Zum Hauptinhalt springen

Hamburger Integrationsfonds (II): Dolmetscherpool für die psychotherapeutische Behandlung von traumatisierten und psychisch kranken Flüchtlingen

Donnerstag, 20.10.2016

Bürgerschaft und Senat unternehmen vielfältigste Anstrengungen, die Integration der in Hamburg lebenden Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten konsequent voranzubringen – immer in guter Nachbarschaft und im guten Miteinander von alteingesessenen und neu hinzukommenden Hamburgerinnen und Hamburgern. Die Maßnahmen haben immer auch zum Ziel, das soziale Leben und die Lebensqualität in Hamburg insgesamt sowie in den Quartieren und Stadtteilen für alle noch besser zu machen.

 

Die Bürgerschaft hat mit Drs. 21/5237 den Senat gebeten, einen Hamburger Integrationsfonds einzurichten und die Ermächtigung zur Verursachung von Kosten aus diesem Fonds an entsprechende Beschlüsse der Hamburgischen Bürgerschaft gekoppelt. Ausgaben sollen für Maßnahmen und Zuweisungen, die integrationsfördernde Angebote für Geflüchtete beinhalten, getätigt werden. Mit Beschluss der Drs. 21/5860 stehen nunmehr 7 Mio. Euro im Haushalt 2016 zur Verfügung. Die Mittel sind übertragbar. Zugleich wurde im Einzelplan 9.2 im Aufgabenbereich 283 ein neues Zentrales Programm „Hamburger Integrationsfonds – investiv“ mit einem Mittelvolumen von 3 Mio. Euro für investive Maßnahmen geschaffen. Damit gibt es ein zusätzliches Förderinstrument, das in der aktuellen Startphase zahlreicher Integrationsprojekte helfen soll, wichtige Projekte investiv oder konsumtiv zu unterstützen – immer mit dem Ziel dauerhaft tragfähiger, nachhaltiger Strukturen in den Regelsystemen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung soll die Bürgerschaft solche Förderentscheidungen selbst treffen, um politische Akzente bei der Umsetzung der Integrationspolitik setzen zu können. Der Hamburger Integrationsfonds soll – im Vorlauf zur Aufstockung des durch die Bezirke zu vergebenden Quartiersfonds und noch sehr kurzfristig in diesem Herbst – tragfähige Strukturen in den Nachbarschaften unterstützen, die Sozialräume bzw. landesweit wichtige bzw. pilotartige Integrationsprojekte stärken.

 

Menschen, die im Erwachsenenalter Krieg, Vertreibung oder Folter erlebt haben, leiden häufig unter einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer anderen psychischen Störung. Viele der Betroffenen haben gute Chancen auf Genesung, wenn sie adäquat beraten werden und sich die Lebenssituation stabilisiert. Schätzungen gehen aber davon aus, dass ein Anteil von 10-20 Prozent der Betroffenen professionelle psychotherapeutische oder psychiatrische Hilfe benötigt, um zu gesunden. Ohne Therapie ist es dieser Gruppe von Menschen oft nicht möglich, Anstrengungen für eine gelingende Integration zu unternehmen.

Anders als bei körperlichen Erkrankungen ist die Behandlung psychischer Leiden bei Asylsuchenden ohne professionelle Sprachmittlung in der Regel ausgeschlossen. Muttersprachliche Psychotherapien können nur in sehr geringem Umfang angeboten werden und die Deutschkenntnisse der Betroffenen sind meist nicht ausreichend. Neben der Frage der Verfügbarkeit von professioneller Sprachmittlung für Psychotherapien ist die Kostenübernahme für Dolmetscherleistungen nicht gesichert. Lediglich in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts ist eine Kostenübernahme für Dolmetscherleistungen im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung über das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vorgesehen. Danach hat zwar die Bewilligung beispielsweise einer Psychotherapie bessere Chancen, weil die Einschränkungen des AsylbLG nicht mehr gelten, gleichzeitig fällt die Möglichkeit der Kostenübernahme von Dolmetscherhonoraren weg, weil diese Leistung im Katalog der Regelversorgung gesetzlicher Krankenkassen nicht vorgesehen ist.

Sowohl zur besseren Vermittlung von qualifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetschern als auch zur Sicherstellung der Kostenübernahme soll deshalb ein Dolmetscherpool für die ambulante insbesondere psychotherapeutische Behandlung von psychisch kranken geflüchteten Menschen mit Mitteln des Hamburger Integrationsfonds geschaffen werden. Zu diesem Zweck werden einmalig 200.000 Euro zur Verfügung gestellt, von denen 150.000 Euro für die Übernahme von Dolmetscherkosten vorgesehen sind. Damit können beispielsweise ca. 120 Menschen eine professionelle Psychotherapie erhalten. Zusätzlich soll auch die Qualifizierung und Supervision von Dolmetscherinnen und Dolmetschern gefördert werden.

Außerhalb der Verwaltung soll eine zentrale Vermittlungsstelle in Hamburg entstehen, an die sich gleichermaßen niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten oder Psychiater und Psychiaterinnen sowie alle Ratsuchenden mit einer entsprechenden Problemstellung wenden können.

Der Verein „SEGEMI – Seelische Gesundheit Migration und Flucht e.V.“ hat in Kooperation mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Psychotherapeutenkammer hierzu ein Konzept entwickelt, das geeignet erscheint, die genannten Zielsetzung zu erreichen. Die Laufzeit des Projekts beträgt zunächst ein Jahr.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. im Haushaltsjahr 2016 aus dem Hamburger Integrationsfonds (Einzelplan 9.2 Aufgabenbereich 283 „Zentrale Finanzen“, Produktgruppe 283.02 „Zentrale Ansätze II“, Produkt „Hamburger Integrationsfonds“) bis zu 200 Tsd. Euro per Sollübertragung auf den Einzelplan und den Aufgabenbereich der fachlich zuständigen Behörde für die Einrichtung eines Dolmetscherpools zur Vermittlung, Vergütung, Supervision und Qualifizierung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern für die psychotherapeutische Behandlungen von psychisch kranken geflüchteten Menschen insbesondere durch den Verein SEGEMI – Seelische Gesundheit Migration und Flucht e.V. zur Verfügung zu stellen.

 

2. der Bürgerschaft im ersten Quartal 2018 über die Ergebnisse der Maßnahme zu berichten.

 

sowie
  • der Abgeordneten Christiane Blömeke
  • Dr. Anjes Tjarks
  • Dr. Stefanie von Berg
  • Filiz Demirel
  • Mareike Engels
  • Farid Müller
  • Ulrike Sparr (GRÜNE) und Fraktion