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Innerstädtische Wirtschaftsverkehre nachhaltig und konfliktfrei im Straßenraum (re-)organisieren: Liefer- und Ladezonen ausweiten

Mittwoch, 15.02.2023

Liefer- und Gewerbeverkehre sind Voraussetzung für die Hamburger Wirtschaft und begegnen uns Hamburger*innen tagtäglich auf den Straßen: Warenlieferungen an Geschäfte und Apotheken oder Handwerksbetriebe mit Kleintransportern oder Lkws, Lieferungen von Supermärkten an Kund*innen oder Kund*innenbesuche per Lastenrad oder Kurier-, Express- und Paketsendungen (KEP) zwischen Unternehmen mit dem Fahrrad und dem Kfz. Durch den wachsenden Onlinehandel, verstärkt durch die Covid-19-Pandemie, steigt zudem der Bedarf an KEP-Dienstleistungen noch an.

Der Liefer- und Gewerbeverkehr hat mit ca. 35 Prozent Anteil am gesamten Hamburger Stadtverkehr eine große Wichtigkeit für die Funktionsfähigkeit der Stadt und ist überwiegend auf Lkws und immer öfter auch auf Lastenräder angewiesen. Um eine reibungslose Abwicklung zu ermöglichen, sollte er wo möglich und sinnvoll Priorität im Parkraum erhalten. Dies gilt insbesondere in den nutzungsgemischten Quartieren, wo Gewerbe, Wohnen und Kultur nah beieinander sind. Diese ermöglichen bereits heute die „Stadt der kurzen Wege“ und sind aufgrund ihrer Lebendigkeit gleichermaßen bei Bewohner*innen und Besucher*innen beliebt. Zugleich muss auch der Liefer- und Gewerbeverkehr dem Ziel der Klimaneutralität gerecht werden, bspw. durch die Elektrifizierung der Fahrzeuge oder die Verlagerung auf alternative Verkehrsmittel wie das Fahrrad. Lastenfahrräder gewährleisten einen emissionsfreien, fast lautlosen und flexiblen Transport, der in Quartieren mit gemischter Wohn- und Gewerbenutzung seine Vorteile voll entfaltet. Dieser klimafreundliche Wirtschaftsverkehr ist daher auch bei der Gestaltung des Straßenraums zu beachten, um dessen weitere Verbreitung zu fördern.

Die wenigen Liefer- und Ladeflächen und das ordnungswidrige Parken durch private Kfz auf diesen Flächen führen dazu, dass Lieferant*innen, KEP-Dienstleister*innen und Gewerbetreibende in zweiter Reihe halten. Dies behindert beispielsweise Sichtbeziehungen, beeinträchtigt den Buslinienverkehr und erhöht das Unfallrisiko für Radfahrer*innen, weil diese gezwungen sind, in den Gegenverkehr auszuweichen.

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Um Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen zu vermeiden, sind zeitnah mehr Lade- und Lieferzonen für den Lastenradverkehr und die motorisierten Liefer- und Gewerbeverkehre notwendig. Dafür eignen sich besonders bestehende, versiegelte Verkehrsflächen, wie z. B. Parkplätze im öffentlichen Raum. Eine zusätzliche Versiegelung ist zu vermeiden.

Geschäfte – von Floristik über Bäckereien bis hin zu Apotheken – Restaurants, Handwerksbetriebe, Postfilialen, Labore oder KEP-Dienstleister*innen kennen die Bedarfe und die herausforderndsten Orte am besten. Deshalb sollten sie direkt in den Anordnungsprozess eingebunden werden. Handwerker*innen können mit einer Montage-Ausnahmengenehmigung im gesamten Stadtgebiet – inkl. der Bewohner*innenparkgebiete – im eingeschränkten Haltverbot, an Parkscheinautomaten ohne Entrichtung von Entgelt sowie über die maximale Parkzeit hinaus parken. Entsprechend profitieren Handwerksbetriebe gleichfalls von einer Ausweitung von Lade- und Lieferzonen mit eingeschränktem Halteverbot. In Hamburg können Lade- und Lieferzonen bereits heute bei den Straßenverkehrsbehörden (Polizeikommissariaten, PKs) innerhalb des Rahmens von § 45 StVO beantragt werden. Die PKs entscheiden in diesem Rahmen über die beantragte Einrichtung einer Lade- und Lieferzone. In Städten wie Berlin oder Wien sind die Informationen dazu auch öffentlich einsehbar, in Hamburg noch nicht.

Da Lade- und Lieferzonen häufig durch falschgeparkte Fahrzeuge blockiert werden, bedarf es einer strengeren Kontrolle. Gleichzeitig sollten die Be- und Entladezonen einheitlich, wiedererkennbar und durchsetzbar in der ganzen Hansestadt gekennzeichnet sein. Ausnahmen für das private Parken sollten nicht oder nur nachts gewährt werden. Dies ermöglicht auch eine flexible Nutzung durch spontane Lieferverkehre. Darüber hinaus ist die Funktion der Lade- und Lieferzonen durch entsprechende Bodenmarkierungen, Piktogramme und Schilder zu verdeutlichen, um ihren Zweck zu unterstreichen. Es sollte bei allen Lade- und Lieferzonen auf die erlaubte Nutzung durch Lastenfahrräder hingewiesen werden. Der Bundesverband für Paket- und Expresslogistik (BIEK) hat dafür ein in der StVO einzuführendes einheitliches Ladezonenschild vorgeschlagen (siehe BIEK (2019) Verbändepapier Ladezone). Darüber hinaus sollten an geeigneten Stellen auch E-Lademöglichkeiten die Liefer- und Ladezonen ergänzen.

Dieses Vorgehen knüpft sinnvoll an die Strategie des Senats zur „Letzten Meile“ an (Drs. 22/5939) – also der Strategie für den letzten Teil der Strecke zum Auslieferungsziel. Zur Erreichung des CO2-Einsparziels sollen dabei die verbleibenden KEP-Kraftfahrzeuge auf der Letzten Meile bis 2030 fast ausschließlich lokal emissionsfrei verkehren. Darüber hinaus soll der Modal Split auf der Letzten Meile zu Gunsten alternativer Transportmittel wie z. B. Lastenfahrrädern erhöht und der Anteil der Zustellungen über Paketstationen deutlich gesteigert werden. Mit dem Ausbau sogenannter „SmaLas“, smarter Liefer- und Ladezonen, werden besonders relevante Standorte mit Sensoren und Vorab-Buchbarkeit per App ausgestattet. Diese werden bis 2024 eingeführt und evaluiert. Das Projekt ist mit rund 2,7 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln ausgestattet.

Für konfliktfreie Wirtschaftsverkehre braucht es insgesamt mehr Liefer- und Ladezonen, die bedarfsgerecht in Zusammenarbeit mit den Unternehmen an relevanten Orten ausgewiesen werden. Dem Vorbeugen von Falschparken können ggfs. farbliche Bodenmarkierungen und Schilder dienen. Zudem sind vermehrte Kontrollen notwendig, um die Liefer- und Ladezonen für ihren Zweck freizuhalten. Eine einheitliche Optik und anordnungsrechtliche Regelung verstärken das Verständnis und den Wiedererkennungswert. So können Liefer- und Gewerbeverkehre Hand in Hand mit der Mobilitätswende gehen.

 

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Die Bürgerschaft möge beschließen,

Der Senat wird ersucht,

1. vermehrt Liefer- und Ladezonen mit eingeschränktem und wo anwendbar mit absolutem Halteverbot insbesondere in Bewohner*innenparkgebieten, vor Geschäften, Handwerksbetrieben und Gewerbeunternehmen mit Ladebedarfen sowie dort, wo Zweite-Reihe-Parken regelmäßig beobachtet und sanktioniert wird, auszuweisen und dabei die Bedarfe der Gewerbetreibenden und KEP-Dienstleister*innen zu berücksichtigen,

2. das Antragsverfahren für Liefer- und Ladezonen zu optimieren und bekannter zu machen, sodass KEP-Dienstleister*innen an notwendigen Stellen sowie Gewerbetreibende vor ihren Geschäften, Handwerksbetrieben, Gewerbeflächen und dergleichen entsprechende Zonen einfach und schnell beantragen können und zügig eine transparente Entscheidung erhalten,

3. bei Sanierung, Um- und Neubauten von Straßen Liefer- und Ladezonen zu berücksichtigen,

4. die Ausweisung und Gestaltung der Liefer- und Ladezonen zu vereinheitlichen und durch Beschilderung und Straßenmarkierung auffällig zu kennzeichnen und dabei

i. das Halteverbot durch Grenzmarkierungen auf dem Boden zu verdeutlichen,

ii. die Nutzung der Liefer- und Ladezonen mit Lastenrädern durch Beschilderung zu verdeutlichen,

iii. wo sinnvoll, zusätzlich E-Ladesäulen vorzuhalten,

iv. wo sinnvoll, die Nutzung exklusiv für emissionsfreie Fahrzeuge auszuweisen,

v. zu prüfen, die Liefer- und Ladezonen farblich abzusetzen,

vi. ein Parken von privaten Fahrzeugen lediglich nachts zu erlauben,

vii. ein entsprechendes, einheitliches Zusatzzeichen einzuführen,

viii. die Ausweisung und Gestaltung der Liefer- und Ladezonen mit dem Projekt Smarte Lade- und Lieferzonen (SmaLa) abzustimmen,

5. sich auf Bundesebene für die Einführung eines Ladezonenschilds einzusetzen,

6. ausgewiesene Liefer- und Ladezonen verstärkt zu kontrollieren und eine sinn- und regelentsprechende Nutzung umzusetzen,

7. der Bürgerschaft über den Umsetzungsstand bis zum 30.06.2024 zu berichten.

 

sowie
  • Eva Botzenhart
  • Rosa Domm
  • Olaf Duge
  • Sonja Lattwesen
  • Dominik Lorenzen
  • Zohra Mojadeddi
  • Farid Müller
  • Johannes Alexander Müller
  • Andrea Nunne
  • Lisa Maria Otte
  • Dr. Miriam Putz
  • Ulrike Sparr (GRÜNE) und Fraktion