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Landstrom – Konzepte, Kosten und Bewertung

Mittwoch, 12.10.2011

Das Thema „Landstromversorgung im Hamburger Hafen“ wird seit mehreren Jahren in der Hamburgischen Bürgerschaft diskutiert. Dabei kamen auch Erd- bzw. Flüssiggas (LNG) und Brennstoffzellen als Alternativen zur Sprache. Bereits in der 18. Wahlperiode wurde der Senat nach ausführlichen Diskussionen in den bürgerschaftlichen Fachausschüssen für Stadtentwicklung und Umwelt sowie für Wirtschaft bereits zu umfassenden Prüfungen und zur Entwicklung eines Konzeptes zur Reduzierung der von Schiffen ausgehenden Emissionen (Drs. 18/7818) aufgefordert. Die damalige Wirtschaftsbehörde hatte 2008 beim Germanischen Lloyd ein Gutachten zur Verringerung der Emissionen von Kreuzfahrtschiffen in Hamburg in Auftrag gegeben. In der 19. Wahlperiode hatte die SPD-Fraktion verschiedene Anfragen zu den Themen Verminderung der Schiffsemissionen und Umsetzbarkeit von Landstromversorgungen gestellt (Drs. 19/2614, 19/2931, 19/4463, 19/5193, 19/6735, 19/7529).

Die Bürgerschaft hatte auf Antrag der Fraktionen der CDU und der GAL dem Senat im April 2009 erneut den Auftrag erteilt, die Möglichkeiten einer landseitigen Stromversorgung von Schiffen im Hamburger Hafen zu prüfen (Drs. 19/2950). Die SPD Fraktion forderte, alle bisherigen Arbeits- und Prüfergebnisse einschließlich der Einbeziehung von Stadtwerken als Betreiber zur Versorgung der im Hamburger Hafen liegenden Seeschiffe mit Landstrom vorzulegen, über die Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu berichten und ein Realisierungskonzept vorzulegen (vgl. Drs. 19/3060). Mitte 2009 stellte der Industrieverband Hamburg seine „Machbarkeitsstudie zu einer landseitigen Stromversorgung für Kreuzfahrtschiffe am Terminal in der HafenCity“ vor.

Seit 2008 diskutieren im Gesprächskreis „Reduktion von Emissionen durch Kreuzfahrtschiffe“ Vertreterinnen und Vertreter aus Hamburger Behörden, von Reedern, Werften, Energieversorgern und europäischen Kreuzfahrtverbänden über die Verminderung von Schiffsemissionen. Darüber hinaus hat sich eine Allianz von Europäischen Kreuzfahrstädten gebildet, die das Thema Landstrom voran bringen möchten.

Inzwischen hat der Bundestag beschlossen, dass Strom für eine landeseitige Stromversorgung von Wasserfahrzeugen für die Schifffahrt nur einem ermäßigten Steuersatz von 0,50 Euro für eine Megawattstunde unterliegt. Diese Regelung ist seit dem 23. Juli 2011 in Kraft. Auch das Thema der „Stecker“-Normung steht vor dem Abschluss einer internationalen Regelung.

Die Diskussion über Landstrom wurde in Hamburg verstärkt durch die rasante Steigerung der Anläufe durch Kreuzfahrtschiffe. Rund 100 Kreuzfahrtschiffe laufen die Terminals in der HafenCity bzw. seit Sommer 2011 auch in Altona an. Die Liegezeit beträgt in der Regel zwölf bis 24 Stunden. In dieser Zeit müssen die Bordfunktionen durch Schiffsaggregate in Betrieb gehalten werden. Zwar ist für Liegezeiten in Häfen die Verwendung von Kraftstoffen mit einem maximalen Schwefelgehalt von 0,1 Euro vorgegeben, aber weitere Emissionen wie Stickoxide, Schwebstaub und Lärm – von CO2 ganz zu schweigen – bleiben unberührt.

Im Zuge der Bauleitplanung für die HafenCity wurden im Rahmen einer Immissionsprognose Überschreitungen der EU-Grenzwerte der Schadstoffe NO2, SO2 und in höheren Geschosslagen auch PM10 errechnet. Derzeit liegen nach den aktuellen Messungen im Auftrag der BSU zwar keine Überschreitungen einschlägiger Immissionsgrenzwerte (EU-Vorgaben, 39. BImSchV) für die beiden Kreuzfahrtterminals vor. Es ist jedoch zu befürchten, dass mit fortschreitender Bebauung die freie Abströmung von Luftschadstoffen behindert und damit die Luftbelastung verstärkt wird. Weitere Wohnbebauung ist dann in der östlichen HafenCity ausgeschlossen.

Es besteht Handlungsbedarf, um im Hamburger Hafen die von Schiffen ausgehenden Emissionen zum Schutz der Menschen, die in Hafennähe wohnen, zu reduzieren und damit die Luftqualität in ganz Hamburg zu verbessern. Der Chef der HPA informierte sich bereits in den USA über Beispiele für landseitige Stromversorgung.

Die Studie des Industrieverbandes belegte bereits die grundsätzliche technische Machbarkeit einer landseitigen Stromversorgung für Kreuzfahrtschiffe am Terminal in der HafenCity. Über zwei Jahre später liegt den zuständigen Behörden nach dem Gutachten des Germanischen Lloyd nun auch aktuell das angeforderte Gutachten „Realisierbarkeit von Landstromanlagen an den Hamburger Kreuzfahrtterminals HafenCity und Altona“ vor.

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. der Bürgerschaft das Gutachten „Realisierbarkeit von Landstromanlagen an den Hamburger Kreuzfahrtterminals HafenCity und Altona“ vorzustellen und

2. eine Bewertung des Gutachtens vorzulegen, in der folgende Aspekte besonders berücksichtigt werden:

a. technische Machbarkeit einer Landstromversorgung an den Hamburger Kreuzfahrtterminals HafenCity und Altona unter besonderer Berücksichtigung der Stromkompatibilität (Frequenz- und Spannungsanpassung, ) und der Versorgungsanlagen (Ausmaße, bauliche Voraussetzungen, Verkabelung, Anschlüsse, Umspannwerke);

b. Verringerung bzw. Vermeidung von Lärm-, Schwefel-, Feinstaub-, Stickoxid- und CO2-Belastung für die Stadt abgesehen von CO2-Emissionen für den jeweiligen Stadtteil durch Landstrom bzw. alternative land- oder wasserseitige Energieversorgungsmöglichkeiten;

c. Art und Umfang der für eine Landstromversorgung jeweils erforderlichen landseitigen Investitionen, ihrer Kosten sowie möglicher Finanzierungs- und Betreibermodelle mit und ohne städtische Beteiligung;

d. Art und Umfang der für eine Landstromversorgung jeweils erforderlichen schiffsseitigen Investitionen, ihrer Kosten und Wirtschaftlichkeit für den jeweiligen Reeder gegenüber einer bordeigenen Stromversorgung unter Einbeziehung realistischer Treibstoffkosten und der steuerlichen Begünstigung von Landstrom;

e. Art der Beschaffung, Einspeisung und Entnahme des zusätzlichen Stroms für Schiffe und deren Voraussetzungen und Auswirkungen für das Hamburger Verteilnetz.

3. Vor- und Nachteile bzw. Begrenzungen möglicher weiterer landseitigen Energieversorgungsalternativen wie Bereitstellung von Gas, Flüssiggas oder Wasserstoff-Brennstoff-zellen-Technologie oder einer wasserseitigen Stromversorgung über sog. Bargen darzustellen und unter Berücksichtigung ihrer Machbarkeit, Emissionsminderungswirkung, Kosten, Investitionen, mögliche Finanzierungs- und Betreibermodelle mit und ohne städtische Beteiligung, Kosten und Wirtschaftlichkeit für den jeweiligen Reeder sowie Art der Beschaffung und Bereitstellung der Energie im Vergleich zu einer Landstromversorgung abzuwägen.

4. Perspektiven umweltfreundlicher Schiffsantriebstechnologien unter Berücksichtigung zeitlicher Horizonte ihrer Marktrealisierung vorzustellen.

5. der Bürgerschaft bis Ende April 2012 zu berichten.