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Klimaplan und Klimaschutzgesetz – Ergänzungen nach den Sachverständigenanhörungen in den Ausschüssen für Umwelt und Energie, Stadtentwicklung, Verkehr sowie Wirtschaft, Innovation und Medien

Dienstag, 28.01.2020

Am 3. Dezember 2019 hat der Senat die Fortschreibung des Hamburger Klimaplans und einen Entwurf für ein neues Hamburger Klimaschutzgesetz sowie für eine Verfassungsänderung vorgelegt (Drs. 21/19200). Das Klimaschutzgesetz legt das neue Ziel fest, bis 2030 den CO2-Ausstoß um 55 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken, bis 2050 soll Hamburg klimaneutral werden. Darüber hinaus enthält das Gesetz verschiedene ordnungsrechtliche Vorgaben, die eine Basis für das Erreichen der Ziele schaffen. Der Klimaplan formuliert weitere Maßnahmen zum Erreichen der Ziele, wie z. B. den klimafreundlichen Umbau der Fernwärmeversorgung und den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs sowie Kooperationsprogramme mit Wirtschaft und Industrie.

Zum Hamburger Klimaplan und Klimaschutzgesetz fanden am 7. Januar 2020 in einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Energie und des Stadtentwicklungsausschusses sowie am 14. Januar 2020 in einer gemeinsamen Sitzung des Verkehrsausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien Sachverständigenanhörungen statt. Dabei bestätigten die Fachleute, dass der Klimaschutz durch das vorgelegte Gesetz und die Fortschreibung des Klimaplans eine neue Qualität erreicht. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz ist Hamburg nach Einschätzung der Fachleute in Deutschland führend und bespielgebend für andere Städte. Neben der grundsätzlichen positiven Bewertung von Klimaplan und Gesetz nannten die Expertinnen und Experten auch einige Aspekte, die bei der Umsetzung des Klimaplans helfen.

Für die Emissionsbetrachtung ist die „Verursacherbilanz“ der Stadt Hamburg festgelegt. Berücksichtigt werden darin Endenergieverbräuche in Hamburg, d. h. der Verbrauch von Strom, Wärme sowie Kraft- und Brennstoffen. Die Verursacherbilanz ist die richtige Bemessungsgrundlage, da sie den Hamburger Energieverbrauch am besten abbildet. Allerdings liegen die offiziellen Daten des Statistikamtes für die Verursacherbilanz jeweils immer erst mit zwei Jahren Verzögerung vor. Der Klimaplan sieht eine jährliche Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen vor. Für ein effektives Monitoring und ggf. notwendiges Nachsteuern ist es nötig, dass das Statistikamt die Daten zeitnah erhebt und Senat, Bürgerschaft und Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

Darüber hinaus werden im Klimaschutzgesetz und Klimaplan lediglich die CO2-Emissionen adressiert, jedoch keine weiteren Treibhausgase. Diese spielen derzeit zwar anteilig eine kleinere Rolle. Das wird sich aber zum einen mit dem Sinken der CO2-Emissionen ändern. Zum anderen zeigt u. a. der jüngste Fall des Gebrauchs des Treibhausgases Sulfuryldifluorid im Hamburger Hafen, dass die Bedeutung einzelner Treibhausgase plötzlich steigen kann.

In Bezug auf die energetische Gebäudesanierung wiesen die Fachleute vor allem auf drei wesentliche Punkte hin:

• Mögliche Kostensteigerungen durch die Sanierungsmaßnahmen sollen wirksam begrenzt werden.

• Der Fachkräftemangel könnte zu Verzögerungen bei den anstehenden Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle und in der Heiztechnik führen.

• Es ist notwendig, das nötige Know-how für die energetische Sanierung von Gebäuden verstärkt in der Aus- und Fortbildung der betroffenen Fachkräfte zu verankern.

Die Frage, wie sich Kostensteigerungen bei der energetischen Sanierung von Gebäuden vermeiden oder begrenzen lassen, soll mit der im Klimaplan vorgesehenen umsetzungsorientierten Machbarkeitsstudie beantwortet werden, mit der bereits begonnen wurde.

Im Hinblick auf den Handlungsbedarf beim Thema Fachkräftemangel hatte der Senat eine Fachkräftestrategie (Drs. 21/13304) vorgelegt. Das bereits am 1. März 2020 in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz des Bundes wird Hamburg mit zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen für Arbeitskräfte und ihre Familien sowie für die Unternehmen begleiten (Drs. 21/19412). Zudem sieht der „Masterplan Handwerk 2020. Fortschreibung 2019“ vor, die Themen Klimaschutz und Energiewende in der Aus- und Fortbildung von Fachkräften zu verankern. Gleichwohl sollte im Zuge der Verabschiedung des Klimaplans und Klimaschutzgesetzes mit den sehr ambitionierten Zielen geprüft werden, ob die schon bestehenden Anstrengungen noch weiter ergänzt werden können.

Dass der Klimaplan auch die Anpassung an den Klimawandel (Klimaresilienz) berücksichtigt, wurde ausdrücklich begrüßt. Ein Experte wies zugleich darauf hin, dass sich die Klimaanpassung in den fachlichen Aufgaben deutlich vom Klimaschutz unterscheide. Diese Unterschiede sollten deutlich benannt und die entsprechenden Maßnahmen detailliert aufgeführt sowie im Hinblick auf ihre Wirksamkeit kontrolliert werden.

Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung im Oktober 2019 beschlossen, den Anteil erneuerbarer Energien in der bundesweiten Stromproduktion bis 2030 auf 65 Prozent oder mehr zu steigern. In den Anhörungen der Fachleute zeigte sich, dass für Hamburg und Norddeutschland eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie sowie eine zügige Entlastung der Strompreise von staatlich indizierten Preisbestandteilen (SIP, d. h. Steuern, Abgaben und Umlagen wie z.B. die EEG-Umlage) und eine Neugestaltung der Netzentgelte von enormer Bedeutung sind. Beide Punkte bedürfen einer schnellen Umsetzung, um mit der Sektorenkopplung in der Energiewende und dem Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft voranzukommen – zum Vorteil von Industrie, Verbraucherinnen und Verbrauchern und Klima. Auch der Klimaplan führt dies knapp aus, es sollte jedoch noch stärker in den Fokus gerückt werden.

Die Dringlichkeit für die Änderung bei den SIP ergibt sich auch dadurch, dass Bürgerinnen und Bürger in der Metropolregion Hamburg jährlich mit ca. 350 Millionen für 3,3 Terawattstunden (TWh), die sie nicht erhalten, belastet werden. Denn um Netze stabil zu halten, müssen Wind- und Solarstrom abgeregelt, aber Erzeugerinnen und Erzeuger vertragsgemäß entschädigt werden – zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Dabei wäre der Strom aus erneuerbaren Quellen dringend zur Dekarbonisierung erforderlich.

Der hohe Anteil der SIP und Netzentgelte an den Strompreisen verhindert heute, dass zu Zeiten niedriger und sogar negativer Börsenstrompreise billiger Wind- oder Solarstrom wirtschaftlich genutzt werden kann, um z. B. Wasserstoff oder Fernwärme zu erzeugen. Außerdem zahlen Großverbraucher mit kontinuierlicher Stromabnahme heute weniger Netzentgelte als solche, die ihre Verbrauchskurve flexibel an die Netzsituation anpassen. Das verhindert, dass vorhandene Flexibilitäten genutzt werden.

Mit einer CO2-Preisentwicklung entsprechend der Einigung im Vermittlungsausschuss des Bundesrates, einer gezielten SIP-Reduzierung für Speicher und Sektorenkopplung sowie einer Netzentgeltanpassung, die die Netzdienlichkeit der Verbrauchskurve berücksichtigt, können Anreize für Investitionen in Technologien wie Power-to-Heat, Speicher und Wasserstofferzeugung gesetzt werden, mit denen der Industriestandort Deutschland und damit auch Hamburg gesichert und eine sozialverträgliche Transformation von Wirtschaft und Mobilität sowie eine sozialverträgliche energetische Sanierung von Gebäuden gewährleistet werden kann.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. mit dem Statistikamt Nord nach Wegen zu suchen, ob und wie die erforderlichen Energieverbrauchsdaten und -bilanzen einschließlich der CO2-Emissionen für die vier Sektoren („Industrie“, „Gewerbe, Handel, Dienstleistungen“, „Private Haushalte“ und „Verkehr“) jeweils zeitnah Senat, Bürgerschaft und Öffentlichkeit vorgelegt werden können;

2. die Freisetzung weiterer Klimagase und deren Bedeutung für die Klimaziele 2030 und 2050 gutachterlich zu bewerten, regelmäßig zu erfassen und mit den zweijährlichen Berichten über den Stand der Zielerreichung und der Umsetzung der Maßnahmen des Hamburger Klimaplans zu berichten;

3. die Anstrengungen zur Behebung des Fachkräftemangels vor allem in den Bereichen Handwerk und Ingenieursleistungen für den Klimaschutz weiter zu entwickeln und dabei auch die Attraktivität von Aus- und Fortbildung in den klimarelevanten Berufen zu steigern;

4. das Thema Klimaanpassung fachlich weiter in Bezug auf Anforderungen und Maßnahmen zu detaillieren sowie ein Klimafolgenmonitoring zu entwickeln und hierfür die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen;

5. sich auf Bundesebene weiter dafür einzusetzen, dass Strom aus erneuerbaren Quellen durch Reduzierung der SIP, Netzentgeltanpassung und einen CO2-Preis – auf Basis des im Vermittlungsausschuss des Bundesrates erzielten Kompromisses – flexibel, netzdienlich und wirtschaftlich eingesetzt werden kann.