Auch weitere meist bundesweite Erhebungen, Studien und Analysen gehen in eine ähnliche Richtung und verdeutlichen den Handlungsbedarf.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte bereits in der vergangenen Wahlperiode mehrfach die Gewaltentwicklung gegenüber öffentlich Bediensteten im Allgemeinen und den Vollzugskräften im Besonderen mit Anfragen, Analysen und Anträgen zum Thema gemacht - und diese Initiativen in der laufenden Wahlperiode fortgeschrieben (u.a. Drs. 18/2485, 18/6679, 19/118, 19/2163, 19/2262, 19/5284). Die Anfragen – insbesondere aus Drs. 19/4844 - haben aber leider ergeben, dass bislang in Hamburg offenbar keinerlei detaillierte Indikatoren für die erkennbar dramatische Gewaltentwicklung gegenüber unserer Polizei erfasst wurden. Hamburg unterscheidet sich hier in bedauerlicher Weise von anderen Bundesländern, die auf parlamentarische Anfragen detaillierte Angaben zu Übergriffen auf Polizeibeamte, strafrechtliche Folgen für die Angreifer und Hilfeleistungen gegenüber verletzten Polizeibeamten gemacht haben. Es reicht zur Analyse und zur Konzipierung von Gegenmaßnahmen auch nicht aus, wenn ab 2010 in der Polizeilichen Kriminalstatistik die Widerstandsdelikte gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte und gegen andere Vollstreckungsbeamtinnen und -beamte jeweils gesondert erfasst werden. Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten bekämpft man nicht dadurch, dass man auf eine saubere Analyse verzichtet. Diese soll zukünftig für Hamburg regelhaft vorgelegt werden.

Das Eskalieren der Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten, aber auch gegenüber Feuerwehrleuten und Rettungskräften – trauriger Höhepunkt war bisher der abscheuliche Anschlag auf das Polizeikommissariat 16 in der Nacht zum 4. Dezember 2009 – macht weiteres Handeln erforderlich. Wer die Fürsorgepflicht für die Polizeivollzugskräfte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte ernst nimmt, muss auf ein umfassendes Schutzkonzept - zu dem auch Strafverschärfungen gehören – setzen. Gleichermaßen geht es um die konsequentere Ausübung der Fürsorgepflicht mit verstärkten Hilfe- und Unterstützungsleistungen und um eine Verschärfung der einschlägigen Sanktionsnorm des § 113 StGB. Beides sind zwei Seiten einer Medaille. Hier ist ein klares Signal der Bürgerschaft erforderlich, insbesondere da der schwarz-grüne Senat auf unterschiedlichen Wellen funkt. Der Innensenator fordert in der Innenministerkonferenz eine Strafschärfung, der Justizsenator gibt in der Justizministerkonferenz in der gleichen Frage den Bedenkenträger. Hamburg muss im Bundesrat mit einer Stimme sprechen und klar an der Seite derjenigen stehen, die notfalls ihr Leben für unsere Sicherheit gewährleisten.

 

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

„1. Die Bürgerschaft verurteilt Gewalt gegen unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte und unterstützt die Bemühungen von Bund und Ländern, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

 

2. Der Senat wird hierzu aufgefordert,

2.1. die konsequente Ausübung der Fürsorgepflicht für die Polizei-, Feuerwehr- und Rettungskräfte umfassend sicherzustellen und dabei insbesondere

- die Durchsetzung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen vollumfänglich zu unterstützen, umfassenden Rechtsschutz in diesen und vergleichbaren Situationen (z.B. bei Beleidigungen im Internet) zu gewährleisten und dies nicht allein den Opfern zu überlassen,

- die Gesetzeslücke zum Anspruchsübergang bei Schmerzensgeldansprüchen im Beamtenversorgungsrecht unverzüglich zu schließen (vgl. Drs. 19/5113),

- für den Fall, dass bestimmte berechtigte Ansprüche infolge Mittellosigkeit des Angreifers nicht bedient werden können, ähnlich dem Opferfonds im Bereich der Jugendgewalt einen weiteren Fonds zu diesem Zweck aufzulegen,

- jeden Übergriff als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen mit der Folge, dass Übergriffsopfern aus der Tat jedenfalls keine finanziellen Nachteile entstehen und insbesondere alle Zulagen weitergezahlt werden,

- auch im Übrigen das Schutzkonzept für die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst ständig im Hinblick auf Ausbildung, Ausrüstung, Unterstützungs- und Hilfeleistungen fortzuschreiben und auszubauen.

2.2. Initiativen im Bundesrat zu unterstützen und zu ergreifen, die den strafrechtlichen Schutz für Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Rettungs- und Katastrophenschutzkräfte verbessern helfen und insbesondere vorsehen

- eine Erweiterung des sachlichen Schutzbereich des § 113 StGB auf jegliche Diensthandlung,

- eine Erhöhung des Strafrahmens des § 113 Abs. 1 StGB in Gestalt einer Mindestandrohung von drei Monaten Freiheitsstrafe und mindestens drei Jahren Höchststrafe,

- eine Erweiterung der strafverschärfenden Regelbeispiele des § 113 Abs. 2 StGB, des § 121 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 StGB und des § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB um "andere gefährliche Werkzeuge",

- eine Ergänzung der Strafvorschriften um eine eigenständige Sanktionsnorm zum Schutz von Feuerwehrleuten und Rettungs- sowie Katastrophenschutzkräften und im Einsatz (Schutzgut ist konform zum Regelungsziel des § 113 StGB der Einsatz selbst)

- und eine Anpassung der Sanktionsnorm des § 305a StGB, um auch Einsatzmittel der Feuerwehr, der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes in den Schutzbereich zu integrieren.

2.3. der Bürgerschaft zukünftig jährlich über den Sachstand und Fortschritte bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte zu berichten und dabei über die erweiterte PKS-Erfassung hinaus ein umfassendes Lagebild zur Fallentwicklung, zu Tatgelegenheiten und Tatumständen vorzulegen sowie insbesondere auch einzugehen auf

- die Folgen für die Opfer der Gewalt (Dienstunfähigkeit, Verletzungen usw.),

- die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen für die Angreifer,

- die jeweils eingeleiteten Maßnahmen, vor allem Unterstützungs- und Hilfeleistungen gegenüber den Opfern.

Orientierungspunkt kann die Große Anfrage aus Drs. 19/4844 sein, mit der u.a. Daten abgefragt wurden, die in vielen Bundesländern bereits regelhaft erhoben werden.“