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Hamburg braucht wieder ein Lagebild zur Organisierten Kriminalität!

Mittwoch, 13.09.2006

Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) ist eine der größten Herausorderungen für die Polizei und Justiz im ganzen Bundesgebiet und entsprechend auch für die Strafverfolgungsbehörden in Hamburg.

 

Ausgehend von den Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität ist OK „die von Gewinn oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammen wirken. Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus“.

 

Nur selten wird OK von sich aus offenbar. Strafanzeigen in diesem Bereich werden – u. a. wegen Angst der Zeugen – nur selten erstattet. Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der OK setzt daher voraus, dass Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus Informationen gewinnen und bereits erhobene Informationen zusammenführen, um Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu erhalten.

 

Parlamentarische Anfragen haben ergeben, dass die Zahl der in Hamburg bearbeiteten Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) im Zeitraum von 2000 bis 2005 deutlich zurückgegangen ist. Gab es im Jahr 2000 noch 55 und im Folgejahr 56 Verfahren, registrierten die Behörden in den Jahren 2004 und 2005 nur noch 29 bzw. 35 Verfahren. Anders als in den Vorjahren wird die Zahl der Straftaten im Bereich der OK seit dem Jahr 2005 nicht mehr erfasst. Festzustellen ist jedoch, dass es eine nahezu gleich bleibende Zahl von OK-Verfahren gibt, die auf eine Einflussnahme der OK auf Politik, Medien, Öffentliche Verwaltung und Justiz schließen lassen. Über die Hintergründe, die Zusammenhänge und die Entwicklung sind in den vergangenen Wochen in Politik und Medien zahlreiche Fragen aufgetaucht.

 

Insbesondere auch zur Information der Öffentlichkeit haben die Staatsanwaltschaft Hamburg und das Landeskriminalamt Hamburg für die Jahre 1999 und 2000 „Gemeinsame Lagebilder“ von Justiz und Polizei Hamburg zur „Organisierten Kriminalität“ (in pressefreien Kurzfassungen) veröffentlicht. Viele Bundesländer sind ebenfalls diesen Weg gegangen.

 

Mit Amtsantritt des Beust-Schill-Senats wurde die Erstellung eines solchen gemeinsamen und veröffentlichten OK-Lagebildes eingestellt. Zur Begründung führte der Senat jetzt auf Nachfrage an, dass sich aus diesen Lagebildern „kein polizeitaktischer oder strategischer Vorteil für die OK-Bekämpfung ergeben“ habe. Der hierfür erforderliche Aufwand habe erhebliche Ressourcen gebunden, die für die eigentliche Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht zur Verfügung gestanden hätten. Der Aufwand sei im Verhältnis zum Nutzen eines solchen Lagebildes nicht gerechtfertigt. Diese Position ist nicht mehr haltbar. Zielsetzung muss es sein,

 

- zusätzliche Daten für die Erfolgskontrolle und die Weiterentwicklung der Bekämpfungskonzepte gegenüber der organisierten Kriminalität auch in Hamburg zu gewinnen.

 

- die Abstimmung der Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft durch die fortlaufende Bewertung von OK-relevanten Sachverhalten weiter zu verbessern.

 

- insbesondere Verwaltung, Wirtschaft, Politik, Medien und Bürger dieser Stadt qualifizierter und transparenter als in der Vergangenheit, genauer und richtiger über die tatsächliche Entwicklung von organisierter Kriminalität zu informieren - und damit für diese Problematik auch zu sensibilisieren.

 

Diese Ziele sind nur mit der regelmäßigen Herausgabe eines OK-Lagebildes erreichbar. Die im wesentlichen positiven Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass mit dem gemeinsamen OK-Lagebild ein wirksamer Beitrag zur Vereinheitlichung der Definition und der statistischen Erfassung von OK geleistet sowie noch besser gemeinsam abgestimmte Verfolgungsstrategien von Polizei und Justiz forciert werden können. Die Aufbereitung staatsanwaltschaftlicher Erkenntnisse aus den Ermittlungsverfahren, den Hauptverhandlungen sowie der Strafvollstreckung und ihre Verknüpfung mit polizeilichen Erkenntnissen in einem gemeinsamen Lagebild stehen hierbei als konkrete Ansatzpunkte im Vordergrund. Auch der natürliche aufgabenbedingte Widerspruch zwischen dem zunehmend strukturorientierten Ansatz bei der polizeilichen OK-Bekämpfung und dem vornehmlich täterorientierten Ansatz staatsanwaltschaftlicher OK-Verfahrensbearbeitung kann auf diese Weise zumindest insoweit aufgelöst werden, als es ermöglicht wird, Informationsverlusten bezüglich Tat- und Täterzusammenhängen, Logistik, Finanzgebaren etc. entgegen zu wirken.

 

Dies zeigt: Polizeitaktisch und –strategisch ist es daher absolut vorteilhaft, wieder ein OK-Lagebild zu erstellen und herauszugeben. Man bekämpft OK nicht dadurch, dass man sich über sie ausschweigt. Eine aktive Informationspolitik kann einen wirksamen Beitrag zu Bekämpfung der OK auch in Hamburg leisten – mit einem OK-Lagebild!

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird aufgefordert,

 

a) jährlich, beginnend ab 2007, wieder ein „Gemeinsames Lagebild“ von Justiz und Polizei Hamburg zur „Organisierten Kriminalität“ zu erstellen und in pressefreien Kurzfassungen zu veröffentlichen. In diesem Lagebild ist u.a. vorzusehen

 

- eine detaillierte Lagedarstellung der bekannt gewordene Sachverhalte und Ermittlungsverfahren sowie der Delikts- und Kriminalitätsbereiche,

 

- eine Analyse der Schäden und Gewinne (auch unter dem Aspekt der Geldwäsche) sowie der Maßnahmen und der Ergebnisse der Vermögensabschöpfung,

 

- eine Darstellung der Anzahl, Nationalitäten/Ethnien, Bewaffnung und Organisationsstruktur sowie geografische Bezüge der Tatverdächtigen,

 

- eine Zusammenschau der Verbindungen zu ausländischen OK-Gruppierungen,

 

- eine Übersicht über verdeckte und Zeugenschutzmaßnahmen sowie über andere Strafverfolgungsmaßnahmen (Festnahmen/Haftbefehle),

 

- die detaillierte Auflistung verfahrensbezogener Erkenntnisse (Verfahrenssachbearbeitung, -einleitung, -dauer, -erledigung und Personaleinsatz im polizeilichen und im justiziellen Bereich).

 

b) künftig jährlich, beginnend ab 2007, die Bürgerschaft über das „Gemeinsame Lagebild“ von Justiz und Polizei Hamburg zur „Organisierten Kriminalität“ zu unterrichten und dabei darzulegen, worauf er signifikante Veränderungen gegenüber den Vorjahren zurückführt und welche Schlussfolgerungen er aus der OK-Entwicklung für die zukünftige OK-Bekämpfung zieht.