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Kleine und mittelständische Unternehmen stärken: Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mittelstandsfreundlich gestalten und auf die Einhaltung von Mindestlöhnen und Tariftreue achten

Mittwoch, 14.09.2011

Von den ca. 130.000 in Hamburg selbständig tätigen Unternehmen und Gewerbetreibenden sind etwa vier Fünftel kleine oder mittelständische Unternehmen (KMU). Sie sind das Rückgrat der Hamburger Wirtschaft und bilden überproportional aus. Gerade in Krisenzeiten haben sie eine hohe Bereitschaft bewiesen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch unter konjunkturell schwierigen Bedingungen zu halten.

Insbesondere im Baugewerbe generieren viele kleine und mittlere Unternehmen einen Großteil ihres Umsatzes, in dem sie öffentliche Aufträge durchführen. Die SPD-Fraktion setzt sich weiterhin für eine mittelstandsfreundliche Vergabepolitik durch die Stadt und die städtischen Unternehmen ein. Durch die Aufteilung der zu vergebenen öffentlichen Aufträge in Fach- und Teillose erhalten kleine und mittlere Unternehmen die Chance, am Wettbewerb teilzunehmen und bei der Auftragserteilung zum Zuge zu kommen. Die SPD-Fraktion hat es daher auch mitgetragen, dass im Rahmen der Hamburger Konjunkturoffensive 2009 / 2010 die Wertgrenzen im Baubereich für beschränkte Ausschreibungen von 250.000 Euro auf 1 Million Euro heraufgesetzt und bei freihändigen Vergaben bis zu 100.000 die schriftliche Begründungspflicht aufgehoben wurde. Diese zunächst bis Ende 2010 befristeten Maßnahmen wurden auf Ersuchen der Bürgerschaft bis zum 31.12.2012 verlängert. Es muss nun evaluiert werden, ob die gewählten Maßnahmen geeignet sind, die mittelständische Wirtschaft in Hamburg und der Metropolregion zu stärken und eine Verlängerung über 2012 hinaus sinnvoll ist.

Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Hamburg müssen zudem vor Wettbewerbsnachteilen durch Billigangebote, insbesondere von osteuropäischen Unternehmen geschützt werden, die diese auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Niedriglöhne erreichen. Dies hat durch die volle Arbeitsnehmerfreizügigkeit seit dem ersten Mai diesen Jahres zusätzliche Brisanz. Wir setzen uns – ebenso wie die Gewerkschaften - dafür ein, dass gute Arbeit angemessen entlohnt wird und bestehende Sozialstandards nicht ausgehöhlt werden. Der Stadt und den städtischen Unternehmen kommt dabei eine Vorbildsfunktion zu. Es muss geprüft werden, welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten auch nach dem sog. „Rüffert-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs vom 3. April 2008, welches die damalige Hamburger Tariftreueerklärung zu Fall gebracht hat, bestehen, um Tariftreue und Mindestlöhne weit möglichst einzuhalten.

Dies gilt auch für Vergaben von Verkehrsdienstleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr, die bis Ende 2008 von der Regelung zur Tariftreueerklärung im Hamburgischen Vergabegesetz erfasst wurden. Mit der Neuregelung zum 1.9.2009 ist dies entfallen, obwohl die Rechtsauführungen des EuGH in der Sache „Rüffert“ nicht auf den Sektor Verkehr übertragbar sind. Mehrere Landesvergabegesetze, unter anderem Rheinland-Pfalz, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sehen im Gegensatz zu Hamburg nach wie vor eine Tariftreueerklärung für den Öffentlichen Personennahverkehr vor.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

1. auszuwerten, ob unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtssprechung mit der derzeitigen Tariftreueerklärung in § 3 des Hamburgischen Vergabegesetzes der rechtliche Rahmen vollständig ausgeschöpft wird, um Mindestlöhne und Tariftreue der beauftragten Unternehmen bei allen Vergaben - auch bei Vergaben von Verkehrsdienstleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr - durch die Stadt Hamburg sicher zu stellen,

2. in diesem Zusammenhang darzulegen, welche Regelungen in anderen Bundesländern Anwendung finden, welche Erfahrungswerte hierzu vorliegen und welche Regelungen ggf. auf Hamburg übertragbar sind,

3. darzulegen, bei welchen öffentlichen Unternehmen das Hamburgische Vergaberecht keine Anwendung findet, weil sie mit mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes im entwickelten Wettbewerb zu anderen Unternehmen stehen und daher unter die Ausnahmeregelung nach § 2 (2) Satz 3 des Hamburgischen Vergabegesetzes fallen und zu prüfen, ob diese Ausnahmeregelung in Bezug auf eine mittestandsfreundliche Vergabepolitik und die Einhaltung von Tariftreue und Mindestlöhnen Ziel führend und sachgerecht ist,

4. bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere auch bei den großen Bauvorhaben im Schul- und Hochschulbereich, vornehmlich mittelständische Interessen zu berücksichtigen und konsequent darauf zu achten, Aufträge nach Fach- und Teillosen zu vergeben,

5. die Auswirkungen der im Rahmen der Hamburger Konjunkturoffensive geschaffenen Wertgrenzen für Freihändige Vergaben und Beschränkte Ausschreibungen unter Einbeziehung der Handwerkskammer zu evaluieren,

6. der Bürgerschaft entsprechend Bericht zu erstatten:

- über die Punkte 1. - 3. bis Ende November 2011,

- über die Auftragsvergabe an kleine und mittlere Unternehmen (Punkt 4) und die Evaluierung der im Rahmen der Konjunkturoffensive geschaffenen Wertgrenzen (Punkt 5) bis Ende 2012,

- und in der Folge über die Auftragsvergabe an kleine und mittlere Unternehmen jährlich zu berichten.