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Hamburger Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Anti-Schwarzem Rassismus

Mittwoch, 16.02.2022

Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches und strukturelles Problem. Die Blacklivesmatter-Bewegung (BLM) hat 2020 weltweit und hier in Hamburg die Notwendigkeit für politische Veränderungen zur Bekämpfung dessen nochmals in den Vordergrund gerückt. Hamburg setzt sich auf verschiedenen Ebenen gegen Rassismus und Diskriminierung ein.

Die BLM-Proteste haben insbesondere Anti-Schwarzen Rassismus thematisiert. Der Hamburger Senat hat das Thema BLM aufgegriffen und im Juni 2020 den Senatsdialog zu Diskriminierung und Anti-Schwarzem Rassismus etabliert. Schwarze Communities und Senator*innen sind seitdem in kontinuierlichem Austausch. Mit dem Konzept „Hamburg Stadt mit Courage“ Landesprogramm zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus (Drs. 21/18643) hat Hamburg zudem ein übergreifendes Handlungskonzept zur Bekämpfung von Rassismus. Daneben wird derzeit mit der Fortschreibung der Hamburger Antidiskriminierungsstrategie ein (behörden-)übergreifendes Gesamtkonzept gegen Diskriminierung entwickelt. Die Antidiskriminierungsstrategie verfolgt einen diskriminierungsmerkmals- und zielgruppenübergreifenden Ansatz und adressiert daher nicht die spezifische Wirkweise von Anti-Schwarzem Rassismus.

Anti-Schwarzer Rassismus hat sich insbesondere im Kontext des Kolonialismus, des damit verbundenen Sklavenhandels und der Rassentheorien entwickelt. Diese Geschichte von Entmenschlichung und Ausbeutung Schwarzer Menschen wirkt fort, Anti-Schwarzer Rassismus ist bis heute weltweit stark verbreitet.

Postkoloniale Verhältnisse prägen bis heute unsere Gesellschaft. Hamburg profitierte als Handelsstadt besonders vom Kolonialismus. Eine wirksame Strategie gegen Anti-Schwarzen Rassismus muss daher zwingend die Aufarbeitung der Geschichte und daraus resultierende politische Maßnahmen berücksichtigen. Mit dem Runden Tisch koloniales Erbe und dem Beirat zur Dekolonisierung Hamburgs arbeiten Senat und Communities bereits aktiv an der Aufarbeitung des kolonialen Erbes. Mit dem Antrag auf Entwicklung einer Strategie gegen Anti-Schwarzen Rassismus rahmt die Koalition die laufenden Maßnahmen.

Mit dem Antrag auf eine Strategie gegen Anti-Schwarzen Rassismus knüpft die Koalition an die Forderungen der laufenden UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft an. Jüngst erschien die Studie „#Afrozensus 2020“, gefördert durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einem gemeinsamen Projekt mit den Organisationen „Each One, Teach One (EOTO)“ und „Citizens for Europe“. Die Studie macht Perspektiven und Rassismuserfahrungen Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland sichtbar. Sie zeigt deutlich auf, dass nahezu alle Schwarzen Menschen in Deutschland von Rassismus betroffen sind und dass Diskriminierung in allen Lebensbereichen auftritt. Als häufigste Bereiche nennen Betroffene Öffentlichkeit und Freizeit, Medien und Internet, Geschäfte und Dienstleistungen und das Arbeitsleben. Zudem werden Diskriminierungserfahrungen auf dem Wohnungsmarkt, in diversen Bereichen der Verwaltung, bei Ämtern sowie bei Polizei und Justiz genannt.

Die Studie zeigt zudem auf, dass Anti-Schwarzer Rassismus in Wechselwirkung mit anderen Diskriminierungsformen steht und immer intersektional betrachtet werden muss. Die Ergebnisse heben die Relevanz von spezifischen Konzepten zur Bekämpfung des Anti-Schwarzen Rassismus hervor. Die Koalition folgt mit ihrem Antrag somit zum einen berechtigten Forderungen zivilgesellschaftlicher Gruppen wie beispielsweise der Arbeitsgemeinschaft Anti-Schwarzer Rassismus aus Hamburg und knüpft zum anderen an aktuelle Forschungserkenntnisse des Bundes an.

Die Strategie gegen Anti-Schwarzen Rassismus soll darauf abzielen Strukturen abzuschaffen, die Anti-Schwarzen Rassismus verursachen und verstärken. Ein umfassendes Konzept muss, wie auch aus dem Afrozensus deutlich wurde, alle Lebensbereiche in den Blick nehmen und von allen zuständigen Fachbehörden mitentwickelt und umgesetzt werden. Der Afrozensus hat dezidiert die Bereiche Bildung und Gesundheit untersucht. In beiden Bereichen konnten deutliche Missstände identifiziert werden.

Eine wirksame Strategie gegen Anti-Schwarzen Rassismus muss zwingend den Faktor der Sozialisation betrachten und dementsprechend das Bildungs- und Wissenschaftssystem, von frühkindlichen Bildungsorten über das Schulsystem bis an die Hochschulen, als wichtige Orte der Persönlichkeitsentwicklung und Wissenskonstruktion in den Blick nehmen. Genau wie Bildung ist Gesundheit ein Menschenrecht. Die Strategie soll an diese Erkenntnisse anknüpfend Konzepte für den Bereich Gesundheit berücksichtigen.

Alltäglichen und strukturellen Rassismus bekämpfen wir nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft. Deshalb muss die Strategie die gezielte Förderung und das Empowerment Schwarzer Selbstorganisationen berücksichtigen. Zur Entwicklung und Begleitung der Strategie müssen daher die Schwarzen Selbstorganisationen einbezogen werden. Dabei kann an die bereits bestehenden Senatsdialoge und die inhaltlichen Forderungen der Arbeitsgemeinschaft Anti-Schwarzer Rassismus angeknüpft und auf dieser Basis weitere Akteur*innen einbezogen werden. Darüber hinaus ist die Einbindung von wissenschaftlichen Erkenntnissen maßgeblich, um die Wirksamkeit der Strategie sicherzustellen.

 

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Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. eine Strategie gegen Anti-Schwarzen Rassismus zu entwickeln, welche an die Forderungen der laufenden UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft anknüpft, die aktuellen Maßnahmen rahmt und alle gesellschaftlichen Bereiche berücksichtigt.

Dabei soll die inhaltlich federführend zuständige Behörde dafür Sorge tragen, dass die Strategie zur Bekämpfung von Anti-Schwarzem Rassismus, mit

a. der Hamburger Antidiskriminierungsstrategie,

b. der Strategie des Senats zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und

c. dem dekolonisierenden Erinnerungskonzept

ineinandergreifen

und die unterschiedlichen Belange aller anderen fachlich betroffenen Behörden im gesamten Prozess, von der Entwicklung über die Durchführung bis zur Evaluation der Strategie, Berücksichtigung finden.

2. sicherzustellen, dass Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, insbesondere Schwarzer Selbstorganisationen und Expert*innen aus der Wissenschaft an der Entwicklung, Begleitung und Evaluation der Strategie beteiligt werden und dass die Erkenntnisse aus den Senatsdialogen gegen Diskriminierung und Anti-Schwarzen Rassismus sowie der Forderungskatalog der Arbeitsgemeinschaft Anti-Schwarzer Rassismus einbezogen werden;

3. im Rahmen der Entwicklung der Strategie einige Bereiche wie beispielsweise die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte, das Bildungs- und Wissenschaftssystem, das Gesundheitssystem, den Wohnungsmarkt, Mehrfachdiskriminierung, institutionelle Diskriminierung und die Förderung und Stärkung der Zivilgesellschaft besonders in den Blick zu nehmen;

4. wissenschaftliche Erkenntnisse wie den Afrozensus und zukünftige Forschungsergebnisse in die Konzeption und Ausführung einfließen zu lassen;

5. der Bürgerschaft bis zum 01.04.2023 zu berichten.

 

sowie
  • Filiz Demirel
  • Michael Gwosdz
  • Miriam Block
  • Mareike Engels
  • Britta Herrmann
  • Linus Görg
  • Christa Möller-Metzger
  • Ivy May Müller
  • Dr. Gudrun Schittek
  • Yusuf Uzundag
  • Peter Zamory (GRÜNE) und Fraktion