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Hamburg muss vorangehen: Kinderrechte in die Verfassung UN-Kinderrechtskonvention vorbehaltlos zustimmen

Mittwoch, 05.11.2008

Die Fälle von Gewalt gegen und Vernachlässigung von Kindern, von unzureichenden Entfaltungsmöglichkeiten reißen nicht ab. Nicht selten hat dabei auch die staatliche Fürsorgepflicht für die schwächsten Glieder der Gesellschaft versagt. Um dies zu verändern und für Kinder positive Lebensbedingungen in allen Bereichen zu schaffen, fehlt es in vielen Bereichen immer noch an gesetzlichen Grundlagen. Das Grundgesetz normiert bislang nicht ausdrücklich die besonderen Rechte des Kindes. Kinder bedürfen aber besonderer Aufmerksamkeit und besonderen Schutzes. Deshalb soll eine klarstellende Regelung im Grundgesetz Staat und Gesellschaft auf die Berücksichtigung der Belange unserer Kinder in allen Lebensbereichen verpflichten. Rechtlich und politisch bedeutet dies die Stärkung der Interessen der nachwachsenden Generation; die Begründung und Durchsetzung konkreter Verbesserungen erhält einen verbindlichen verfassungsrechtlichen Bezug.

Wo Eltern und Erzieher nicht handeln können, ist der Staat für das Kindeswohl verantwortlich.

Das Verhältnis primärer Erziehungsauftrag der Eltern – sekundäres Wächteramt des Staates wird durch eine Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz nicht angetastet. Kinderrechte stellen Erziehungsrecht und -pflicht der Eltern nicht in Frage. Andererseits ist nur mit eigenem Rechtsstatus des Kindes wirklich sichergestellt, dass der Schutz des Kindeswohls im Konfliktfalle gegen das grundgesetzlich geschützte elterliche Erziehungsrecht durchsetzbar ist.

In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten, Kinder vor körperlicher oder geistiger Gewalt, Misshandlung, Vernachlässigung, schlechter Behandlung, Ausbeutung und sexueller Gewalt zu Hause zu schützen. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes verpflichtet die Vertragsstaaten, alle erforderlichen – auch gesetzgeberischen – Maßnahmen zur Verwirklichung der Rechte des Kindes zu treffen. Die verfassungsrechtliche Sicherung des Kindeswohls wird gegenwärtig durch Auslegung des Art. 6 in Verbindung mit Art. 1 und 2 des Grundgesetztes erreicht. Das Grundgesetz bleibt damit jedoch in seinem Wortlaut hinter dem Stand der Rechtsprechung zurück. Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist das Erziehungsrecht der Eltern als „Elternverantwortung“ dem Kindeswohl verpflichtet. Der Staat darf sich bei seinem Wächteramt über die Elternverantwortung nicht auf rein defensive Maßnahmen beschränken. Vielmehr hat er zur Verwirklichung der aus den Art. 1 und 2 Grundgesetz abgeleiteten Persönlichkeitsrechte durch Abwehr drohender Beeinträchtigungen und durch Sicherstellung der Grundanforderungen an die kindliche Entwicklung aktiv beizutragen. Auch deshalb sind die Kinderrechte in das Grundgesetz einzufügen – Hamburg sollte, wenn es seinen Anspruch, eine kinderfreundliche Stadt sein zu wollen, ernst nimmt, hierbei vorangehen.

Die Kinderrechtskonvention offenbart im Hinblick auf die deutsche Rechtslage aber noch weiteren Handlungsbedarf. Das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes", wie es vollständig heißt, ist am 5. April 1992 für Deutschland in Kraft getreten. Bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 6. März 1992 hat Deutschland eine gesonderte Erklärung abgegeben, die in der Bekanntmachung über das Inkrafttreten vom 10. Juli 1992 (BGBl. II S. 990 ff) veröffentlicht wurde und die relativierende bzw. einschränkende Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention enthält.

 

 

Die Umsetzung der Kinderrechtskonvention und ihrer Ziele in Deutschland muss endlich vorbehaltlos gewährleistet werden. Es besteht kein Bedürfnis mehr für die Vorbehaltserklärung, um Über- oder Fehlinterpretationen zu vermeiden. Aufgrund der Völkerrechtskonformität der deutschen Rechtslage sowie zwischenzeitlich eingetretener Rechtsänderungen, insbesondere durch die Kindschaftsrechtsreform und die Änderungen im Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht, kann auf die Erklärung verzichtet werden.

Vielfältige Bemühungen einiger Bundesländer, aus dem parlamentarischen und dem außerparlamentarischen Raum, die am 6. März 1992 bei dem Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegte Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes zurückzunehmen, scheiterten bislang immer an der Mehrheit der Bundesländer. In Drs. 16/6076 hat die Bundesregierung auf Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen mitgeteilt: „Die Bundesregierung sieht sich außerstande, die Erklärung zu der Kinderrechtskonvention zurückzunehmen, da die Länder mit einer Rücknahme der Erklärung nach wie vor nicht einverstanden sind.“

Im vergangenen Sommer bestand im Bundesrat erneut eine Gelegenheit, mit einem neuen Anlauf die Vorbehaltserklärung, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, aus der Welt zu schaffen. Doch der schwarz-grüne Senat hat sich beim entsprechenden Entschließungsantrag aus BR-Drs. 405/08 enthalten – was im Bundesrat wie eine Ablehnung wirkt. Auf SPD-Anfrage teilt der Senat lapidar mit, er habe sich „aktuell hiermit nicht befasst“ (vgl. Drs. 19/1288). Für einen Senat mit grüner Beteiligung ist das ein Armutszeugnis.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

„1. Der Senat wird aufgefordert, im Bundesrat den verfassungsrechtlichen Schutz von Kindern im Sinne einer eigenständigen Aufnahme von Kinderrechten in den Grundrechtskatalog unseres Grundgesetzes im Rahmen einer Bundesratsinitiative zu unterstützen bzw. entsprechend selbst initiativ zu werden. Orientierungsrahmen hierbei soll die UN-Kinderrechtskonvention sein. Zu gewährleisten ist neben kindgerechten Lebensbedingungen, für die die staatliche Gemeinschaft Sorge trägt, das Recht eines jeden Kindes auf Achtung seiner Würde, auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung, körperliche und geistige Unversehrtheit und den besonderen Schutz vor Gewalt und Vernachlässigung.

2. Der Senat wird ferner ersucht, im Bundesrat mit anderen Ländern initiativ zu werden, um die Bundesregierung gemeinsam aufzufordern, die am 6. März 1992 bei dem Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegte Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes zurückzunehmen.“