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Kein übereilter Ausbau der Produktionsschulen

Mittwoch, 10.11.2010

Am 01.09.2009 hat der Senat in Hamburg vier neue Produktionsschulen mit insgesamt rund 200 Plätzen eingerichtet. Später wurden drei weitere Produktionsschulen eröffnet. Zurzeit gibt es in Hamburg sieben neue Produktionsschulen mit 374 Plätzen. Weitere Produktionsschulen sollen im September 2011 eingerichtet werden. Ziel des Senates ist die Einrichtung von insgesamt zehn Produktionsschulen mit 500 Plätzen in Hamburg.

In den Produktionsschulen sollen Jugendliche ohne Schulabschluss die Chance bekommen, durch praktisches Lernen in Produktion und Dienstleistung einen Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung zu gewinnen. Produktionsschulen werden von freien Trägern geführt.

Eine Produktionsschule produziert für den Verkauf und erbringt Dienstleistungen in der Region. Die Jugendlichen sollen im Produktionsprozess lernen. Die Schulen kooperieren mit Betrieben der Region, u.a. damit die Jugendlichen betriebliche Erfahrungen sammeln können. Ziel ist es, bei den Jugendlichen das eigenverantwortliche und selbstständige Lernen zu stärken. Damit sollen die Chancen von Jugendlichen ohne Schulabschluss auf eine berufliche Ausbildung verbessert werden.

Die Produktionsschulen bieten ein Übergangs- und Anschlussmanagement und übernehmen damit die Verantwortung für jeden betreuten Jugendlichen bis zu einem erfolgreichen Wechsel in eine Ausbildung oder eine weiterführende Anschlussmaßnahme. Hamburger Produktionsschulen stehen in der Tradition des dänischen Produktionsschulprogramms und integrieren Erfahrungen und Prinzipien der Produktionsschule Altona, die bereits seit knapp elf Jahren tätig ist.

Die Umsetzung des sinnvollen pädagogischen Konzeptes offenbart allerdings zahlreiche Probleme. Während mit großem finanziellen Aufwand neue Produktionsschulen in freier Trägerschaft aufgebaut wurden, wurde den staatlichen Berufsschulen die Möglichkeit verwehrt, eigene den Produktionsschulen vergleichbare Einrichtungen aufzubauen. Das ist unverständlich, verfügen die Berufsschulen doch über ein erhebliches Know-How und hervorragende Lehrerinnen und Lehrer, zudem über die entsprechenden technischen Anlagen und Maschinen für das Erlernen handwerklicher und technischer Arbeit. Darüber hinaus können viele Berufsschulen die notwendigen Räume bieten. Da die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den staatlichen Berufsschulen eher rückläufig ist, ist es umso un-verständlicher, dass mit den Produktionsschulen in freier Trägerschaft ein konkurrierendes Angebot aufgebaut wurde.

Die an den Schüler- und Platzzahlen orientierten Fördermittel für die neuen Produktionsschulen in freier Trägerschaft sind deutlich niedriger bemessen als die Fördermittel für die als Pilotprojekt gestartete Produktionsschule Altona. Das führt zu Abstrichen in der Ausstattung und der pädagogischen Arbeit der neuen Produktionsschulen. Die Erfolge der Produktionsschule Altona können deshalb keineswegs von den neu eingerichteten Produktionsschulen erwartet werden. Erste Zahlen scheinen das zu bestätigen.

 

Die bereits eingerichteten Produktionsschulen stehen zudem in Konkurrenz zu anderen Angeboten der staatlichen Berufsschulen. Das führt dazu, dass seit Monaten ein erheblicher Anteil der Plätze für die Schülerinnen und Schüler nicht besetzt ist. Die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) hat mehrfach versucht, dieses Problem zu lösen, unter anderem dadurch, dass die Produktionsschulen auch für andere Schülerinnen und Schüler geöffnet wurden. Allerdings ohne Erfolg. Im September 2010 war fast jeder vierte Platz in einer Produktionsschule nicht besetzt. Die mit erheblichem finanziellem Aufwand aufgebauten Produktionsschulen werden so ihrer Aufgabe kaum gerecht, zudem belastet die geringe Auslastung das Budget der Träger und indirekt damit auch den Hamburger Haushalt erheblich.

Der Rechungshof hat in seinem Jahresbericht 2010 kritisiert, dass die Einführung neuer Produktionsschulen zum jetzigen Zeitpunkt verhindere, aus den Ergebnissen der notwendigen und auch von der BSB beabsichtigten Evaluation der neuen Ausbildungsvorbereitung und der bestehenden Produktionsschulen valide Forderungen zu stellen und den Einsatz entsprechender Ressourcen sparsam zu steuern. Der Rechungshof hat daher angeregt, die Einrichtung weiterer Produktionsschulen auszusetzen.

Der Rechnungshof hat weiterhin bemängelt, dass die Finanzierung der Produktionsschulen gegenüber der Bürgerschaft intransparent sei. Insbesondere die finanziellen Wirkungen weiterer Produktionsschulen müsse für die Jahre 2011 bis 2014 deutlich gemacht werden.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird aufgefordert:

1. die Bürgerschaft bis zum Ende des Jahres über das Verfahren und die Ergebnisse der behördeninternen, laufenden Evaluierungen der Produktionsschulen zu informieren.

2. ausführlich über die Bildungsverläufe der Schülerinnen und Schüler, die die erste Tranche der neuen Produktionsschulen ab September 2009 besucht haben, zu berichten (Ausgangslage, schulischen Erfolg, wie Hauptschulabschluss, beruflichen Werdegang etc.).

3. über die Ergebnisse der Evaluation des Übergangssystems, deren erste Ergebnisse zum Schuljahr 2010/2011 vorliegen sollen, die Bürgerschaft zeitnah zu informieren.

4. in den Hamburger Berufsschulen den Produktionsschulen vergleichbare Angebote zu entwickeln und ebenfalls zu evaluieren.

5. die Hamburgische Bürgerschaft über die korrekten finanziellen Auswirkungen der Einrichtung bereits bestehender Produktionsschulen zu unterrichten.

6. vor dem Abschluss einer klaren Evaluation und deren Bewertung sowie einer korrekten Angabe der finanziellen Folgen keine weiteren Produktionsschulen in freier Trägerschaft in Hamburg einzurichten.