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Hamburg braucht innovative Konzepte für frei finanzierten und bezahlbaren Wohnungsbau: „Hamburger Effizienzwohnungsbau“ als wichtige Ergänzung des Mietwohnungsbaus

Freitag, 03.06.2016

Seit 2011 werden in Hamburg wieder in erheblichem Umfang neue Wohnungen gebaut. Angesichts der großen Attraktivität Hamburgs, der Lebensqualität in der Metropole und der großen Wirtschaftskraft entscheiden sich immer mehr Menschen für Hamburg. Die Einwohnerzahl ist daher in den letzten Jahren deutlich angestiegen und sie wird auch in den nächsten Jahren steigen. Hamburg wird also auch künftig eine pulsierende, innovative, soziale Stadt bleiben. Und wichtig ist: Die heutigen und zukünftigen Hamburgerinnen und Hamburger benötigen Arbeitsplätze und Wohnraum.

Wie in allen prosperierenden Metropolen sind dabei der Erhalt und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine große Herausforderung. Der Hamburger Senat hat durch sein engagiertes Wohnungsbauprogramm nicht nur die Zahl der insgesamt fertiggestellten Wohnungen in den letzten Jahren deutlich erhöht und ist mit über 29.000 Fertigstellungen von 2011 bis 2015 im bundesweiten Vergleich Spitze. In Hamburg wurden insbesondere neue Impulse beim sozialen Wohnungsbau gesetzt. So wurden in den letzten Jahren alle Fördermittel für 2.000 Sozialwohnungen pro Jahr vollständig abgerufen. Gerade wurde das Förderprogramm auf 3.000 Wohnungen pro Jahr erhöht.

Unter anderem aufgrund der großen Nachfrage, begrenzter Flächenpotentiale in einem Stadtstaat und erhöhter Qualitätsanforderungen sind die Herstellungskosten (Grund-stücks¬preise und Baukosten) in den letzten Jahren in Hamburg deutlich gestiegen. Im frei finanzierten Mietwohnungsbau sind daher Anfangsmieten von rund 12 Euro in normaler Wohnlage die Regel. Diese Mietpreise sind aber für eine größere Zahl von Mieterinnen und Mieter und gerade für Familien nur schwer tragbar. Auf der anderen Seite kann der soziale öffentlich geförderte Wohnungsbau den Bedarf alleine – auch aus finanziellen Gründen – nicht abdecken.

Daher sind Lösungen zu entwickeln, die dazu führen, dass neben dem öffentlich geförderten Wohnungsbau und dem klassischen frei finanzierten Mietwohnungsbau eine wichtige Ergänzung des Mietwohnungsmarktes in Hamburg eingeführt wird: Der kostenoptimierte Effizienzwohnungsbau.

Wie in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen werden dabei durch Typisierung und Standardisierung Ergebnisse mit hohem Standard entwickelt, deren Herstellung aber erheblich effizienter ist als bei konventionellen Vorgehensweisen.

Projekte in anderen Städten haben – auch unter Berücksichtigung der geltenden anspruchsvollen energetischen Regelungen – gezeigt, dass hierdurch die Baukosten um bis zu 40 Prozent gesenkt werden und damit Anfangsmieten entsprechend geringer ausfallen können. So kann es gelingen, dass den Wohnungssuchenden qualitativ hochwertige Neubauwohnungen, die den geltenden Qualitätsanforderungen entsprechen, zu Anfangsmieten zwischen 8 und 9 Euro nettokalt pro Quadratmeter angeboten werden können. Es gibt mittlerweile Bauträger, die in der Lage sind, bspw. auch in klimapolitischer Hinsicht, anspruchsvolle Standards preisgünstig umzusetzen, andere müssen derartige Erfahrungen im Bauprozess erst noch erwerben.

 

Die Entwicklung eines Hamburger Effizienz-Wohnungsbaus muss hierbei als lernender Prozess gestaltet werden, um Know-how-Transfer im Bauprozess implementieren und die weiterhin gesetzlich steigenden Anforderungen kostenoptimiert umsetzen zu können.

 

Für viele Menschen würde damit auch außerhalb des öffentlich geförderten Wohnungs-baus eine Neubauwohnung erstmals finanzierbar werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind erhebliche konzeptionelle Veränderungen beim Wohnungsbau nötig. Der Fokus muss wesentlich stärker als bisher auf die Themen Kosten und Qualität gerichtet werden und diese müssen als Lösung der sozialen Frage ausreichender guter Wohnraumversorgung verstanden werden.

 

Wie innovativ können wir sein, welche Kraftanstrengungen wollen wir unternehmen, um bezahlbare Neubauwohnungen für alle zu schaffen? Was in vielen Wirtschaftsbereichen als Notwendigkeit im Sinne der Bezahlbarkeit von Produkten für breitere Schichten der Bevölkerung erkannt wurde, muss auch im Wohnungsbau stärkere Anwendung finden. Dies setzt die Bereitschaft aller Beteiligten – Unternehmen, Verwaltung, Politik – voraus, diesen Weg zu vermehrter Berücksichtigung von modernen standardisierten und dabei attraktiven Wohnungsbaulösungen zu gehen. In Senat und Verwaltung gibt es nun Überlegungen, entsprechende Modellprojekte anzuschieben. Die Hamburgische Bürgerschaft sollte bekräftigen, dass es auch aus ihrer Sicht unerlässlich ist, über die gerade beschlossene Steigerung des Sozialwohnungsbaus um 50 Prozent auf 3.000 Wohnungen jährlich die Anstrengungen zur Schaffung kostengünstiger, qualitativ hochwertiger frei finanzierter Mietwohnungen zu intensivieren.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird ersucht,

 

1. die Voraussetzungen für den Bau von frei finanzierten Wohnungen mit Anfangsmieten zwischen 8 und 9 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche nettokalt zu schaffen und dazu gemeinsam mit der Wohnungsbauwirtschaft und Architektenverbänden im Rahmen eines neuen Projektes "Hamburger Effizienz-Wohnungsbau" kostenwirksame Maßnahmen in einem lernenden Prozess zu entwickeln und insbesondere folgende Bereiche zu prüfen:

 

a. Verfahren zur Bereitstellung und Vergabe städtischer Grundstücke,

 

b. Prozessabläufe bei Bebauungsplanverfahren (Kernziel: Verfahrensverkürzung) ohne Einschränkung des bisherigen Umfangs an Bürgerbeteiligung,

 

c. Prüfverfahren bei der Baugenehmigung (z.B. Vereinfachung und Verkürzung der Verfahren durch Typengenehmigungen),

 

d. Umsetzungen von Auflagen und Standards (u.a. bauliche Dichte, kompakte Bauweise, Technische Gebäudeausrüstung, Barrierefreiheit, Brandschutz, Nebenanlagen, Energieeffizienz). Sie sind daraufhin zu prüfen, ob und wie sie Optimierungen und Typisierungen zugänglich sind, um so zu wirksamen Kosten-senkungen zu kommen. Dabei ist unter Nutzung aller bestehenden Förder-möglichkeiten der KfW 40-Standard gemäß EnEV 2016 (mindestens aber KfW 55) mittelfristig als energetischer Standard anzustreben sowie möglichst ein überwiegender Anteil von Erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung vorzusehen,

 

e. Flexibilität und Bemessung von Grundrissen, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung von Gemeinschaftsräumen für Arbeit und Freizeit.

 

2. alle Maßnahmen unter 1. einer Evaluierung zu unterziehen, die eine Bewertung gemäß GdW-Standard „Nachhaltiger Wohnungsbau“ beinhaltet. Dieses schließt neben sozialkulturellen Kriterien eine Betrachtung der Lebenszykluskosten und -emissionen mit ein. Die Kosten für die Nachhaltigkeitsbewertung möge die BUE übernehmen;

 

3. in der Regel begrünte Dächer zu realisieren und kompakt zu bauen;

 

4. bei der Vergabe städtischer Grundstücke geeignete Objekte für den frei finanzierten „Hamburger Effizienz-Wohnungsbau“ vorzusehen und Anfangsmieten im Bereich von 8 bis 9 Euro nettokalt vertraglich abzusichern. Mieterhöhungen sollen für eine Laufzeit von 15 Jahren maximal entsprechend der Richtlinien zum 1. Förderweg der Investitions- und Förderbank im Sozialwohnungsbau möglich sein;

 

5. bei Ausschreibungsverfahren städtischer Grundstücke über den bereits bestehenden hohen energetischen Standard hinausgehende Lösungen zu berücksichtigen, wie z. B. KfW 40 gemäß EnEV 2016, Gründächer, Photovoltaik, Solarthermie;

 

6. gegenüber SAGA GWG darauf hinzuwirken, modellhaft auf einer eigenen Fläche ein frei finanziertes Wohnungsbauprojekt mit Mieten wie unter Punkt 4 zu realisieren;

 

7. parallel zur Kostenoptimierung von Prozessen und Systemen gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft und den verschiedensten Nutzergruppen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Entwicklungen neue Wohnformen weiterzuentwickeln: gemeinschaftliches Wohnen, Wohnen für Alte, Mikrowohnen etc.;

 

8. der Hamburgischen Bürgerschaft im Rahmen der Beratungen des Haushaltes 2017/18 über den Sachstand zu berichten.

 

sowie
  • der Abgeordneten Olaf Duge
  • Christiane Blömeke
  • Filiz Demirel
  • Ulrike Sparr
  • Dr. Anjes Tjarks (GRÜNE) und Fraktion