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Jedes Kind fördern, statt „sitzen bleiben“ lassen

Freitag, 30.06.2006

Für das sitzen bleiben als pädagogische Maßnahme gibt es spätestens seit der PISA-Studie keine vernünftige Argumentation mehr. Während in Deutschland fast drei Prozent eines Altersjahrgangs diese Maßnahme durchlaufen müssen, ist es in den anderen OECD-Ländern eher die Ausnahme. Eine weitere Erkenntnis der PISA-Studie ist, dass in vielen Fällen nicht den pädagogischen Erfolg des „Aufholens“ von Lernstoff erbringt, sondern eher eine Demotivierung bewirkt. Die Drs. 18/2543 (Große Anfrage der SPD-Fraktion Durchlässigkeit – Mythos oder Realität?) hat zudem gezeigt, dass bereits am Ende der 4. Klasse ein Siebtel des Schülerjahrgangs eine verzögerte Schullaufbahn aufweist. Dies führt zu einer Vergeudung von Lebenszeit junger Menschen.

Statt dessen sollte an allen Schulformen eine individuelle Förderung der jungen Menschen in gerade den Fächern, in denen Lerndefizite bestehen, die Regel werden. In diesem Sinne hat die Mehrheit der Hamburgischen Bürgerschaft Ziffer 3 des Ersuchens der CDU-Fraktion „Stärkung der Beobachtungsstufe, Verbesserung der Durchlässigkeit und Reduzierung von Klassenwiederholungen“ (Drs. 18/2994) zugestimmt, Wiederholer sollen künftig aus den Berechnungen zur Versorgung der Schulen herausgenommen werden. Stattdessen soll schrittweise auf Grundlage geeigneter Kennzahlen eine ressourcenneutrale Neuverteilung der Mittel vorgenommen werden. Ziel ist, für die Schulen einen Anreiz zu schaffen, den Anteil an Wiederholern zu reduzieren und ihnen gleichzeitig Mittel für den hierfür notwendigen Förderunterricht zur Verfügung zu stellen.

 

Gleiches hat der Senat an 8 Hauptschulen im Modellversuch „Fördern statt Wiederholen“ vor. An den Gesamtschulen dagegen ist das sitzen bleiben ohnehin die Ausnahme, ohne dass es nachweisliche Auswirkungen auf die Abschlussqualifikation der Jugendlichen hat. Daher erscheint es fraglich, weshalb diesem Beispiel nicht gefolgt wird und das sitzen bleiben in Hamburg zur Ausnahme in allen Schulformen wird und die individuelle Förderung in Fächern mit Lerndefiziten die Regel.

 

Für diese Maßnahme sprechen nicht zuletzt auch haushalterische Gründe, da sie pro Jahr etwa 25 Mio. Euro Kosten verursacht, der individuelle Förderunterricht nur einen Bruchteil davon kosten wird.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird ersucht,

 

ab dem Schuljahr 2007/2008

 

- das Prinzip des „sitzen bleibens“ an allen Schulformen in Hamburg als Regelmaßnahme abzuschaffen. Die diesbezüglichen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen sind entsprechend zu ändern. Das Elternrecht auf Wiederholung bleibt erhalten. In pädagogisch begründeten Einzelfällen ist eine Klassenwiederholung nach Abstimmung zwischen Schule und Behörde möglich.

 

- Schulen müssen durch entsprechende Ressourcenzuwendungen in den Stand versetzt werden, dass ihre Schülerinnen und Schüler durch individuelle und additive Fördermaßnahmen (auch in den Ferienzeiten, z.B. in „Ostercamps) wieder den Anschluss an ihre Lerngruppe erreichen.

 

- Durch verbindliche und kontinuierliche Fortbildungsmaßnahmen am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) sicherzustellen, dass die Diagnose- und Förderfähigkeit der Hamburger Lehrerinnen und Lehrer in diesem Sinne weiter geschult wird.